Lineare Erhöhungen und steuerfreie Einmalzahlungen
Rückwirkend zum 1. April 2023 werden die Entgelte in beiden Tarifbereichen zunächst um 4,8 Prozent angehoben. Im Tarifbereich Helios erhöhen sich zudem sämtliche Stundenentgelte um diesen Satz. Mit dem Gehaltslauf für November 2023 erhalten Ärztinnen und Ärzte außerdem eine Einmalzahlung, die mit 1.500 € zudem über jener im TV-Ärzte/ VKA liegt.
Mit der Gehaltszahlung Januar 2024 erhalten Ärztinnen und Ärzte im Bereich Helios eine weitere Einmalzahlung in gleicher Höhe, zum 1. Februar 2024 werden auch die Tabellenentgelte (nebst Stundenentgelten) um weitere 4 Prozent angehoben. Zwar fällt im Bereich Helios/ Rhön die zweite Einmalzahlung mit 750 € geringer aus, allerdings werden zum einen die Entgelte hier um weitere 4,4 Prozent angehoben. Zum anderen wird die sogenannte Strukturzulage um 50 € abgeschmolzen und dem Tabellenentgelt zugerechnet, wodurch die Basis für die Berechnung der unständigen Entgeltbestandteile weiter erhöht wird. Beide Schritte dienen der Verringerung des Deltas zwischen den Entgelttabellen der beiden Tarifbereiche.
Die Modalitäten der Einmalzahlung entsprechen dabei jenen im Bereich des TV-Ärzte/ VKA. Dabei richtet sich der Anspruch auf die Einmalzahlungen nach der Beschäftigung jeweils im Zeitraum zwischen 1. Oktober 2022 und 31. März 2023 sowie zwischen 1. April 2023 und 30. September 2023. Bestand das Arbeitsverhältnis nur in einem Teil des jeweiligen Sechsmonatszeitraumes, verringert sich die Einmalzahlung für jeden Kalendermonat, in dem nicht für mindestens einen Tag Anspruch auf Entgelt (oder Entgeltersatzleistung) bestand, um ein Sechstel. Wir haben uns bewusst gegen eine von Helios mit der Gewerkschaft verdi vereinbarte Stichtagsregelung entschieden, um so viele Ärztinnen und Ärzte wie möglich in den Kreis der Anspruchsberechtigten aufzunehmen. Wie auch im Bereich des TV-Ärzte/ VKA erhalten Teilzeitbeschäftigte diese Zahlung anteilig entsprechend ihrem Beschäftigungsumfang.
Materielle Änderungen im TV-Ärzte (Entgelt) Helios
Kurzfristige Inanspruchnahme
Bereits mit Wirkung zum 1. Oktober 2023 wird der bislang bestehende Zuschlag für kurzfristige Inanspruchnahme (weniger als 72 Stunden) für sämtliche Dienstformen von 10 Prozent auf 17,5 Prozent angehoben. Wie bisher gilt dieser Zuschlag sowohl für Bereitschaftsdienste (hier findet eine Höherbewertung um 17,5 Prozentpunkte statt), als auch Stunden der Vollarbeit, Schicht- und Wechselschichtarbeit und Rufbereitschaft.
Dienstplanung
Ab Januar 2024 müssen sämtliche Dienste (einschließlich Rufbereitschaften, Vollarbeit, Bereitschaftsdienst sowie Schicht- und Wechselschichtarbeit) spätestens vier Wochen vor Beginn des Planungszeitraumes in einem Dienstplan geregelt werden. Sämtliche Dienste, die diese Voraussetzung nicht erfüllen, werden mit 20 Prozent pro Stunde bezuschlagt (beziehungsweise im Falle von Bereitschaftsdiensten um 20 Prozentpunkte höher bewertet).
Freistellung zur Fortbildung
Bereits mit dem Kalenderjahr 2023 erhalten alle Ärztinnen und Ärzte erstmals einen Anspruch auf bezahlte Freistellung zur Fortbildung im Umfang von fünf Tagen pro Kalenderjahr. Ein solcher Anspruch war bislang im TV-Ärzte Helios nicht vorgesehen.
