„Die Caritas und Diakonie dürfen künftig nicht mehr pauschal eine Konfessionszugehörigkeit bei Bewerbern verlangen, nur noch dort, wo etwa eine berufliche Anforderung gerechtfertigt ist“, erläutert Dr. Hans-Albert Gehle. „Nach dem vorherigen Urteil in dieser Sache vor dem EuGH im April ist das Erfurter Urteil ein Erfolg für alle Arbeitnehmer bei kirchlichen Arbeitgebern.“
„Es ist allerhöchste Zeit, dass sich kirchliche Arbeitgeber nicht mehr auf ihren längst überholten Privilegien des sogenannten Dritten Weges ausruhen können, sondern sich endlich ohne Einschränkungen dem weltlichen Arbeitsrecht stellen müssen“, fordert Dr. Hans-Albert Gehle.
Das Grundgesetz gibt - unter Verweis auf die Weimarer Verfassung - den Kirchen als Arbeitgebern besondere Rechte, die sich von den sonstigen weltlichen arbeitsrechtlichen Vorschriften unterscheiden.
„Diese Praxis hat das Erfurter Gereicht nun eingeschränkt. Kirchen müssen künftig nicht nur genau begründen, warum im Einzelfall die Religionszugehörigkeit für eine ausgeschriebene Stelle notwendig ist. Nach dem neuen Grundsatzurteil wird vor allem auch eine Abwägung zwischen dem kirchlichen Privileg auf Selbstbestimmung und dem Recht eines Arbeitnehmers, nicht wegen seiner Weltanschauung diskriminiert zu werden, im Konfliktfall letztlich durch ein weltliches Gericht entschieden“, erklärt Dr. Hans Gehle.
„Das Urteil hat hoffentlich auch hierzulande die gewünschten Folgen für kirchliche Krankenhausträger“, hofft Dr. Hans Gehle. Allein in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gibt es über 250 kirchliche Krankenhäuser mit zehntausenden Mitarbeitern.
Nach Überzeugung des Marburger Bundes NRW/RLP muss im Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts eine konfliktive Auseinandersetzung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern als Ultima Ratio möglich sein. „Auch beim Kündigungsschutz sind Änderungen überfällig. Dies belegt der bekannte Fall des Düsseldorfer Chefarztes, der seine Stelle bei einem katholischen Arbeitgeber verlor, als er zum zweiten Mal geheiratet hat.“
„Nicht zu vergessen ist jedoch die Ausgestaltung des Arbeitsrechtes: Statt nur kollektiv Betteln zu dürfen, müssen kirchliche Arbeitnehmer endlich ihre Arbeit-nehmerrechte gewerkschaftlich so vertreten dürfen, wie dies bei nichtkirchlichen Arbeitgebern längst üblich ist“, unterstreicht Gehle.
„Nur auf der Grundlage solcher Rahmenbedingungen gefundenes kollektives Arbeitsrecht ist in der Lage, einen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu erreichen. Anders sind zeit- und sachgerechte Arbeitsbedingungen im 21. Jahrhundert nicht herzustellen.“