Der Marburger Bund setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, dass die Anzahl der Medizinstudienplätze erhöht wird. Wir sind der Auffassung, dass in Deutschland dringend mehr Ärztinnen und Ärzte ausgebildet werden müssen, damit die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung langfristig sichergestellt wird.
Da unsere berechtigte Forderung – trotz intensiver Bemühungen – bisher nicht im notwendigen Umfang umgesetzt worden ist, versuchen viele abgewiesene Studienanwärter ihren Berufswunsch durch ein Studium im EU-Ausland zu verwirklichen. Neben der individuellen Beratung können folgende Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ) die spätere Rückkehr nach Deutschland erleichter :
Wird beabsichtigt, nur einige Semester im EU-Ausland zu studieren und das Studium anschließend in Deutschland fortzusetzen, muss in Deutschland ein Studienplatz als Quereinsteiger gefunden werden. Die Bewerbung um einen Studienplatz in ein höheres Fachsemester ist direkt an die jeweilige Universität zu richten. Da die Anzahl der Bewerber auch bei einem Quereinstieg deutlich die Anzahl der verfügbaren Studienplätze übersteigt, ist es schwierig, einen Platz zu erhalten.
Zudem entscheidet das Landesprüfungsamt, welche im Ausland erbrachten Studienleistungen angerechnet werden. Eine Garantie, dass Scheine, Prüfungen, Semester etc. anerkannt werden, gibt es auch bei einem Studium im EU-Ausland nicht.
Werden diese Hürden überwunden, kann die Ausbildung nach deutschem Recht fortgesetzt und abgeschlossen werden. Sofern der Absolvent über die Staatsbürgerschaft eines EU-Landes verfügt, ist das Studium in allen anderen EU-Ländern auf Antrag automatisch anzuerkennen.
Ja. Eine in einem anderen EU-Land absolvierte ärztliche Ausbildung wird in Deutschland auf Antrag automatisch anerkannt, sofern die Qualifikation in der Europäischen Berufsanerkennungsrichtlinie (2005/36/EG, Anhang V.1 Nr. 5.1.1) aufgeführt ist, die Mindestkriterien der Richtlinie eingehalten wurden und die Ausbildung nach dem angegebenen Stichtag begonnen wurde.
Achtung: Das automatische System der Anerkennung kommt nur dann zur Anwendung, wenn die ärztliche Ausbildung vollständig im Ausbildungsland abgeschlossen ist und alle im Anhang V Nr. 5.1.1 der Richtlinie 2005/36/EG gelisteten Nachweise vorliegen. Umfasst die Ausbildung im EU-Ausland z. B. eine praktische Phase und eine Prüfung, die im Anschluss an das Studium stattfinden, müssen diese ebenfalls absolviert werden (z. B. Irland, Polen).
Zudem muss die Universität in dem EU-Land, nach dessen Recht sie zugelassen/akkreditiert ist, eine Ausbildung anbieten, die dort zum Berufszugang führt. In Zweifelsfällen sollte vor Studienbeginn schriftlich Auskunft bei der zuständigen Approbationsbehörde eingeholt werden.
Es ist möglich, dass ein EU-Land seinen Eintrag im Anhang V.1 Nr. 5.1.1 der Berufsanerkennungsrichtlinie ändert und z. B. ein zusätzliches Examen oder eine praktische Phase einführt, die es zuvor nicht gab. Ob der Ausbildungsstaat Übergangsreglungen für Studierende schafft, die ihr Studium zu den alten Bedingungen begonnen haben und ob es diese Übergangsregelungen in der EU-Richtlinie verzeichnen lässt, liegt im Ermessen des Ausbildungsstaats. Die deutschen Behörden orientieren sich immer an dem aktuell gültigen Eintrag in der EU-Richtlinie und verlangen zu Recht die Vorlage der dort aufgeführten Dokumente.
Nein. In der Berufsanerkennungsrichtlinie sind die Mindeststandards der ärztlichen Ausbildung festgelegt, die von allen EU-Ländern einzuhalten sind. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Ausbildungen in den einzelnen EU-Ländern (nahezu) identisch sind.