Materielle Änderungen im TV-Ärzte Helios/ Rhön
Kurzfristige Inanspruchnahme
Die Regelung zur kurzfristigen Inanspruchnahme, die bereits in der letzten Tarifrunde im Jahr 2021 eingeführt wurde, wird wie im Tarifbereich Helios weiterentwickelt. Die Zuschläge werden auch hier beginnend mit dem 1. Oktober 2023 für sämtliche Dienstarten auf 17,5 Prozent angehoben.
Dienstplanung
Auch im Tarifbereich Helios/ Rhön wird mit dem 1. Januar 2024 die Pflicht zur rechtzeitigen (vier Wochen) Dienstplanung eingeführt. Dienste, die nicht rechtzeitig geplant sind, werden ebenfalls mit 20 Prozent Zuschlag versehen. Auch hier betrifft die Vorgabe nicht nur Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaften – wie etwa im Bereich der kommunalen Kliniken – sondern ebenfalls reguläre Vollarbeit beziehungsweise Schicht- und Wechselschichtarbeit.
Freie Wochenenden
Ebenfalls ab dem 1. Januar 2024 führen wir die bereits im TV-Ärzte Helios niedergelegte Pflicht zur Gewährung von freien Wochenenden ein. Ärztinnen und Ärzte haben danach einen Anspruch auf mindestens 12 von jeglicher Arbeit (Vollarbeit, Schicht- und Wechselschichtarbeit, Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft) freizuhaltende Wochenenden im Kalenderhalbjahr. Dabei gilt als Wochenende die Zeit zwischen Freitag 22:00 Uhr und Montag 6:00 Uhr. Lediglich im Falle einer Gefährdung der Patientensicherheit kann ausnahmsweise Arbeit an weiteren Wochenenden angeordnet werden. Dabei sind nicht gewährte freie Wochenenden spätestens im nachfolgenden Kalenderhalbjahr zusätzlich zu gewähren. Auch im Ausnahmefall muss ein Wochenende im Kalendermonat frei bleiben.
Höherbewertung von Bereitschaftsdiensten und Rufbereitschaften
Ab Januar 2024 wird die im Bereich Helios/ Rhön bereits bestehende Regelung zur Begrenzung von Ruf- und Bereitschaftsdiensten ergänzt. Sofern Ärztinnen und Ärzte – gleich aus welchen Gründen – im Kalenderhalbjahr mehr als 21 Bereitschaftsdienste leisten, erhöht sich die Bewertung ab dem 22. Dienst um 10 Prozentpunkte und ab dem 27. Dienst um weitere 10 Prozentpunkte.
Werden im Kalendermonat mehr als 12 Rufbereitschaften geleistet, erhöht sich für jede über dieser Grenze liegende Rufbereitschaft das Stundenentgelt um 10 Prozent. Die bislang bereits bestehenden Regelungen zur Begrenzung von Ruf- und Bereitschaftsdiensten bleiben hierdurch unberührt.
Schicht- und Wechselschichtzulagen
Schließlich wird – ebenfalls mit Wirkung zum 1. Januar 2024 – erstmals in diesem Tarifbereich ein Anspruch auf Zulagen für Schicht- und Wechselschicht eingeführt. Damit entspricht die tarifliche Lage ab dem nächsten Kalenderjahr zumindest den bei Helios und im Bereich des TV-Ärzte/ VKA vereinbarten Regelungen. Für ständige Wechselschicht wird danach eine Pauschale von 105 € im Monat (Schichtarbeit 40 €) und für unständige Wechselschicht 0,63 € pro Stunde (unständige Schichtarbeit 0,24 € pro Stunde) gezahlt. Damit wird der seit Jahren bestehende Umstand, dass der Tarifvertrag zwar die Arbeit in Schichten erlaubt, jedoch keine Kompensation dafür vorsieht, angegangen.
Weitere Regelungen
Auch wegen der Erfahrungen aus dieser Tarifrunde haben wir mit Helios einen sogenannten Maßregelungsverzicht vereinbart, der alle Ärztinnen und Ärzte, die sich im Rahmen der Warnstreiks im Frühjahr engagiert haben, vor Sanktionen schützt. Darüber hinaus haben wir auch die Vereinbarung zum Umgang mit den Folgen aus dem sogenannten Tarifeinheitsgesetz verlängert, womit sichergestellt ist, dass die arztspezifischen Tarifverträge weiterhin auf ärztliche Arbeitsverhältnisse anzuwenden sind und eine irgendwie geartete Verdrängung ausgeschlossen ist.
