„Wir haben zunehmend wahrgenommen, dass viele sagen: Ich arbeite hier gern, aber … Dies könnte anders, jenes muss besser werden“, erinnert sich die Personalratsvorsitzende Jutta Ulrich. Mit der steigenden Belastung sei auch das Aber größer geworden. „Wir haben einen Anstieg an Aufgaben. Konflikte haben zugenommen. Von den Führungskräften wird zu viel erwartet, Mitarbeiterführung muss deshalb nebenbei erledigt werden“, verdeutlicht sie. Die Bedeutung der MHH als Wirtschaftsunternehmen habe zugenommen, das Geschäft müsse laufen.
Anliegen der Angestellten im Fokus
„Als 2016 der Personalrat gewählt wurde, haben wir hinterfragt, was los ist und in Abstimmung mit den Mitarbeitern vier Themen identifiziert: gute Arbeitsplätze an erster Stelle, gefolgt von Führung, Work-Life-Balance sowie Arbeitsplatz-Sicherheit und Befristungen. Daraus haben wir diese einjährige Kampagne entwickelt“, blickt Jutta Ulrich zurück.
Ihr Personalratskollege Dr. Frank Dressler ergänzt: „Nach einer Umfrage (vgl. MBZ 12/2017) waren wir in der Runde der Assistentensprecher dabei, zur Überstundenproblematik bei Ärzten aktiv zu werden. Die Kampagne passte gut zu unseren Plänen. Von einer kleineren Zahl der Kliniken hören wir, dass eigentlich korrekt ausgefüllte Arbeitsnachweise von Vorgesetzten abgelehnt worden sein sollen. Unser Ziel ist es, dass die Arbeitszeit korrekt dokumentiert werden darf.“
Zwischen Selbstzensur und fairer Zeiterfassung
Gemeinsam mit der Dienststelle erarbeitet der Personalrat nun eine gemeinsame Stellungnahme: Wie sind Überstunden definiert, wie meldet man sie korrekt und wie bekommt man sie nachträglich genehmigt? Bisher sind dem Personalrat die Hände gebunden, denn die Betroffenen äußern sich aus Furcht vor Sanktionen oft nur anonym. Besonders ausgeprägt sei dieses Phänomen bei den Wissenschaftlern: „50 Prozent Gehalt, 150 Prozent Arbeit. Aber wegen befristeter Verträge trauen sie sich nicht, darüber zu sprechen“, weiß Jutta Ulrich. „Einige Kollegen zensieren sich selbst, in dem sie nicht aufschreiben, welche Zeit sie für die Forschung aufwenden“, bestätigt Dr. Frank Dressler. Ein Grund dafür: Es werde ihnen stellenweise so vorgelebt.
„Für uns unmittelbar ärgerlich sind allerdings Aussagen derjenigen, die Pläne genehmigen und dann äußern: Wenn Du da so lange geblieben bist, dann lag das an Dir“, schildert Dr. Dressler. Er sieht hierin einen der Gründe, warum junge Kollegen in manchen Kliniken schnell von Bord gehen. „Deshalb glauben wir, dass es ein gemeinsames Interesse ist, die Arbeitszeit fairer und realistischer abzubilden. Wir propagieren als Personalrat schon länger Arbeitszeitkonten, um eine Verlässlichkeit ins Frei zu bekommen.“ Und Jutta Ulrich ergänzt: „Klar ist: Es braucht in Hinblick auf Teilzeit ganz neue Arbeitszeitmodelle.“
Case Manager entlasten Ärzte
Auch an anderen Stellen wird versucht, das Problem anzugehen: „Junge Ärzte verbringen weiterhin relativ viel Zeit mit dem Hinterhertelefonieren von Befunden. Wir überlegen in der Assistentensprecher-Versammlung, in welchen Feldern man ärztliche Arbeitszeit einsparen könnte. Es gibt zunehmend Entlastung durch Case Manager. Aber da könnte noch mehr passieren. Wobei uns klar ist, dass sich das Problem mit dem Transfer von ärztlichen Aufgaben zur Pflege nur verschiebt und nicht genug weiterentlastet wird“, gibt Dr. Dressler zu bedenken.
Trotzdem hat er das Gefühl, dass die Kollegen im ärztlichen Bereich weiter gern an der MHH arbeiten – weil sie die Arbeit mit den sehr kranken Patienten spannend finden und einen hohen Lerneffekt haben: „In den meisten Kliniken besteht eine ausgesprochen hohe Solidarität unter den Kollegen. An vielen Stellen fühlt man sich aber durch den Arbeitgeber nicht wertgeschätzt, im Moment bei der Einführung der elektronischen Patientenakte“. Die brauche in der Einführungsphase – ähnlich der Pflegeprogramme – nämlich erst mal mehr Zeit, die dann im Kontakt mit Patienten fehle.
Wir wollen uns verbessern
Zurück zur Kampagne: Ist die MHH ein guter Arbeitgeber? Welches Satzzeichen gehört inzwischen hinter den Titel? „Das Fragezeichen bleibt natürlich stehen“, sagt Jutta Ulrich. „Es zeigt: Hier ist nicht alles gut, aber schon einiges.“ Ihr persönliches Resümee: „Wir sind auf einem guten Weg – viele wichtige Themen sind benannt worden, jetzt müssen sie umgesetzt und gelebt werden. Und das können wir als Personalrat natürlich nicht allein schaffen. Aber das Thema Gewinnen und Halten von Personal ist angekommen und wird vom Präsidium unterstützt. Beide Seiten sagen: Wir wollen uns verbessern.“ Als nächstes wollen Präsidium und Personalrat das Gesundheitsmanagement verstetigen.
Für das Personalrat-Team sei die Kampagnenphase sehr anstrengend, „aber wir merken, da kommt etwas zurück und das trägt“, fasst Ulrich zusammen. Zufrieden blickt sie auf erste Erfolge: „Wir sind mit dem Präsidium auf den Weg, Mitarbeitergespräche zu vereinheitlichen. Und: Durch die Kampagne konnten wir beim Thema sachgrundlose Befristung endlich Druck aufbauen, die Argumente waren nun klar. Seit Anfang Dezember wird in der Pflege auf sachgrundlose Befristungen verzichtet!“
Immer noch zu hierarchisch
Dr. Frank Dressler gibt sich zuversichtlich: „Fachpersonal ist nicht mehr so einfach zu bekommen. Die Faktoren, die wir im Rahmen der Kampagne bearbeiten sind entscheidend dafür, an welches Haus die Kollegen gehen.“ Er hat noch einen weiteren Wunsch: „Aus meiner Sicht sollte sich das deutsche Gesundheitssystem zu flacheren Strukturen entwickeln. Wir sind immer noch zu hierarchisch. Oft wird der Fehler gemacht, dass die Experten an der Basis im Vorfeld nicht befragt werden. Aber die Dinge ändern sich. In den nächsten fünf bis zehn Jahren wird eine große Zahl der Chefärzte aus Altersgründen ausscheiden.“
Im April ist das Kampagnen-Jahr um. Dann will der Personalrat zunächst eine interne Auswertung machen und die Beschäftigten fragen, ob sich etwas getan hat. Im Juni wollen sie bei einer Abschlussveranstaltung evaluieren: Was ist herausgekommen? Was ist geblieben? Woran müssen wir jetzt weiterarbeiten, damit die MHH ein guter Arbeitgeber wird oder bleibt?