Jedem EU-Mitgliedstaat steht es ferner frei, auf seinem Hoheitsgebiet höhere Standards (z. B. längere Ausbildungszeiten, verpflichtende praktische Phasen nach Abschluss des Studiums) verbindlich festzulegen. Ordnungsgemäß abgeschlossene Ausbildungen aus anderen EU-Ländern sind bei Vorliegen einer EU-Staatsbürgerschaft gleichwohl anzuerkennen.
Ziel der Berufsanerkennungsrichtlinie ist es, das Anerkennungsverfahren zu vereinfachen und die Personen- und Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU zu befördern.
Die Richtlinie ist im Internet eingestellt:
https://ec.europa.eu/growth/single-market/services/free-movement-professionals/policy/legislation.
Wird eine im EU-Ausbildungsland obligatorische praktische Phase nach Abschluss des Studiums nicht absolviert, so gilt die ärztliche Ausbildung in Deutschland als nicht abgeschlossen. Die Approbation wird folglich nicht erteilt.
Sich mit einer nicht abgeschlossenen ärztlichen Grundausbildung in Deutschland beruflich zu integrieren, ist sehr schwierig. Es wird deshalb dringend empfohlen, die ärztliche Ausbildung vollständig im Ausbildungsland zu durchlaufen.
Folgende Optionen bestehen:
a) Der Studienabsolvent bemüht sich um einen Quereinstieg ins deutsche Medizinstudium. Wie bereits erwähnt (siehe FAQ Nr. 1), ist es jedoch schwierig, einen Studienplatz zu erhalten und es ist ungewiss, welche Studienleistungen anerkannt werden.
Wenn der Quereinstieg doch gelingt, liegt nach erfolgreich in Deutschland absolviertem Studium ein Abschluss gemäß Anhang V.1 Nr. 5.1.1 der Berufsanerkennungsrichtlinie vor, der automatisch von anderen EU-Ländern anzuerkennen ist, sofern auch die Staatsbürgerschaft eines EU-Landes nachgewiesen wird.
b) Der Studienabsolvent beantragt eine Berufserlaubnis nach § 10 Abs. 5 Bundesärzteordnung und sucht sich eine Stelle in Deutschland, die den Ausbildungserfordernissen des Ausbildungslandes (z. B. Polen) für die obligatorische praktische Phase entspricht und nach der Ableistung vom Ausbildungsland auch rückanerkannt wird.
Hierbei gilt zu beachten, dass kein Rechtsanspruch besteht, eine solche Berufserlaubnis zu erhalten. Die Entscheidung über die Erteilung der Berufserlaubnis liegt im Ermessen der zuständigen Approbationsbehörde. Noch problematischer ist es, eine Stelle zu finden, die so strukturiert ist, dass die Anforderungen des Ausbildungslandes (z. B. Polen) erfüllt werden. Häufig werden im EU-Ausland Rotationen durch verschiedene Fachgebiete verlangt, die in Deutschland in dieser Form nicht existieren. Es ist ferner nicht gesichert, dass die zuständige Behörde im Ausbildungsland (z. B. Polen) die in Deutschland abgeleistete Zeit als Äquivalent anerkennt.
Eine zwischen Arbeitgeberseite und Marburger Bund strittige Frage ist zudem oftmals die der Bezahlung. Der Marburger Bund vertritt die Auffassung, dass jede ärztliche Tätigkeit, also auch eine solche mit Berufserlaubnis, tarifgerecht zu entlohnen ist. Viele Arbeitgeber sehen dies jedoch anders.
