Die bisherige Möglichkeit tarifpluraler Regelungen – wenn also in einem Betrieb verschiedene Tarifverträge Anwendung finden – soll auch unter den Rahmenbedingungen des Tarifeinheitsgesetzes für die Zukunft erhalten bleiben.
Die Vereinbarung bezieht sich ausdrücklich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juli 2017 zu den von beiden Gewerkschaften eingebrachten Verfassungsbeschwerden gegen das Tarifeinheitsgesetz. ver.di und Marburger Bund wollen durch eine in allen Kollisionsfällen wirksame tarifdispositive Abrede verhindern, dass der Tarifvertrag der jeweils anderen Gewerkschaft durch eine etwaige Mehrheitsfeststellung im Betrieb verdrängt werden kann. Dazu erklärt der Vorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) Frank Bsirske: „Die Tarifpluralität in Krankenhäusern ist eine Tatsache, die wir respektieren. Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen. Die Einheit gewerkschaftlichen Handelns kann nur dem freien Willen der Mitglieder entspringen.“
Der Ausschluss der Verdrängungswirkung soll stets als weitere Tarifforderung gegenüber den Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden erhoben und zur Voraussetzung eines Tarifabschlusses gemacht werden. Eine entsprechende Klausel sieht vor, dass jede der beiden Gewerkschaften das Recht hat, für ihre Mitglieder tarifliche Regelungen zu treffen, die von den Bestimmungen des Tarifvertrages der anderen Gewerkschaft abweichen. Zugleich verpflichten sich ver.di und Marburger Bund, keinen Antrag zur Feststellung der gewerkschaftlichen Mehrheit im Betrieb zu stellen. Auch die Arbeitgeber sollen in den jeweiligen Tarifverhandlungen dazu verpflichtet werden, dies zu unterlassen.
Rudolf Henke, 1. Vorsitzender des Marburger Bundes, erklärt: „Die Vereinbarung ist der richtige Weg, um die schädlichen Wirkungen des Tarifeinheitsgesetzes auszuschließen. Unser gemeinsames Bestreben ist es, Tarifpluralität und Betriebsfrieden in den Krankenhäusern im Einklang zu halten, einen Flickenteppich unterschiedlicher Tarifregelungen für einzelne Häuser zu vermeiden und die gewachsene Tarifvielfalt zu wahren. Wir richten unsere Energie nicht auf die Konkurrenz untereinander, sondern auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen unserer Mitglieder.“
Sollte sich ein Arbeitgeber oder Arbeitgeberverband weigern, der Vereinbarung zum Ausschluss der Verdrängungswirkung und dem Antragsverzicht zuzustimmen, erklären ver.di und Marburger Bund übereinstimmend, dass sie die Maßgaben der gemeinsamen Vereinbarung als integralen und unverzichtbaren Bestandteil einer tarifvertraglichen Einigung und als zulässiges Streikziel betrachten. Sylvia Bühler, im ver.di-Bundesvorstand für das Gesundheitswesen zuständig: „Unsere Vereinbarung schafft für die Klinikbelegschaften Sicherheit. Sie ist auch ein starkes Signal an die Arbeitgeber, alle Versuche zu unterlassen, ver.di und den MB gegeneinander ausspielen zu wollen. Unsere ganze Kraft verwenden wir auf die Durchsetzung guter Tarifverträge, das ist es, was unsere Mitglieder erwarten.“