
Als ich vor einigen Monaten in den Kalender blickte, stellte ich mit etwas Wehmut fest, dass die folgenden Semesterferien die letzten vor dem M2 sein würden – und ich zudem auch noch 30 Tage Famulatur zu absolvieren hatte! Also kein entspannter Urlaub in dem man die Seele und die Füße baumeln lassen kann… oder vielleicht doch?! Aus der fixen Idee, Praktikum und Urlaub zu kombinieren, entwickelte sich schnell der Plan, die letzten Semesterferien für eine Auslandsfamulatur zu nutzen.
Meine Sprachkenntnisse limitierten die Suche nach einem Famulaturplatz auf englisch- und französischsprachige Länder. Außerdem sollte das Ziel innerhalb von Europa mit dem Zug erreichbar sein – nicht nur aufgrund ökologischer Aspekte, sondern auch, um in unruhigen Pandemie-Zeiten flexibler planen zu können. Schnell fiel die Wahl auf Frankreich. Und da ich Freunde habe, die in Paris wohnen und bei denen ich unterkommen konnte, hatte sich das Reiseziel wie von selbst ergeben!
Planung?
Über die Internetrecherche ließen sich schnell alle relevanten Krankenhäuser in Paris ausfindig machen. Anders als in Deutschland sind in Frankreich aber (leider) oft nur Telefonnummern und keine E-Mail-Adressen angegeben. Daher folgte eine kompliziertere Telefonier-Aktion, bei der ich mich über Sekretärinnen und Warteschleifen bis endlich hin zum richtigen Zuständigen hindurchtelefoniert hatte. Auf jeden Fall sollte man sich die Kontaktdaten des Chefarztes/-ärztin geben lassen, da nur dort eine Bewerbung tatsächlich bearbeitet wird und man auf eine Antwort hoffen kann! Hat man erst einmal den richtigen Ansprechpartner gefunden, geht es meistens aber sehr schnell: auf meine kurze schriftliche Bewerbung bekam ich innerhalb weniger Tage eine Zusage.
Wo?
Das Hôpital Pitié-Salpêtrière ist eines der größten Krankenhäuser Frankreichs und liegt im 13. Arrondissement im Herzen von Paris. Die infektiologische Station ist weitaus größer, als dies in den meisten Krankenhäusern in Deutschland der Fall ist. „Maladies Infectieuses et Tropicales“ umfasst drei Bereiche zur stationären Versorgung, eine Tagesklinik für HIV-Patienten und einen ambulanten Bereich für Konsultationen. Die meisten Patienten während meiner Zeit wurden aufgrund von Covid oder Tuberkulose behandelt. Teilweise bekam man aber auch fulminante HIV-Verläufe oder Raritäten wie Malaria oder Helminthen-Infektionen bei Reiserückkehrern zu Gesicht.
Alltag?
Das Medizinstudium ist in Frankreich sehr viel praxisorientierter gestaltet als in Deutschland: Alle Medizinstudenten sind ab dem klinischen Abschnitt jeden Vormittag im Krankenhaus eingeteilt und am Nachmittag haben sie Kurse an der Universität. Obwohl ich erklärte, dass ich keine Erasmus-Studentin sei, wurde ich wie alle anderen Studenten behandelt – das hieß: Anwesenheitspflicht täglich von 9 bis 13 Uhr ;)
Wie jeder Student bekam ich meine eigenen Patienten zugeteilt, die ich betreute, untersuchte, für die ich tägliche Kurzberichte anfertigte und die ich bei der Visite vorstellte. Zweimal wöchentlich war (Chef-) Visite, die gut und gerne auch mal vier Stunden dauern konnte, da jeder Patient wirklich sehr detailliert und sorgfältig besprochen wurde. Traditionell wurde einem die Visite aber durch mitgebrachte Croissants und Kaffee versüßt!
Praktische Tätigkeiten wie Blutabnehmen, Nadeln legen, Punktionen oder Ultraschall-Untersuchungen entfielen leider ganz, da sie entweder Aufgabe der Pflege sind oder in einem so großen Krankenhaus wie dem Pitié-Salpêtrière von spezialisierten Fachkräften übernommen werden.
