MBZ: Frau Pohl, warum engagieren Sie sich in der MB-Verhandlungskommission?
Friederike Pohl: Aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis leiden fast alle Ärzt*innen – ganz gleich welcher Fachrichtung – unter den überlastenden Arbeitsbedingungen. Letztere sind zum einen eine Folge des Personalmangels und der Arbeitsverdichtung. Zum anderen ist eine Überlastung oft maßgeblich bedingt durch teils desolate Rahmenbedingen, die durch einen Tarifvertrag geregelt werden können, wie die Belastung durch die Arbeitszeit, Arbeit an Wochenenden, Feiertagen und nachts, verlässliche Dienstplangestaltung, Urlaubstage etc.
Was hat das im Arbeitsalltag zur Folge?
Pohl: Viele Kolleg*innen spielen mit dem Gedanken, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, um eine erträgliche Begrenzung der Arbeit und damit der Belastung zu erreichen. Das kann meines Erachtens nicht der richtige Weg sein. Dass wir, die unsere Patient*innen heilen wollen und zur Gesundheitsfürsorge beraten, in einem krankmachenden System arbeiten müssen, ist nicht hinnehmbar. Ich möchte keinesfalls mein ganzes Leben unter den aktuell herrschenden Umständen arbeiten.
Nicht selten hatte das in meinem Freundes- und Bekanntenkreis zur Folge, dass junge Kolleg*innen noch während der Weiterbildung oder kurz danach das Fach gewechselt haben, um im ambulanten Bereich weiterzuarbeiten. Einige haben der Patientenversorgung auch ganz den Rücken gekehrt.
Wie sehen Sie Ihre Rolle bei den Verhandlungen?
Pohl: Ich möchte aktiv mitgestalten und die politischen Umstände und Rahmenbedingungen für uns Ärzt*innen verbessern. Dafür engagiere ich mich als Assistentensprecherin, bei der Initiative Bunte Kittel und beim Marburger Bund. Ich freue mich sehr, als Mitglied in die Tarifkommission für die Verhandlungen mit der VKA gewählt worden zu sein. In den vergangenen Tarifverhandlungen lag der Fokus überwiegend auf einer Verbesserung der Konditionen im Ruf- und Bereitschaftsdienst, die Kolleg*innen, die im Schichtdienst arbeiten, mussten das Nachsehen haben. In meinem Klinikum wurde bereits vor vielen Jahren auf ein Schicht-System umgestellt. Für die Ärzt*innen in Weiterbildung gibt es keine Bereitschaftsdienste mehr, auch Rufdienste sind nur noch in einzelnen Bereichen vertreten. In der jetzigen Verhandlungsrunde geht es ausschließlich um die Entgelttabelle. Ab 2024 wird es dann (endlich!) um den Schichtdienst gehen. Ich hoffe durch meine Erfahrungen aus erster Hand – im Falle einer Wiederwahl für die Verhandlungen 2024 – wichtige Ideen und Impulse für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Schichtdienst in die Verhandlungen einbringen zu können.
Wie ist Ihr Eindruck von den Verhandlungen bisher?
Pohl: Ich empfinde es als frech, dass die VKA auch für die zweite Verhandlungsrunde kein Angebot erarbeitet hat. Ihre Argumentation, nach der unsere Forderungen überzogen seien und zeigten, dass es uns daran mangele, gesamtgesellschaftlich Verantwortung zu übernehmen, ist geradezu unanständig. Dennoch ist es spannend bei den Verhandlungen zu sein und ich freue mich auf das, was noch kommt.
Danke für das Interview.
Das Interview führt Jörg Ziegler, stellvertretender Chefredakteur der Marburger Bund Zeitung.