Mittlerweile ist über den Sinn der Neuregelung eine Debatte entbrannt. Die Deutsche Krankenhaus Gesellschaft (DKG) klagt gegen die konkretisierenden Entscheidungen des Bundesschiedsamtes vom Oktober. In der öffentlichen Diskussion wird leider schnell übersehen, dass es schon heute in unseren Kliniken ein bewährtes und ordnungsgemäßes Entlassmanagement gibt, in dem unsere Patienten zeit- und sachgerechte Lösungen für ihre weitere Behandlung erhalten.
Probleme haben wir Klinikärztinnen und -ärzte bei Entlassungen leider oft mit dem Geflecht der separaten Regelungen der unterschiedlichen Krankenkassen. Probleme gibt es dabei nicht nur bei den Genehmigungsverfahren der Krankenkassen, sondern oftmals ist es schwierig, für Patienten Plätze in einer anschließenden Rehabilitation zu erhalten.
Der Gesetzgeber hat dessen ungeachtet mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz neue Standards festgelegt, um für alle Patienten nahtlose Übergänge zwischen dem stationären und ambulanten Sektor zu schaffen. Diese Regelung soll für alle Krankenhäuser in der Bundesrepublik verbindlich gelten. Ein klassischer Fall der Überregulierung. Die Konsequenzen halte ich für nicht akzeptabel, denn es wird uns noch mehr unserer ohnehin zu knappen, wertvollen Zeit für unsere Patienten geraubt! Unsere Bemühungen um einen Bürokratieabbau werden regelrecht konterkariert, denn es wird Bürokratie pur aufgebaut.
Künftig müssen wir vor jeder Entlassung in formalen Konferenzen mit Ärzten, Pflegenden und dem Sozialdienst über jeden einzelnen Patienten sprechen. Es wäre doch weitaus sinnvoller, wenn wir mit unseren Patienten reden und nicht über sie. Bisher haben die Entlassungen durchaus vielfach in formloser Kommunikation gut funktioniert. Auch benötigt sicherlich nicht jeder Patient ein solches, aufwändiges Prozedere. Nun droht uns ein bürokratischer Overkill.
Die neue Übergangsreglung ist nicht nur zu bürokratisch, sondern auch praktisch nicht umsetzbar. Uns Ärztinnen und Ärzten fehlt oft jetzt schon in Folge der viel zu großen Bürokratie in unserem Klinikalltag dringend erforderliche Zeit, um mit unseren Patienten zu reden. Dass neue Entlassungs-Prozedere bindet in hohem Maße ärztliche Arbeitskraft. Schon derzeit fehlen in vielen Abteilungen in den bundesdeutschen Kliniken die nötigen Ärztinnen und Ärzte. Der Gesetzgeber weitet mit einem neuen Gesetz mal wieder unsere ärztlichen Aufgaben aus, aber für die Umsetzung benötigtes neues ärztliches Personal wird wieder nicht finanziert.
Es gibt jedoch auch eine andere Sichtweise: Einen Gewinn für Patienten sieht nicht nur der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen: Auch der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen jubiliert, weil die KBV nun mit Hilfe der neuen lebenslangen Arztnummer, die für Verordnungen in Kliniken künftig zwingend erforderlich sein sollen, endlich kontrollieren könne, ob jeder einzelne Klinikarzt bei seinen Verordnungen auch tatsächlich das Wirtschaftlichkeitsgebot einhält. Die Kritik der Kliniken kann KBV-Chef Andreas Gassen natürlich nicht nachvollziehen.
Die stete Sorge um finanzielle Benachteiligungen, schlicht pekuniäre Aspekte scheinen für die KBV ausschlaggebend zu sein.
Eine – wie im Gesetz dafür vorgesehene – persönliche Registrierung jedes Klinikarztes bei der KBV ist meiner Ansicht ebenso zu zeitaufwändig wie unnötig: Wenn wir Ärztinnen und Ärzte in Notaufnahmen Arzneimittel verordnen, benötigen wir ja bisher auch keine Arztnummer. Es würde doch völlig ausreichen, wenn die Verordnungen über die Betriebsstätten-Nummer der Kliniken laufen.
Ob der mit dem neuen Entlassmanagement verbundene Aufwand letztendlich gerechtfertigt ist, scheint mir eher fraglich: Die Deutsche Krankenhausgesellschaft bewertet das standardisierte Entlassmanagement zurecht als ein „bürokratisches Monster“. Da für jeden Patienten der Bedarf für eine Anschlussversorgung künftig durch ein Assessment erfasst werden soll und jeder Patient zuvor auf bundeseinheitlichen Formularen dem Entlassmanagement und der Weitergabe seiner persönlichen Daten zustimmen muss, wird zu viel unserer ohnehin knappen ärztlichen Arbeitszeit gebunden.
Die DKG schätzt den Aufwand für das standardisierte Entlassmanagement auf rund 50 Millionen Minuten Arbeitszeit, was für das ärztliche Personal etwa 100.000 Arbeitstage mehr pro Jahr bedeuten würde. In Zeiten der chronischen Unterfinanzierung unserer Krankenhäuser und des Ärztemangels ist diese neue Aufgabe kaum lösbar. Eine adäquate Finanzausstattung der Kliniken und eine zehnprozentige Ausweitung der Studienplätze sind dagegen umso dringlicher. Hier besteht tatsächlicher Handlungsbedarf.