Steffen Forner, Jurist und Geschäftsführer des MB Sachsen, unterstützt die örtlichen Tarifkommissionen als Verhandlungsführer. Im Interview gibt er einen Einblick in die Tarifarbeit des Landesverbandes, der in Sachsen Tarifpartner von 39 Kliniken ist.
Herr Forner, warum gibt es so viele Haustarifverträge in Sachsen?
Steffen Forner: Wir würden uns einen einheitlichen arztspezifischen Tarifvertrag des MB Sachsen für alle sächsischen Kliniken wünschen, der an bestimmten Stellen an einzelne Häuser angepasst werden könnte. Damit gäbe es für unsere Mitglieder bei unterschiedlichen Arbeitgebern vergleichbare Arbeitsbedingungen und sie könnten bei der Durchsetzung ihrer Interessen auf eine noch stärkere Gemeinschaft bauen. Die Arbeitgeber versprechen sich von einem eigenen Haustarifvertrag aber, dass sie weniger belastet werden als von einem Flächentarifvertrag, da sie die Konditionen individuell verhandeln. Daraus ergibt sich aber auch für Ärztinnen und Ärzte die Chance, ganz unmittelbar ihre Arbeitsbedingungen vor Ort mitzubestimmen. Das Ergebnis von Tarifverhandlungen hängt damit stark vom Engagement der Ärztinnen und Ärzte ab.
Wie kann ich mich als Ärztin oder Arzt bei der Tarifarbeit einbringen?
Forner: Tarifverhandlungen sind nur möglich, wenn eine Tarifkommission (TK) für die Interessen der Ärzteschaft eintritt. Die TK besteht aus Ärztinnen und Ärzten verschiedener Abteilungen eines Krankenhauses. Sie bereiten die Verhandlungen inhaltlich vor, tragen Forderungen zusammen und fungieren als Multiplikatoren in ihren Abteilungen. Ärztliche Kolleginnen und Kollegen können die örtliche Tarifkommission des MB Sachsen schon dadurch unterstützen, dass sie sich beteiligen, wenn die Tarifkommission ein Stimmungsbild zu Forderungen oder einer Tarifvertragseinigung abfragt. Auch der Organisationsgrad, also der Anteil der MB-Mitglieder, spielt eine Rolle: Je mehr wir sind, desto stärker ist unsere Verhandlungsposition. Sprechen Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen über Ihre Erfahrungen mit dem MB, gewinnen Sie Mitstreiter! Über den Stand der jeweiligen Tarifverhandlungen informieren wir unsere Mitglieder auch regelmäßig direkt. Wer seine Stelle wechselt, sollte uns daher seinen neuen Arbeitgeber mitteilen. Allein damit unterstützt jedes einzelne Mitglied schon unsere Tarifarbeit.
Gibt es in Sachsen große Unterschiede bei den ärztlichen Tarifverträgen?
Forner: Prinzipiell gibt es so viele Unterschiede wie Tarifverträge, und von denen haben wir viele in Sachsen. Die Tarifkommissionen orientieren sich bei ihren Forderungen häufig an den Ergebnissen der großen MB-Flächentarifverträge, vor allem am TV Ärzte VKA. Dessen Vergütungsentwicklung liegt regelmäßig oberhalb der Inflation. Es gibt aber auch immer lokale Besonderheiten in den einzelnen Kliniken, die in die Verhandlung eingebracht werden. Der Abschluss eines Tarifvertrages wird letztlich im Landesvorstand des MB Sachsen beschlossen. Hier wird genau geschaut, dass sich die Einigung mit den tarifrechtlichen Leitlinien des MB Sachsen vereinbaren lässt. Schwerpunkte liegen auf der Verbesserung der Arbeits- und Vergütungsbedingungen unserer Mitglieder sowie einer gesundheitsverträglichen Dienstplangestaltung durch die Begrenzung der Arbeitszeiten, der Belastung in den Bereitschaftsdiensten und der Festlegungeiner Mindestanzahl freier Wochenenden. Grundsätzlich gilt, dass an jeder Klinik mit MB Tarifvertrag bessere Arbeits- und Vergütungsbedingungen für Ärztinnen und Ärzte gelten als an Kliniken ohne Tarifvertrag des MB.
Sie verhandeln seit knapp 20 Jahren Tarifverträge für den MB Sachsen. Hat sich die Verhandlungskultur geändert?
Forner: Die meisten Arbeitgeber signalisieren in den Tarifverhandlungen, dass sie die von uns vertretenen Ärztinnen und Ärzte wertschätzen, auch wenn wir inhaltlich oft hart um eine gute Lösung ringen müssen. Eine Ausnahme bildet insoweit nur das DRK Klinikum Chemnitz Rabenstein. Dort hat der Landesvorstand des MB Sachsen beschlossen, die Tarifverhandlungen zu unterbrechen, weil der Arbeitgeber durch sein Verhalten das für den MB Sachsen notwendige Mindestmaß an Wertschätzung gegen über den MB-Mitgliedern nicht mehr erkennen lässt. Glücklicherweise ist dies ein Ausnahmefall in der sächsischen Kliniklandschaft.
Wie geht es weiter, wenn der Tarifvertrag unterschrieben ist?
Forner: Ein Tarifvertrag allein ist noch kein Garant dafür, dass sich die Arbeitsbedingungen dauerhaft verbessern. Entscheidend ist, wie der Tarifvertrag in der täglichen Praxis umgesetzt wird. An dieser Stelle ist es besonders wichtig, dass die Mitglieder ihre Rechte, die beide Seiten im Tarifvertrag vereinbart haben, von ihrem Arbeitgeber einfordern. Hier kommen auch die Betriebs- und Personalräte ins Spiel. Sie wachen darüber, dass der Tarifvertrag eingehalten wird und prüfen zum Beispiel, ob die Dienstpläne tarifvertragskonform sind. In vielen sächsischen Kliniken engagiert sich auch die örtliche Tarifkommission bei der Umsetzung des Tarifvertrages und zeigt Fehler direkt beim Arbeitgeber an. Mitglieder des MB können sich auch an unsere Verbandsjuristen wenden, wenn sie vermuten, dass in ihrem Fall der Tarifvertrag nicht eingehalten wird. Wir helfen dann schnell und
unkompliziert weiter.
Vielen Dank für Ihre Ausführungen!