Zur besseren Planbarkeit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden in manchen Betrieben Teile des Jahresurlaubs bereits zu Jahresbeginn für das ganze Jahr beantragt und genehmigt. Ein solches Vorgehen lag auch dem nun vom BAG entschiedenen Fall zugrunde. Die Klägerin, die im Blutspendebereich tätig war, beantragte Anfang des Jahres 2013 Urlaub im Juli, August und Oktober 2013. Dieser wurde ihr auch im Februar 2013 genehmigt. Aufgrund einer Schwangerschaft wurde ihr Anfang Juni 2013 ohne Zuweisung einer zumutbaren Ersatztätigkeit ein tätigkeitsbezogenes generelles Beschäftigungsverbot nach den mutterschutzrechtlichen Regelungen erteilt. Der beklagte Arbeitgeber war nun der Meinung, dass der Urlaubsanspruch durch die verbindliche Festlegung erfüllt ist. Seiner Ansicht nach sei er dadurch von seiner Pflicht zur Urlaubsgewährung befreit worden.
Bisherige Rechtslage
Das BAG hatte mit Urteil vom 09.08.1994 (Az.: 9 AZR 384/92) in einem vergleichbaren Fall entschieden, dass der Arbeitgeber zum einen mit der Festlegung des Urlaubszeitraums alles zur Leistung erforderliche getan habe und zum anderen von der Pflicht zur Urlaubsgewährung frei werde, wenn nachträglich durch das Beschäftigungsverbot eine Urlaubsfreistellung nicht mehr möglich ist. Der Anspruch der Arbeitnehmerin auf Urlaubsfreistellung sei dadurch ersatzlos untergegangen und muss nicht neu festgesetzt oder wieder gutgeschrieben werden.
Diese Rechtsprechung ist nach Ansicht des BAG nicht mehr haltbar (Urteil vom 09.08.2016, Az.: 9 AZR 575/15). Begründet wird dies mit der Einführung des § 17 Satz 2 Mutterschutzgesetz (MuSchG), welcher beim Urteil im Jahr 1994 noch nicht in Kraft getreten war. § 17 Satz 2 MuSchG regelt, dass die Betroffene den nicht genommenen Resturlaub nach Ablauf der Fristen im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr beanspruchen kann, wenn sie ihren Urlaub vor Beginn der Beschäftigungsverbote nicht oder nicht vollständig erhalten hat.
Kurzer Exkurs: Eine vergleichbare Regelung findet sich in § 17 Abs. 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) für den Fall der an den Mutterschutz anschließenden Elternzeit.
Nach Ansicht des BAG verhindert nun § 17 Satz 2 MuSchG den Untergang des Urlaubsanspruchs, der nach Festlegung des Urlaubszeitraums infolge eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots nicht genommen werden konnte. Die Bestimmung regle die Unvereinbarkeit von Urlaub und einer (vollständigen) Arbeitsbefreiung infolge mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote. Die Arbeitnehmerin kann nach § 17 Satz 2 MuSchG den vor den Beschäftigungsverboten nicht „erhaltenen" Urlaub danach ungekürzt in Anspruch nehmen. Daraus folgt laut BAG die gesetzgeberische Wertung, dass Urlaub während der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote demnach auch nicht erlöschen kann. Im Ergebnis ist also der Urlaubsanspruch der Klägerin durch das Beschäftigungsverbot nicht untergegangen.
Verschiedene Beschäftigungsverbote im MuSchG
Das Urteil beinhaltet bezüglich der verschiedenen Arten der Beschäftigungsverbote eine weitere Klarstellung. Die Beklagtenseite hatte auch vorgebracht, dass ein auf § 4 MuSchG gestütztes tätigkeitsbezogenes Beschäftigungsverbot nicht von § 17 Satz 2 MuSchG erfasst sei. Dem erteilte das BAG eine klare Absage. Der in § 17 Satz 2 MuSchG genannte Begriff „mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbote" mache deutlich, dass damit nicht nur die generellen Beschäftigungsverbote unmittelbar vor und nach der Geburt, sondern alle mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote gemeint seien.