Zudem bezweifelt Dr. Gehle das von Gassen postulierte Einsparpotenzial von bis zu zehn Milliarden Euro. Der westfälisch-lippische Kammerpräsident fordert hingegen, das Gegeneinander von stationärem und ambulantem Sektor aufzugeben. „Mit Pauschalkritik kommen wir bei der Frage nach der Zukunft des Gesundheitswesens nicht weiter. Vielmehr müssen wir Patientenversorgung gemeinsam gestalten.“
Grundsätzlich sei zwar zu begrüßen, dass Leistungen inzwischen auch ambulant erbracht werden können. „Leistenbrüche werden heute schon ambulant operiert. Solch ein niedrigschwelliges Angebot muss jedoch die Situation der Patienten und operierenden Ärzte berücksichtigen“. Ein ambulanter Eingriff müsse als Vorteil, nicht als Zumutung für die Patienten wahrgenommen werden.
Es stellen sich dabei wichtige Fragen: „Wie sind Nachversorgung und Überwachung etwa bei einem 90-jährigen multimorbiden Patienten oder bei komplizierten und langwierigen Verläufen gesichert? Ist das überhaupt mit Blick auf den Fachkräftemangel in der häuslichen Pflege gesichert?“
Zweifel bleiben beim Kammerpräsidenten auch bezüglich der von Gassen genannten Einsparmöglichkeiten durch mehr ambulante Operationen. „Der in diesem Jahr neuformulierte AOP-Vertrag sollte einheitliche Rahmenbedingungen zur Durchführung ambulanter Operationen in Praxen und Kliniken schaffen, tut es aber leider nicht.“ Die angestrebten zehn Milliarden Euro Einsparungen wären wohl nur mit Qualitätseinschränkungen zu erreichen.
„Eine qualitativ gleichwertige Versorgung wird auch gleichwertige Kosten sowohl im ambulanten wie im stationären Bereich verursachen. Die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen sollen gleiches Geld für gleiche Leistungen bekommen.“