Suchtpotenzial von Cannabis wird unterschätzt
„Ich bin in höchstem Maße skeptisch und fürchte, dass die Politik im Falle einer Legalisierung schwerwiegende Gefahren für die Gesundheit von Jugendlichen bewusst in Kauf nimmt“, sagte Dr. med. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KVNO. „Die Minderjährigen werden sich die Droge weiterhin auf dem Schwarzmarkt besorgen. Auch die Annahme einer sinkenden Drogenkriminalität in Folge eines legalen Konsums erschließt sich mir nicht.“
Vor allem das hohe Suchtpotenzial von Cannabis und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die ambulante Versorgung werden nach Meinung des KVNO-Vorstandsvorsitzenden in der momentanen politischen Diskussion massiv unterschätzt.
„Als Neurologe und Psychiater weiß ich um die Gefahr der Abhängigkeit von der Droge, insbesondere für Heranwachsende – dies wird sich auch auf die ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung auswirken. Sollte Cannabis tatsächlich flächendeckend legalisiert werden, rechne ich mit einem deutlich höheren Behandlungsbedarf bei Suchterkrankungen und depressiven Störungen, die das schon heute extrem belastete Versorgungssystem zusätzlich bewältigen müsste.“
Geltende Richtlinien der Psychotherapie nicht anwendbar
Dass durch eine Cannabislegalisierung vor allem die Nachfrage nach psychotherapeutischen Leistungen zunehmen könnte, fürchtet auch Gerd Höhner. Seine psychotherapeutischen Kolleginnen und Kollegen im Land arbeiten bereits heute oftmals am Limit und könnten den Therapiebedarf seitens der Patientinnen und Patienten teils nur unzureichend decken.
Der Chef der Psychotherapeutenkammer verweist ferner darauf , dass „die geltenden Vorgaben zur Durchführung der Psychotherapie, die sogenannte Psychotherapie-Richtlinie, im Falle einer Cannabislegalisierung gar nicht umsetzbar sind. Mit Blick auf die Richtlinien kann und darf eine ambulante Psychotherapie heute nur erfolgen, wenn nach maximal zehn Behandlungsstunden eine vollständige Suchtmittelfreiheit beim Patienten bzw. der Patientin erreicht werden kann. Dieses Kriterium würde aber durch einen frei zugänglichen, legalen Konsum ad absurdum geführt“, sagt Höhner.
Zusätzliches Suchtmittel zu Tabak und Alkohol
Für den Präsidenten der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke, würde eine Legalisierung von Cannabis die bereits seit Jahren in der Gesellschaft durchgeführten Anstrengungen für eine allgemeine Konsumreduzierung von Suchtmitteln erheblich konterkarieren.
„Statt die Verfügbarkeit und Erreichbarkeit neuer Suchtmittel zu ermöglichen, sollten wir eher dafür sorgen, dass Konsumierende, deren Suchtmittelkonsum zu Problemen führt, möglichst früh effektive Hilfen zur Reduzierung der mit dem Konsum verbundenen Risiken und Schäden erhalten. Wir brauchen zeitnah eine Ausweitung gezielter und evaluierter Präventionsstrategien ausgehend von den Schulen bis hinein in die Arbeitswelt, Freizeit und in weitere Lebenswelten mit dem Ziel, dass insgesamt weniger Menschen Suchtmittel konsumieren.“
Äußerungen der NRW-Landesregierung begrüßt
Gemeinsam setzen die beiden Kammervertreter und der KVNO-Vorstand daher auf die jüngsten, ebenfalls legalisierungskritischen Äußerungen einiger Bundesländer, darunter Bayern und NRW. „Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann hat zuletzt ja mehrfach seine ablehnende Haltung gegenüber einem legalen unkontrollierten Cannabiskonsum kundgetan, zuletzt vorige Woche im Rahmen der Eröffnung des Deutschen Ärztetages in Essen.
„Er kann sich sicher sein, dass ihn die hiesige Ärzte- und Psychotherapeutenschaft nach Kräften dabei unterstützt, eine umfassende Legalisierung zu verhindern“, betonte Dr. med. Carsten König, stellvertretender Vorsitzender der KVNO. „Andernfalls drohen wir einer Entwicklung Tür und Tor zu öffnen, deren negative Folgen für die gesamte Gesellschaft vermutlich immens wären“.