Warum haben Sie sich für eine Anstellung im ambulanten Bereich entschieden?
Kai Hoheisel: Weit über 20 Jahre war ich klinisch in der Unfallchirurgie/Orthopädie tätig. Das berufliche Leben im Krankenhaus geht nicht spurlos an einem vorbei. Für mich stellte sich die Frage, ob ich diese Art der Tätigkeit bis zur Rente fortsetzen wollte. Die Antwort auf diese Frage war immer häufiger „nein“. In dieser Phase kontaktierte mich ein ehemaliger Kollege und fragte, ob ich mir vorstellen könnte, als angestellter Arzt in seiner Praxis, die er mit einem Partner zusammen betreibt, zu arbeiten. Aus meiner Sicht war dies ein glücklicher Zufall. Ich sagte zu.
Die Arbeit in der Praxis unterscheidet sich erheblich von der im Krankenhaus. Ein ganz wesentlicher Unterschied ist, dass man die Patienten in der Praxis in der Regel wiedersieht und sie über einen längeren Zeitraum behandelnd und beratend begleitet. In der Klinik sieht man die Patienten häufig nur ein einziges Mal und bekommt auch selten eine Rückmeldung über den weiteren Krankheitsverlauf nach der Entlassung aus dem stationären Bereich. Ein wichtiger Punkt ist auch die Tatsache, dass ich mich als Angestellter nicht um den administrativen Teil der Praxisarbeit kümmern muss.
Die Entscheidung für diesen Schritt habe ich bis jetzt nicht bereut.
Auf was sollten Ärztinnen und Ärzte im Arbeitsvertrag achten, wenn sie in die ambulante Anstellung wechseln?
Andreas Wagner: Während in den meisten Krankenhäusern Tarifverträge des Marburger Bundes die wesentlichen Arbeitsbedingungen − z.B. Gehalt, Arbeitszeiten und Urlaub − regeln, muss im ambulanten Bereich alles individuell verhandelt werden. Wer sich dazu nicht gut beraten lässt, tappt gegebenenfalls in die berühmte Falle und hat ungünstige Regelungen vereinbart. Umso wichtiger ist es, sich von den erfahrenen Anwältinnen und Anwälten im Marburger Bund beraten zu lassen. Wir wissen, worauf es ankommt im ärztlichen Arbeitsrecht und haben für den ambulanten Bereich auch Musteranstellungsverträge entwickelt. So konnten wir schon viele unliebsame Überraschungen vermeiden und von beiden Seiten akzeptierte und gute Arbeitsbedingungen erreichen. Leider glauben noch zu viele Ärztinnen und Ärzte, der MB sei nicht mehr für sie „zuständig“, wenn sie den Arbeitsplatz Krankenhaus verlassen.
Welche Schwierigkeiten sehen Sie im ambulanten Bereich für die Arbeitnehmer?
Kai Hoheisel: Im Unterschied zum Krankenhaus gibt es für den ambulanten Bereich keinen Tarifvertrag, der Anwendung findet. Man kann hier frei verhandeln und muss letztlich selbst mit dem Arbeitgeber einig werden. Das betrifft natürlich sämtliche Aspekte eines Arbeitsverhältnisses (Arbeitszeit, Gehalt, Urlaub, Altersversorgung (EHV), Weiterbildung, etc.). Ich kenne keine Kolleginnen oder Kollegen, die über signifikante Erfahrungen für derartige Verhandlungen verfügen. Der Arbeitgeberseite geht es häufig ähnlich, insbesondere dann, wenn sie zum ersten Mal Ärztinnen und Ärzte anstellt.
Wären denn Tarifverträge für ambulant angestellte Ärztinnen und Ärzte sinnvoll?
Andreas Wagner: Absolut, sowohl für die Ärztinnen und Ärzte, aber auch für die ambulanten Arbeitgeber, egal ob bei Praxen oder MVZ. Sie bieten klare und transparente Arbeitsbedingungen und verschaffen ein vergleichbares Mindestniveau. Außerdem leisten sie einen wichtigen Beitrag, ein gender pay gap zu vermeiden. Sie sorgen aber auch dafür, dass sich Arbeitsbedingungen kontinuierlich weiterentwickeln, was letztlich entscheidend auch die Basis für deren dauerhafte Akzeptanz und damit wichtig für den Betriebsfrieden ist.
Welche Themen sprechen ambulant angestellte Ärztinnen und Ärzte außerdem in der Rechtsberatung an?
