
Ausgerechnet die größte gesundheitliche Herausforderung nach dem Zweiten Weltkrieg - die Corona-Pandemie - führte zu einer nie dagewesenen Spaltung und Polarisierung unserer bundesdeutschen Gesellschaft. Die Gräben sind so tief wie noch nie.
Klar ist, dass auch die vielfältigen Erfolge der autokratischen Regierungen in der Welt unsere seit Jahrzehnten gewohnte Demokratie akut gefährden. Fakt ist: Die Verschiedenheit der Menschen und die heterogenen Lebensentwürfe scheinen immer weniger Menschen aushalten zu können.
Unsere Gesellschaft befindet sich im stetigen Wandel. Daraus ergeben sich unaufhaltbare Veränderungen, die alle Menschen betreffen, mit ihren Chancen und auch unseren Risiken. Der demokratische Staat braucht aber engagierte und kompromissfähige Bürgerinnen und Bürger.
Viele versteifen sich lieber auf ihre individuelle Meinung, halten ihre eigene Erklärung der Welt für absolut gültig. Der so sichtbar gescheiterte Umgang mit den Unsicherheiten unserer Zeit wird überspielt. Es ist für manche Menschen offenbar leichter, einfache ‚Lösungen‘ zu postulieren, als sich differenziert mit Problemen und deren Lösungen auseinanderzusetzen.
Was brauchen wir stattdessen? Wir benötigen ein klares Bekenntnis zu gemeinsamen Werte. Nur diese können die Menschen in unserer Gesellschaft verbinden. Nur sie können die Gegensätze in der Gesellschaft relativieren und unsere Bevölkerung zusammenhalten. Wir brauchen Vorbilder!
Unsere Realität zeigt sich aber gerade im öffentlichen Diskurs gänzlich anders. Statt gemeinsamer Werte zu vertreten, werden unverhohlen Ausgrenzungs- und Deportationsszenarien postuliert. Es wird versucht, so unsere Gesellschaft immer tiefer zu spalten. Selbst fachliche Ergebnisse der Wissenschaft werden mit plumpen Meinungen weggewischt. Wer anders denkt, wird schlicht nicht mehr respektiert.
Wo stehen wir selber? Wir arbeiten in einer der wohl systemrelevantesten Branche, unserem Gesundheitswesen. Gerade hier beweisen wir, dass die Herkunft der Mitarbeiter keine Rolle spielt oder jemals spielen darf. Ob im Krankenhaus oder in der Praxis - wir arbeiten erfolgreich in Teams – mit dem gemeinsamen Ziel, erkrankte Menschen bestmöglich zu versorgen und zu heilen.
Wir sind ausgesprochen dankbar, dass sich so viele Kolleginnen und Kollegen aus unzähligen anderen Ländern entschieden haben, hierzulande bei uns im Gesundheitswesen in diesen Teams mitzuwirken. Ohne Sie alle könnten wir die gesundheitliche Versorgung unserer gesamten Bevölkerung nicht mehr aufrechterhalten. Das sollte allen Menschen ein wichtiges Vorbild sein. Wenn aber Spaltung die öffentliche Wahrnehmung dominiert, werden unsere Gemeinsamkeiten kaum noch wahrgenommen.
All jene, die die Suche nach differenzierten Lösungen aufgegeben habe, möchte ich sagen: Sie müssen wieder kompromissfähiger denken und handeln. Sonst wird unsere Gesellschaft scheitern. Wir müssen mehr denn je an unserem Ziel festhalten, Ausgrenzungen und Diskriminierungen nicht zuzulassen, denn die Würde jedes einzigen Menschen ist unantastbar.