• Hohe Belastung, wenig Personal, viel Gewalt

    MB-Monitor in Sachsen
    27.März 2025
    Anfang des Jahres sorgten die Ergebnisse des MB-Monitors 2024 wochenlang für Schlagzeilen: Eine Zunahme von Gewalt, eine hohe Arbeitsbelastung und eine unzureichende Personalausstattung sind nur einige der alarmierenden Erkenntnisse der größten Umfrage unter angestellten Ärztinnen und Ärzten in Deutschland, an der sich im vergangenen Herbst 9.649 Personen beteiligten. Unter ihnen waren auch 600 sächsische Ärztinnen und Ärzte. Die länderspezifische Auswertung zeigt viel Handlungsbedarf für Arbeitgeber und Politik.

    Jede/r fünfte sächsische Ärztin/Arzt erwägt einen Ausstieg aus der Patientenversorgung. Fast genauso viele sind unsicher, ob sie weiterhin kurativ tätig sein möchten. Begründet wird dies damit, dass die Arbeitsbelastung zu hoch ist (89 Prozent), die Arbeitsrealität dem eigenen Anspruch an den Beruf widerspricht (76 Prozent) oder zu wenig Zeit für die Patienteninnen/Patienten bleibt (50 Prozent). 45 Prozent erwarten bessere Konditionen außerhalb der Medizin. „Sachsen liegt im bundesweiten Vergleich bei der Ärztedichte nur im Mittelfeld. Gleichzeitig sind wir eines der Bundesländer mit dem höchsten Altersdurchschnitt. Der Bedarf an Ärztinnen und Ärzten im Freistaat wird steigen. Und der Mangel auch, wenn sich die Arbeitsbedingungen nicht verbessern!“, verdeutlicht Torsten Lippold, Erster Vorsitzender des MB Sachsen. orsten Lippold an.

    Gewalt ist alltäglich

    Aufgrund der sich häufenden Berichte über Gewalt gegen Ärztinnen und Ärzte befragte der Marburger Bund im MB Monitor 2024 seine Mitglieder erstmals auch dazu. Die Antworten erschrecken: 87 Prozent der sächsischen Ärztinnen und Ärzte haben im Rahmen ihrer Tätigkeit bereits verbale Gewalt erlebt. Sie sind zum Beispiel beschimpft, beleidigt oder bedroht wurden. Über die Hälfte der befragten Personen in Sachsen hat mindestens einmal körperliche Gewalt wie z.B. Schläge oder Tritte erlebt.

    In 75 Prozent der Fälle geht die Gewalt von Patientinnen und Patienten aus, in 30 Prozent von deren Begleitpersonen. Fast ein Fünftel der befragten Ärztinnen und Ärzte gab an, Gewalt durch Mitarbeitende, vor allem durch Führungskräfte, zu erleben. Die meisten Übergriffe finden in der Notaufnahme sowie im stationären Bereich, oftmals in Psychiatrien, statt.

    268 Personen beschrieben in ihren Freitextantworten Ursachen für Gewalt an ihrem Arbeitsplatz. In etwa jeder fünften Antwort fanden sich Aspekte, die sich unter den Oberbegriff „Gesellschaftlicher Wertewandel“ zusammenfassen lassen, wie zum Beispiel „gesellschaftliche Verrohung“, „fehlender gegenseitiger Respekt“, „Onlineshop-Mentalität oder „fehlende Toleranz“. Beinahe jeder Dritte nennt strukturelle Aspekte wie Personalmangel, Arbeitsverdichtung, Defizite in der Kommunikationskompetenz oder auch Sicherheitsprobleme als Ursache von Gewalt.

    Mit den Folgen der Gewalt gegen Krankenhauspersonal werden die meisten Betroffenen allein gelassen: Knapp ein Drittel der Befragten gibt an, dass es bei ihnen keine professionelle Nachsorge gibt. Mehr als die Hälfte ist sich unsicher, ob ihr Arbeitgeber Nachsorgemaßnahmen anbietet. Lediglich 41 Prozent der Befragten berichtet von Sicherheitsvorkehrungen wie Sicherheitspersonal oder speziellen Schulungen am Arbeitsplatz. Fast ebenso viele geben an, dass bisher keine derartigen Maßnahmen getroffen wurden. 20 Prozent der Befragten wissen nicht einmal, ob ihr Arbeitgeber Schutzmaßnahmen ergreift. Nur 17 Prozent bestätigen, dass es in ihrer Einrichtung eine Opferbetreuung gibt. Die Ergebnisse decken sich nahezu mit denen der bundesweiten MB-Monitor Befragung in diesem Themenkomplex.

