Festliche Stimmung im Großen Saal im „Georgie“. Während sich die Sitzreihen sukzessive füllen, läuft eine Foto-Diashow auf zwei Leinwänden der Kongress- und Eventlocation der Asklepios Klinik St. Georg im Herzen des Hamburger Stadtteils St. Georg. Im angrenzenden Kleinen Saal im Erdgeschoss des ehemaligen Schwesternhauses winkt ein leckeres Buffett. Die Zahl der Geschenke auf dem Tisch hinter dem Rednerpult wächst zusehends.
Dr. Hans-Christoph Kühnau hat an diesem Nachmittag am 1. Oktober geladen, um seine 20-jährige Tätigkeit als Betriebsratsvorsitzender der AK St. Georg zu begehen. Und viele sind seinem Ruf gefolgt, sind aus dem gesamten Bundesgebiet angereist.
Die Fotos, die immer wieder über die Leinwände laufen, belegen eindrucksvoll, was in zwei Jahrzehnten so passiert ist. Zahlreiche Mitstreiterinnen und -streiter in der Betriebsratsarbeit sind ebenso zu sehen, wie Aufnahmen von Streikaktionen und Hauptversammlungen des Marburger Bundes auf Landes- und Bundesebene und Bilder von Tarifverhandlungen und Betriebsversammlungen.
Was 20 Jahre Tätigkeit an der Spitze des Betriebsrates am AK St. Georg, ein Maximalversorger mit 200-jähriger Geschichte, mit mehr als 1.900 Mitarbeitenden in nackten Zahlen bedeutet, verdeutlichte Kühnau höchstselbst: unter anderem allein rund 900 Betriebsratssitzungen, etwa 220 Monatsgespräche mit dem Direktorium, rund 140 Betriebsversammlungen. Daraus sind zahlreiche Betriebsvereinbarungen und Regelungen mit vielen Erfolgen im Sinne der Belegschaft hervorgegangen.
Seit seiner ersten Wahl wurde Kühnau fünf Mal wiedergewählt und als Betriebsratsvorsitzender bestätigt – zuletzt 2022 mit beeindruckenden 74 Prozent der abgegebenen Stimmen. „Sie müssen eine außergewöhnliche Führungspersönlichkeit sein“, stellt angesichts dieser Bilanz Prof. Carolin Tonus, Ärztliche Direktorin der AK St. Georg, in einem von fünf Grußworten fest. Sie lobt seine Vielseitigkeit, dass er „immer in Bewegung“ und sein Engagement stets „mit einem Auge auf St. Georg gerichtet“ sei. Tonus: „Sie haben sich immer eingebracht, haben der Privatisierung widersprochen“ – das Krankenhaus war bis zu seiner Privatisierung in alleiniger städtischer Trägerschaft, ehe 2004 zunächst eine Minorität der Gesellschaftsanteile an Asklepios veräußert wurden und die Stadt Hamburg ist seit 2007 nur noch mit einer Sperrminorität von 25,1 Prozent an der Krankenhausgesellschaft beteiligt. Da Kühnau im November dieses Jahres gar auf 32 Jahre Anstellung am Klinikum blickt, unterstreicht die Ärztliche Direktorin unter großem Beifall: „Es gibt einen besonderen Spirit in St. Georg – Sie haben ihn immer vorgelebt.“
Betriebsrat war Anker für die Beschäftigten
Dass die angesprochene Privatisierung eine schwierige Zeit für Betriebsräte war, schildert Thomas Haul, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats (GBR) der Asklepios Kliniken Hamburg GmbH – seit April 2022 ist Kühnau sein Stellvertreter. „Der Betriebsrat war oft Anker für die Beschäftigten“, sagt Haul und merkt mit Blick auf Prof. Tonus‘ Ausführungen an, dass sich die Arbeit des Betriebsrates unter Kühnaus Ägide verändert habe. „Wer hätte gedacht, dass eine solche Veranstaltung bei Asklepios möglich ist?“ Er sei ein „Mensch mit klarem Kompass“, der alle Beschäftigten im Blick habe und die Fähigkeit besitze, „Brücken zu bauen“.