Die Gesamteinigung hat eine Laufzeit bis zum 30. September 2024. Sie erlaubt damit zum einen noch für das nächste Kalenderjahr weitere lineare Entwicklungen und kann dabei mutmaßlich auch auf etwaige Ergebnisse der ab Juli stattfindenden Tarifrunde mit den kommunalen Kliniken zum TV-Ärzte/ VKA aufsetzen.
Schließen sich die Tarifgremien beider Seiten dieser Einigung an, endet damit die seit einem Jahr andauernde Tarifauseinandersetzung zwischen Marburger Bund und dem Helios-Konzern. Kein Ende findet damit allerdings zum einen die gerichtliche Auseinandersetzung über den Umgang des Konzerns mit einer ärztlichen Kollegin, die nicht nur seit vielen Jahren aktiv in unserer Verhandlungskommission mitwirkt, sondern auch wichtige Multiplikatorin ärztlicher und gewerkschaftlicher Interessen auf Betriebsebene ist. Der Marburger Bund wird die Kollegin weiter nach Kräften im Kündigungsschutzverfahren unterstützen.
Zum anderen bedeuten die Erfahrungen aus dieser Tarifrunde für den Marburger Bund aber auch eine grundsätzliche Zäsur: Stand bislang ausschließlich die tarifliche Interessenvertretung unserer Mitglieder im Mittelpunkt von Tarifverhandlungen, werden wir uns zukünftig auch stärker auf den Umgang mit und die Abwehr von Repressalien gegenüber engagierten Mitgliedern und dem Verband selbst vorbereiten. Der Umstand, dass Helios versucht hat, uns vor dem Landgericht Hamburg auf Unterlassung bestimmter Äußerungen in unseren Publikationen in Anspruch zu nehmen (und nachdem das Verfahren vollumfänglich zu unseren Gunsten ausgegangen ist, dieses nunmehr vor dem Oberlandesgericht weiter betreibt), ist ein Novum in der sozialpartnerschaftlichen Auseinandersetzung und wird für uns sicher Impulsgeber sein, bisherige Umgangsweisen zu hinterfragen.
In der Sache ist die nun gefundene Einigung hingegen nicht nur vernünftig, sondern hält auch dem Vergleich mit den anderen im Jahr 2023 erzielten Tarifabschlüssen des MB stand. So haben wir nicht nur lineare Erhöhungen vereinbart, die jenen im Bereich des TV-Ärzte/ VKA entsprechen (beziehungsweise darüber hinausgehen); wir konnten zudem in beiden Tarifbereichen eine Reihe von materiellen Regelungen vereinbaren, die unmittelbar finanzielle Relevanz entfalten. Dass die Vereinheitlichung beider Tarifbereiche nicht vereinbart werden konnte, ist neben der besonderen Verhandlungssituation, insbesondere der Erwartung des Konzerns geschuldet, dass Ärztinnen und Ärzte durch Verzicht auf lineare Erhöhungen, die Zusammenführung finanzieren sollten. Diese Haltung ist unserer Meinung nach kurzsichtig, ihre Auswirkungen sind aber überschaubar. Durch die nun gefundenen Regelungen werden sowohl die tariflichen Arbeitsbedingungen wie auch das Entgelt in den ehemaligen Rhön-Kliniken angepasst.
Diese Einigung wäre sicher nicht gelungen, wenn nicht die Ärzteschaft bereits im Frühjahr anlässlich der Warnstreikmaßnahmen entsprechendes Selbstbewusstsein gezeigt hätte und dieses trotz der Unterbrechung der Verhandlungen auch weiter in das Verfahren eingebracht hat. Letztlich bleibt aber auch die Erkenntnis, dass die gewerkschaftliche Interessendurchsetzung umso besser gelingt, je mehr Mitglieder bereit sind, sich im Rahmen von Verhandlungen und insbesondere im Falle einer Eskalation zu engagieren. Gerade in diesem Sinne gilt der besondere Dank den Kolleginnen und Kollegen der Verhandlungskommission und allen voran jener Ärztin, die nicht nur in schwer erträglicher Weise von ihrem Arbeitgeber behandelt wurde, sondern zwischenzeitlich sogar aus dem Kreis der Ärzteschaft angegangen wurde.