Im Vorfeld des VKA-Tarifforums des Marburger Bund Bundesverbandes begrüßte der Landesvorsitzende Hans Martin Wollenberg über 20 Teilnehmende aus verschiedenen Tarifbereichen. Geschäftsführer Sven De Noni skizzierte zum Einstieg die wichtigste Eckpunkte in der Tariflandschaft: Seit den ersten Marburger Bund-Tarifverträgen 2006 habe es keine wesentlichen Änderungen der Rahmenbedingungen gegeben.
„In den letzten Jahren haben wir uns weitestgehend mit Themen beschäftigt, die finanzielle Auswirkungen haben. Insbesondere die nachwachsende Ärztegeneration misst aber der Vereinbarkeit von Familie und Beruf einen hohen Stellenwert zu“, erklärte De Noni. Dies zeichnete sich auch in der nachfolgenden Diskussion ab.
Entlang der sechs Themen, die die Tarifgremien des Marburger Bundes als dringend regelungswürdig betrachten, diskutierten die Anwesenden, moderiert von Hans Martin Wollenberg. Sie tauschten eigene gute und weniger gute Erfahrungen ebenso aus wie kollegiale Ratschläge. Wie im MB-Monitor 2017 bewegte auch hier wieder das Thema Arbeitszeit besonders.
Die jüngere Generation nähme zurecht für sich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und eine gute Work-Life-Balance in Anspruch. Die skandinavischen Länder machten vor, dass dies möglich sei. Gleichwohl gebe es in Deutschland nicht genug qualifiziertes Personal, um auch hier realistisch umzusetzen. Viele ältere würden gern ab 50 keine Bereitschaftsdienste mehr machen, berichtete ein Teilnehmer. Es brauche eine variable Arbeitszeit und verschiedenen Arbeitsmodelle für die Generationen.
„Holen aus dem Frei dürfte es eigentlich gar nicht geben. Aber es ist illusorisch, dass es nicht mehr vorkommen wird“, erklärte ein Teilnehmer. Könnte ein sauber definierter Bereitschaftsdienst eine praktikable Alternative sein? Es müssten Stufen vor dem Holen aus dem Frei eingerichtet werden, z.B. die Einrichtung eines Mitarbeiterpools.
Holen aus dem Frei müsse so teuer tarifiert werden, dass es die absolute Ausnahme bleibe. – Eine Regelung auf Betriebsebene sei in seinem Haus gescheitert, berichtete ein weiterer Teilnehmer. Der Arbeitgeber habe das Thema schlichtweg ausgesessen und Ärzte, die ihre Rechte wahrnahmen, bezüglich ihres Weiterbildungszeugnisses unter Druck gesetzt. Und das, obwohl der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in rechtlicher Hinsicht nur im Katastrophenfall aus dem Frei holen dürfe. „Wir sind als Betriebsräte auch dafür verantwortlich, dass wir die Kollegen unterstützen, wenn Druck durch den Arbeitgeber aufgebaut wird“, mahnte ein Teilnehmer.
Ein weiterer wunder Punkt: Die Umsetzung von Opt-Out-Regelungen. Gerade ausländische Kollegen werden vom Arbeitgeber nicht über die Freiwilligkeit des Opt-Outs aufgeklärt. Die Freiwilligkeit müsse gewährleistet werden, forderten die Einen. Andere verlangten: Opt-Out abschaffen! Es könne nicht angehen, dass man in Teilzeit gehen müsse, um unterm Strich 100 Prozent zu arbeiten. „Ich glaube, dass wir zu wenig Ärzte haben, die bereit sind, zu diesen Bedingungen künftig noch zu arbeiten“, machte ein Teilnehmer deutlich.
Ein Arzt wusste von guten Erfahrungen mit einer 38,5 h-Woche in der Vergangenheit zu berichten. Auch in gesundheitlicher Hinsicht sei das ein sinnvoller Arbeitsumfang, stimmten viele zu.
Die Anwesenden waren sich nach zwei Stunden einig: Es müssen endlich zeitgemäße Tarifverträge her, um die Patientenversorgung zu sichern! Die Erfahrung aus der Krankenhauspraxis zeige aber auch: Entscheidend seien Chefärzte, die die Realität in ihren Planungen berücksichtigen.
„Wir können nicht im Hamsterrad immer weiter laufen. Wir müssen ein Zeichen setzen und mehr Personal erzwingen. Wir müssen Maximalforderungen formulieren, damit sich etwas bewegt – denn sonst passiert nie etwas!“ Die Arbeitsverdichtung müsse zurückgedrängt werden. Auch drastische Maßnahmen wie OP-Schließungen oder andere Leistungseinschränkungen müssten denkbar sein.