Die Ausbildung der Studenten im Krankenhaus wurde durch 1-2 Studentenkurse pro Woche ergänzt. Die Stationsärzte oder sogar die Chefärztin hielten zu einzelnen Themen kurze Vorträge, die meistens sehr interaktiv gestaltet waren und die eine gute theoretische Wiederholung der Fälle boten, die man auf Station gesehen hatte.
Positives und Gewinn?
Diese Famulatur hat mich besonders begeistert, da der Aufenthalt in Paris für mich die europäische Idee praktisch und alltagsnah aufleben ließ. Ohne Flugzeug, ohne Visum, ohne Geldwechseln konnte ich einfach vier Wochen in dieser wunderschönen Stadt verbringen – wie genial ist es eigentlich, in Europa zu leben?!
In erster Linie habe ich von diesem Praktikum sprachlich sehr profitiert. Durch das tägliche Französischreden und -hören konnte ich schon innerhalb der vier Wochen Fortschritte bemerken und meine Französischkenntnisse aus Schule und Auslandsaufenthalten wieder reaktivieren. Die Kommunikation mit den Patienten klappte erstaunlich gut – viele Ärzte hatten allerdings (wie es sich für echte Pariser gehört) ein sehr hohes Sprechtempo. Bei Nachfragen wurde mir aber meistens geduldig nochmal alles wiederholt oder ein zweites Mal erklärt. Eine kleine sprachliche Anekdote deutsch-französischer Freundschaft, die bei mir anfangs zu Verwirrung führte: der Tuberkuloseerreger wird in Frankreich häufig nicht als Mykobakterium, sondern als „bacille de Koch“ (nach seinem Entdecker) bezeichnet.
Tatsächlich zum ersten Mal während meines Studiums habe ich eigene Patienten zugeteilt bekommen und gelernt, ihre Krankengeschichte nachzuverfolgen und auf das Wesentliche zu reduzieren. Die Patientenvorstellung bei Visite war zwar aufgrund der Sprachbarriere herausfordernd, aber ich habe dort zum ersten Mal gelernt, die Vorstellung strukturiert und prägnant zu gestalten.
Wie oben erwähnt waren zudem die Arbeitszeiten sehr Studenten-freundlich – spätestens um 13:30 Uhr wurde ich nach Hause geschickt. In einer so wunderschönen Stadt wie Paris lässt man sich das nicht zweimal sagen! So blieb mir nachmittags noch viel Zeit, die Stadt mit ihren zahllosen Sehenswürdigkeiten zu erkunden.
Negatives?
Wie bereits erwähnt, bestand die Arbeit auf Station ausschließlich aus theoretischen und aus keinerlei praktischen Anteilen (was möglicherweise aber auch an dem Fachbereich Infektiologie liegen könnte, evtl. ist es auf einer chirurgischen Station anders?). Das war für mich etwas gewöhnungsbedürftig, da man als Medizinstudent in Deutschland ja viel Zeit mit Blutabnehmen etc. verbringt. Während die Visite sehr interessant und intensiv war, waren die Zeiten dazwischen teilweise etwas langweilig, da man sich selbst beschäftigen musste und oft keine Anweisungen bekam, was zu tun war.
Fazit?
Abgesehen davon, dass ich Auslandsaufenthalte immer sinnvoll finde, ist eine Famulatur in Frankreich bzw. Paris ganz besonders empfehlenswert, da sie den idealen Rahmen bietet für eine entspannte Praktikumszeit kombiniert mit guter theoretischer Ausbildung am Krankenbett.
Und tatsächlich - meine vier Wochen in Paris fühlten sich im Rückblick ein bisschen wie Arbeit, ein bisschen wie Urlaub an!
Zur Autorin
Theresa Baral liebt Croissants und studiert Medizin an der Uni Ulm.
lea-theresa.baral@uni-ulm.de