    „Eigenschutz geht vor, das lernt jeder im Erste-Hilfe-Kurs. Eigentlich müssen sich Ärztinnen und Ärzte in erster Linie vor Infektionen oder Strahlung schützen. Doch gegen die zunehmende Gewalt hilft keine Schutzkleidung: Politik und Arbeitgeber dürfen uns Ärzte mit dieser Gefahr nicht allein lassen!“, fordert Torsten Lippold.

    Papier ist geduldig

    Digitalisierung wird in Sachsens Kliniken und Praxen klein geschrieben. Während bundesweit 43 Prozent der Ärztinnen und Ärzte ihre Arbeitszeiten elektronisch erfassen, ist dies in Sachsen nur bei 28 Prozent der Fall. Bei knapp einem Drittel der Befragten wird die Arbeitszeit gar nicht erfasst. „Ärztinnen und Ärzte haben Anspruch auf manipulationsfreie Arbeitszeiterfassung. Die Einhaltung der Vorgaben des Arbeitszeitrechts dient dem Gesundheitsschutz der Ärztinnen und Ärzte und dem Patientenschutz. Eine vollständige Erfassung der Arbeitszeiten ist zudem auch die notwendige Voraussetzung für eine angemessene Personalausstattung. Wir verpflichten Arbeitgeber über unsere Tarifverträge zur vollständigen Arbeitszeiterfassung. Mitglieder des MB Sachsen können sich deshalb an unsere Rechtsberatung wenden, wenn ihre Arbeitszeit nicht ordnungsgemäß erfasst wird“, erklärt Steffen Forner, Jurist und Geschäftsführer des MB Sachsen.

    Auch die IT-Ausstattung für Ärztinnen und Ärzte enttäuscht: Nur gut ein Drittel der Befragten ist mit ihrer technischen Ausstattung zufrieden. Dabei berichten 58 Prozent, dass Daten häufig mehrfach angelegt und eingepflegt werden müssen, ein weiteres Drittel erlebt dies „gelegentlich“. Weiterhin könnten sich 60 Prozent der Befragten vorstellen, einen Teil ihrer Arbeit im Homeoffice zu erledigen. Knapp zwei Drittel schätzt, dass sie bis zu einem Viertel ihrer Arbeit auf diese Weise bewältigen könnten.

    Zu viele Stunden, zu wenig Ärzte

    60 Prozent der sächsischen Ärztinnen und Ärzte, die sich am MB Monitor beteiligt haben, sind häufig oder ständig überlastet. Trotz einer Teilzeitquote von 35 Prozent liegt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit aller Befragten bei 51 Stunden. Knapp ein Fünftel arbeitet 60 und mehr Stunden pro Woche. Eine Entlastung scheint nicht in Sicht: Fast die Hälfte gibt an, dass in den vergangenen zwei Jahren in ihrer Einrichtung ärztliche Stellen gestrichen wurden. Damit werden in Sachsen etwas mehr Positionen nicht nachbesetzt als im Bundesdurchschnitt, der bei 42 Prozent liegt. In der Folge bewerten knapp zwei Drittel der sächsischen MB-Mitglieder in der Umfrage die ärztliche Personalbesetzung in ihrer Einrichtung als „eher schlecht“ oder „schlecht“. Äußerst positiv fällt hingegen die Bewertung der Teamarbeit in Sachsen aus: 91 Prozent bezeichnen die Zusammenarbeit mit ihren Kolleginnen und Kollegen als „eher gut“ und „sehr gut“. Damit liegt Sachsen über dem Bundesdurchschnitt, in dem die Zufriedenheit bei 86 Prozent liegt.

    „Es ist ein gutes Zeichen, dass wir sächsischen Ärztinnen und Ärzte trotz aller Probleme zusammenhalten. Auch im MB Landesverband sehen wir das: Unsere starke Gemeinschaft in Sachsen wächst stetig. Je mehr wir sind, desto besser können wir gute Arbeitsbedingungen durchsetzen. Wenn Sie vom Marburger Bund überzeugt sind, dann erzählen Sie doch auch Ihren Kolleginnen und Kollegen davon!“, regt T