Andreas Wagner: Die Klassiker sind natürlich Arbeitszeiten und ihre Verteilung, aber auch das Gehalt und seine Entwicklung. Themen wie Weiterbildung, Fortbildung, Urlaub und Altersversorgung sind genauso im Fokus wie Wettbewerbsverbote, Ausschlussfristen und Vertragsstrafen.
Sie sind in der Vertreterversammlung der KV Hessen engagiert. Welche Ziele verfolgen Sie da?
Kai Hoheisel: Im Jahr 2022 trat der Marburger Bund in Hessen erstmals als eigenständige Liste zur KV-Wahl an. Wir freuen uns natürlich sehr, dass wir unser Wählerinnen- und Wählerpotential so gut mobilisieren konnten, dass wir zwei Sitze in der Vertreterversammlung gewonnen haben. Ich sehe es eigentlich als eine Pflicht an, sich in demokratische Strukturen einzubringen und auf diese Weise mitzugestalten.
Durch die zunehmende Anzahl ambulant angestellter Ärztinnen und Ärzten und durch die zunehmende Ambulantisierung ärztlicher Maßnahmen ist es nur folgerichtig und zeitgemäß, dass der MB auch in der Vertreterversammlung und in den Ausschüssen der KV präsent ist. Natürlich sind wir Angestellt-Tätigen keine Praxisinhaber, nehmen aber auch einen vertragsärztlichen Versorgungsauftrag wahr. Entscheidungen, die in der KV bzw. der Vertreterversammlung getroffen werden, haben so ja durchaus nicht nur Auswirkungen auf die Inhabenden.
Ein weiteres Ziel ist sicherlich, so etwas wie einheitliche Vertragsstrukturen für angestellte Ärztinnen und Ärzte zu etablieren. Eine Schwierigkeit besteht natürlich darin, dass Angestellt-Tätige nicht bei der KV, sondern in einer Praxis oder einem MVZ o.ä. angestellt sind. Es gibt also eine Menge Arbeitgeber, die aber keiner Vertretung wie beispielsweise der TdL oder der VKA angehören.
Warum sind Sie als ambulant angestellter Arzt Mitglied beim MB? Würden Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen eine Mitgliedschaft empfehlen?
Kai Hoheisel: Der MB ist die Interessenvertretung der angestellten und verbeamteten Ärztinnen und Ärzte. Ich bin weiterhin angestellt tätig und der MB steht weiterhin beratend und helfend zur Seite. Es gibt also viele Gründe, weiterhin Mitglied im MB zu sein.
Warum sollten ambulant angestellte Ärztinnen und Ärzte Mitglied beim MB werden?
Andreas Wagner: Das ist zum einen im Hinblick auf das eigene Interesse fast schon ein Muss, denn nur mit einem fachkundigen Rechtsberater erhält man einen fairen und angemessenen Arbeitsvertrag. Aber auch bei Konflikten im Arbeitsverhältnis ist der MB für die Kolleginnen und Kollegen da. Zum anderen ist der MB auch das berufspolitische Sprachrohr im ambulanten Bereich, sei es gegenüber der Politik, aber auch in der Standesvertretung, also in den Kassenärztlichen Vereinigungen und Kammern. Und da ist es ganz einfach: Je mehr Mitglieder der MB im ambulanten Bereich vertritt, umso besser kann er deren Interessen vertreten. Deshalb gilt: Mitglied bleiben und die Kolleginnen und Kollegen, die es noch nicht sind, von den Vorteilen überzeugen!
Broschüren:
- „Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung“
- „Haftpflicht und Haftpflichtversicherung“ (ambulanter Bereich und ermächtigte KH-Ärzte)
- „Arbeitsplatz MVZ" - Ein Leitfaden für angestellte Ärztinnen und Ärzte in Medizinischen Versorgungszentren“ inklusive Checkliste für Vertragsverhandlungen, FAQ u.v.m.
Musterverträge:
- Anstellung am MVZ in Vollzeit
- Anstellung am MVZ in Teilzeit (bei gleichzeitiger Tätigkeit am Krankenhaus) + Änderungsvertrag mit dem Krankenhaus für eine Teilzeitbeschäftigung im MVZ
- Standard-Anstellungsvertrag für sich im ambulanten Bereich weiterbildende Ärzte
Alles exklusiv für unsere Mitglieder bestellbar per Mail an mail@mbhessen.de