Überwindet der Studienabsolvent all diese Hürden, verfügt er über eine im Ausbildungsland (z. B. Polen) abgeschlossene Ausbildung, die in Deutschland automatisch anerkannt wird. Liegt die Staatsbürgerschaft eines EU-Landes vor, besteht ein Recht auf automatische Anerkennung auch in allen anderen EU-Ländern.
c) Sind die in der Richtlinie 2005/36/EG aufgeführten Möglichkeiten der Anerkennung der Qualifikation (siehe Option a und b) nicht realisierbar, haben Absolventen eines in der EU absolvierten Medizinstudiums einen Rechtsanspruch auf eine subsidiäre Prüfung ihrer Qualifikation in Anwendung der Grundfreiheiten des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in Deutschland, sofern sie die Staatsbürgerschaft eines EU-Landes besitzen.
Die deutschen Behörden haben in diesem Fall die bereits im Rahmen des im EU-Ausland absolvierten Medizinstudiums erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse mit den eigenen Zugangsvoraussetzungen zum Beruf des Arztes zu vergleichen. Dabei können sie objektiven Unterschieden in der Ausbildung Rechnung tragen sowie den rechtlichen Rahmen im Ausbildungsland mit in ihre Bewertung einbeziehen, wobei das Prinzip der Verhältnismäßigkeit bei etwaigen Ausgleichsmaßnahmen (z. B. Praktika, Prüfungen) gewahrt werden muss.
Bei einer subsidiären Anerkennung einer nicht abgeschlossenen Ausbildung nach AEUV (siehe FAQ Nr. 6c) besteht nach Erteilung der deutschen Approbation nicht das Anrecht auf automatische Anerkennung der Ausbildung in anderen EU-Ländern gemäß Artikel 21 der Richtlinie 2005/36/EG. Wird eine spätere Tätigkeit in einem anderen EU-Land angestrebt, kann die dort zuständige Behörde eine individuelle Gleichwertigkeitsprüfung der Ausbildung veranlassen und ggf. Ausgleichsmaßnahmen festlegen.
Mit der Weiterbildung zum Facharzt kann in Deutschland erst begonnen werden, wenn die deutsche Approbation vorliegt. Eine Tätigkeit mit einer Berufserlaubnis (siehe FAQ Nr. 6b und c) darf nicht auf die Weiterbildung angerechnet werden, da dies den Bestimmungen der Berufsanerkennungsrichtlinie zuwiderläuft.
Verlässt ein Land die EU, bevor die ärztliche Ausbildung dort vollständig abgeschlossen worden ist, sind die Regelungen der Berufsanerkennungsrichtlinie hinfällig, es sei denn, anderweitige Regelungen wurden im Rahmen der Austrittsverhandlungen zwischen der EU und dem Austrittsstaat vereinbart oder gesetzlich festgelegt.
Für eine nach dem 31.12.2020 abgeschlossene ärztliche Ausbildung aus Großbritannien gelten die Regelungen für die Anerkennung von Berufsqualifikationen aus Drittstaaten. Dies trifft auch dann zu, wenn die Ausbildung in Großbritannien zu einer Zeit begonnen wurde, als Großbritannien noch Mitglied der EU war.
Wurde die Ausbildung in Großbritannien vor dem 1.1.2021 abgeschlossen, findet hingegen die Richtlinie 2005/36/EG Anwendung (siehe FAQ Ärzte mit ausländischer Qualifikation).
Das Auslandsreferat bietet kostenlose Beratung an (Telefon: 030-74684630, Mail: wichmann@marburger-bund.de).
Der Marburger Bund führt regelmäßig kostenlose Informationsveranstaltungen (digital und in Präsenz) für im Ausland ausgebildete Ärztinnen und Ärzte durch. Hier werden unter anderem Fragen zur Anerkennung der Berufsqualifikation, Bewerbung, zum Arbeitsvertrag und zur Weiterbildung in Deutschland behandelt.
* Aufgrund einer besseren Lesbarkeit wird im Text auf die weibliche Anredeform verzichtet. Frauen sind in den männlichen Berufsbezeichnungen selbstverständlich mit eingeschlossen.
Dieser Frage- und Antwortkatalog stellt nur eine rechtlich unverbindliche Empfehlung dar und ersetzt nicht die Beratung durch den für Sie zuständigen Marburger Bund Landesverband oder den Bundesverband, der Sie im konkreten Fall gerne unterstützt.