„Es ist nun an uns – und an den bei der Kammerwahl neu in dieses hohe Haus gewählten Kolleginnen und Kollegen, ein neues Kapitel aufzuschlagen und den Generationenwechsel in unserer Kammer zu bewerkstelligen. Den Kompass dafür haben wir“, versicherte Dreyer.
„Lieber Rudolf, unter Deiner Führung mussten wir uns permanent wehren gegen den übermäßig anwachsenden Einfluss ökonomischen Denkens auf den ärztlichen Alltag. Wir haben uns gemeinsam eingesetzt für eine auskömmliche Finanzierung der Versorgung unserer Patienten – sowohl in den Praxen als auch in den Kliniken. Wir haben die vielfältig wuchernde Bürokratie in unserem Gesundheitswesen angeprangert. Du hast es stets zutreffend formuliert: Die Behandlungsqualität hängt nicht von Dokumentationen, Messungen und Kontrollen ab. Sie hängt ab von der Zahl und der Qualifikation der Ärztinnen und Ärzte.
Du bist stets ein Vorkämpfer gewesen für die ärztliche Freiheit. Unsere Freiberuflichkeit ist Dir eine Herzensangelegenheit. Es obliegt uns allen, sie tagtäglich zu verteidigen. Wir Ärztinnen und Ärzte wollen unsere fachlich-medizinischen Entscheidungen in Diagnostik und Therapie ohne wirtschaftlichen Druck und im partnerschaftlichen Dialog mit dem Patienten treffen können. Davon hängt das Vertrauen in unseren Arztberuf ab. Für dieses Vertrauen hast Du sehr, sehr viel getan, und das werden wir uns zum Vorbild unseres Handelns nehmen.
Den neuen Generationen von Ärztinnen und Ärzten stellen sich naturgemäß neue Herausforderungen. Um eine starke Selbstverwaltung und die Anwältin der Freiberuflichkeit zu bleiben, brauchen wir mehr jüngere Kolleginnen und Kollegen, die sich in unserer Ärztekammer aktiv engagieren. Der gesellschaftliche Wandel erfordert, dass wir eine neue Balance zwischen Arztberuf, Familie und Privatleben ermöglichen, ohne den Ärztemangel dadurch zu verschärfen.
Die Digitalisierung muss gut gemacht sein. Sie muss uns entlasten, nicht zusätzlich belasten. Schon gar nicht darf sie das Patientengeheimnis gefährden. Und man muss kein Prophet sein: Die Künstliche Intelligenz wird unseren Beruf grundlegend verändern. Dabei müssen wir entscheiden, ob sie uns entlastet oder wie sie unsere Medizin weiterentwickelt. Wir müssen aufpassen, dass die KI nicht den fatalen Siegeszug der Ökonomie nochmals übertrifft. Bewahren wir auch hier gemeinsam unsere Freiberuflichkeit.
Wie halten wir bei fortschreitender Kommerzialisierung aller Lebensbereiche das Bewusstsein für die tradierten ärztlichen Grundwerte lebendig?
Was ist eine gute Ärztin? Was ist ein guter Arzt? Was benötigen wir in einem immer schwierigeren gesundheitspolitischen Umfeld, um unseren Patienten die bestmögliche Behandlung anbieten zu können?
Wie stellen wir bei dem sich weiter verschärfenden Fachkräftemangel eine gute Weiterbildung der Fachärztinnen und Fachärzte der Zukunft sicher - bei rasantem medizinisch-wissenschaftlichem Fortschritt und gleichzeitiger Zentralisierung und Spezialisierung der Versorgungslandschaft?
Schon diese wenigen Schlaglichter verdeutlichen, wie anspruchsvoll die Herausforderungen für uns alle sind. Wir alle müssen uns diesen Aufgaben gemeinsam stellen. Deshalb sollten wir uns nicht in Grabenkämpfen verzetteln und wir dürfen uns von der Politik nicht spalten lassen. Wir müssen unsere ärztliche Kompetenz und Kräfte bündeln, wenn wir politisch überzeugen und wirksam bleiben wollen.
Selbstverständlich gehören unterschiedliche Auffassungen in einzelnen Fragen zur Demokratie dazu, und sie können im innerärztlichen Wettstreit um Wählerstimmen deutlich werden. Gehen wir dabei bitte stets fair miteinander um, dafür werbe ich. Letztendlich sollten wir stets innerärztlich den Ausgleich suchen, um nach außen geschlossen auftreten.“