Als Dank für die 20 Jahre gute Zusammenarbeit erhält Kühnau von seinem Stellvertreter im Betriebsrat AK St. Georg, Dr. Uwe Janzen, einen Georgstaler, der den Schutzpatron St. Georg ziert. Zuvor hatte Janzen mit einem Augenzwinkern und zur Erheiterung des Auditoriums beschrieben, wie die wöchentlichen Betriebsratssitzungen ablaufen: Sie starten mit der Ankündigung des Vorsitzenden, es „kurz, knapp und einfach“ zu machen. Dann folge, „ein 15- bis 30-minütiger, detaillierter Vortrag“, lobte er humorvoll Kühnaus stets exzellente Vorbereitung.
Kühnaus Betriebsratstätigkeit ist jedoch ohne sein gewerkschaftliches Engagement nicht denkbar. Seit seinem Studium in Hamburg ist er Mitglied im MB, nunmehr seit 37 Jahren. Als solches war er 2006 in vorderster Linie bei der Geburt des ersten Ärzte-Tarifvertrags in Hamburg dabei – viele weitere Tarifverhandlungen auf Landes- und Bundesebene sollten folgen – oft als Mitglied der Verhandlungskommissionen.
Von heute auf morgen sei man gezwungen gewesen, Tarifverhandlungen zu führen, erinnert Prof. Frank-Ulrich Montgomery. Ehrenvorsitzender des MB Hamburg, an den erwähnten Abschluss. „Hans-Christoph rechnete uns mit Zahlen, Zahlen, Zahlen den Kopf wuschig“, so Montgomery. „Er konnte irre hart verhandeln“, ohne allerdings das Ziel aus dem Auge zu verlieren. „Wir haben am Ende immer einen Kompromiss gefunden.“ Dabei sei Kühnau als echter Demokrat wahnsinnig hilfreich gewesen, sagt er mit Blick auf die Kühnaus Willen, den Diskussionsfaden nicht abreißen zu lassen. Er dankt ihm zudem für dessen „unendliche Loyalität“ und hebt ab auf ihre gemeinsame Zeit als Vorsitzender und Stellvertreter des MB Hamburg von 2008 bis 2016.
Prägende Figur des MB Hamburg
Montgomerys Nachfolger an der Spitze des Landesverbandes, Dr. Pedram Emami hebt hervor: „Du hast mir den Einstieg in den Vorstandsvorsitz ermöglicht.“ Er habe den Landesverband mitgeprägt – bis 2018 war Kühnau 2. Vorsitzender. In den zurückliegenden Jahren „hast du dich sehr stark eingebracht“ in der Kleinen Tarifkommission des MB auf Bundesebene. Beim Tarifvertrag mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, kurz VKA gehört Hans-Christoph zu den „prägenden Figuren“, weil auch hier immer „exzellent vorbereitet“. Also von Karriereende dürfe jetzt noch keine Rede sein, forderte er.
Wie Kühnau seine Rolle in der Betriebsratsarbeit versteht und lebt, wird während der Veranstaltung überdeutlich. Er selbst rät er mit Verweis auf die Bibel zur Selbstfürsorge. „Du sollst deinen Nächsten lieben wie Dich selbst – nicht mehr als Dich selbst.“ In der Tradition Luthers verhaften mahnt er zudem: „Wir müssen auch Konflikte suchen, wenn es nötig ist.“ Außerdem gelte es, im Sinne Goethes Netze zu weben. „Wo ein Tritt tausend Fäden regt, Die Schifflein herüber hinüber schießen, Die Fäden ungesehen fließen, Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt“, zitiert er den Dichter. Was er sagen will: Es geht darum „Leute, die nicht miteinander sprechen, zusammenzubringen“.
Menschen zusammenzubringen, das gelingt an diesem Nachmittag bestechend gut. Es ist nicht zuletzt Kühnaus Verdienst, denn er erwähnt viele Anwesende, spricht etliche persönlich an und dankt einigen gar mit Blumen für die jahrelange, gute Zusammenarbeit. „Du hast die geniale Fähigkeit, andere Leute an deinem Erfolg teilhaben zu lassen“, bringt es Montgomery auf den Punkt, bevor sich bei Speis und Trank der beabsichtigte Austausch fortsetzt.