• Weder unparteiisch, noch unabhängig!

    Aktueller Kommentar von Dr. med. Claus Beermann - Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes des MB NRW-RLP
    09.Mai 2018
    Ludwigshafen
    Unserer Krankenhauslandschaft drohen in den nächsten Jahren gewaltige Veränderungen. Es sind keine moderaten strukturellen Verbesserungen der gewohnten stationären Versorgung, die jetzt vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in die Wege geleitet wurden, es droht vielmehr ein bisher nie dagewesener Kahlschlag. Viele vor allem kleinere Kliniken sollen geschlossen werden, um so die Kosten im Gesundheitswesen zu reduzieren.

    Mit der Etablierung einer neuen gestuften Notfallversorgung und den damit verbundenen strikten Vorgaben des G-BA werden viele Krankenhäuser keine zusätzlichen Finanzmittel mehr für die Behandlung von Notfällen erhalten. Dies trifft Krankenhäuser – noch dazu in einer Ära der Unterfinanzierung – existentiell. Nur mit Erlösen aus der Patientenversorgung konnten sie bisher die investiven Aufgaben bezahlen, die die Bundesländer – trotz gesetzlicher Verpflichtung – nicht vollumfänglich finanzieren.

    Der „unparteiische Vorsitzende“ des G-BA, Prof. Josef Hecken, verteidigte eine Woche nach dem heftig kritisierten G-BA-Beschluss im Ärzteparlament der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz sein Vorgehen. Die massive Kritik aus der Ärzteschaft und den Klinikverbänden, die ihn binnen einer Woche getroffen hat, zeigte ohne Frage sichtbare Wirkung. Hecken operierte im Angriffsmodus, präsentierte Unmengen an Zahlen und bediente sich teils recht zotiger Sprüche und Einschätzungen, um Fehlentwicklungen in der Notfallversorgung darzustellen.

    Um es vorweg zu sagen, die von ihm nochmals vorgestellten G-BA-Vorgaben für die künftige Notfallversorgung haben mich nicht überzeugt. Kein kluger Weg. Seine anfängliche Beschwichtigung, es werde keinen Kahlschlag in der Kliniklandschaft geben, da die Länder mit Ausnahmeregelungen die G-BA-Pläne in Einzelfällen aussetzen könnten, hat Josef Hecken später selber relativiert. Er räumte ein, dass viele Krankenhäuser letztendlich so gezwungen würden, zu schließen.

    Wie sieht sie aus, die schöne neue Versorgungswelt von Josef Hecken? Selbst Schwerverletzte könnten künftig erst in das nächst mögliche Krankenhaus ohne Notfallversorgung zur Stillungen ihrer Blutungen gebracht werden, meint er. Die weitere Behandlung ihrer Verletzungen könne dann in einem anderen Krankenhaus nach einem Weitertransport erfolgen. Das belegt für mich erschütternd, wie wenig Kenntnisse ein Jurist von medizinisch nötiger Versorgung hat.

    Es ist obendrein kalt und zynisch, zu sagen, dass die Kliniken, die künftig keine Notfälle mehr zusätzlich bezahlt erhalten, ja durchaus weiter auch Notfälle versorgen müssen. Sie kriegen sie nur nicht mehr bezahlt, meint Hecken lapidar. Wir sind es leider gewohnt, dass wir ärztliche Leistungen nicht bezahlt bekommen. Doch hier wird unser Ethos systematisch mit Ansage schlichtweg ausgenutzt. Prof. Hecken räumte letztendlich sogar ein, der G-BA sei nur der Handlanger der Politik, der die Aufgaben mache, die die Politik nicht machen wolle. Er hat sich selbst damit ein Armutszeugnis ausgestellt.

    Am Relevantesten halte ich die Folgen der G-BA Beschlüsse für unsere Patienten. Sie brauchen in Notfällen als erstes einen kompetenten Arzt. Zwangsläufig werden sich aber die Wege der Rettungswagen zu den verbliebenden Kliniken verlängern. Es ist keine Frage, werden die G-BA-Pläne wirklich unverändert Realität, werden sich die Überlebenschancen von Notfallpatienten in vielen Fällen stark reduzieren.

    Wir Ärztinnen und Ärzte wissen, bei einem Herzinfarkt, bei einem Schlaganfall oder bei schweren Unfallverletzungen bieten nur kurze Fahrtzeiten in ein Krankenhaus gute Aussichten auf ein Überleben und spätere Heilung. Das weiß eigentlich auch ein Jurist, das weiß auch Josef Hecken. Aber, er hat sich im G-BA den rein fiskalischen Interessen der Politik und vor allem dem Druck der Krankenkassen gebeugt. Unparteiisch? Unabhängig? So lautet zwar Josef Heckens offizieller Amtstitel, aber, unparteiisch und unabhängig – nein, das ist der Vorsitzende des G-BA sicherlich nicht.

    Durch diese neuen G-BA-Vorgaben wird die gewohnte flächendeckende Versorgung von Notfällen stark gefährdet. Und das ist anscheinend der Politik und den Krankenkassen gleichgültig. Mir geht es als Arzt ganz anders. Ich möchte die beste Versorgung für meine Patienten, gerade in Notfällen sollen sich Patienten da­rauf verlassen können, dass wir rund um die Uhr alles für sie tun. Politik und Kassen haben dafür die geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen.

    Insbesondere solange ambulante Strukturen fehlen, die die drohenden stationären Lücken auffangen könnten, ist der G-BA-Beschluss unvertretbar. Meiner Ansicht nach sollten die Bundesländer eher diejenigen bedrohten Kliniken kurzfristig und gezielt mit zusätzlichen Investitionsmitteln in die Lage versetzen, die Vorgaben des G-BA-Beschlusses zu erfüllen.

    Eines wird jedoch kaum lösbar sein: Die fachärztliche Versorgung in Kliniken wird durch Rufdienste sichergestellt. Die vorgesehenen Änderungen des Rufdienstes in einen Bereitschaftsdienst durch die Zeitvorgabe von 30 Minuten bis zur Aufnahme der Behandlung durch einen Facharzt erfordert doppelt so viele Ärzte wie derzeit. Diese Ärzte gibt es nicht. Und dafür trägt die Politik die Verantwortung.