Berliner Charité – Musterfall einer gelungenen Fusion zweier Uniklinika
Kann eine Fusion zweier großer Unikliniken zum Erfolg werden? Der Musterfall ist die Berliner Charité. Über 3.000 Betten, 13.000 Mitarbeiter und 4.000 Wissenschaftler und Ärzte an vier Standorten. 1,7 Milliarden Einnahmen. Über 7.700 Studenten der Humanmedizin, 770 schließen jährlich an der Berliner Charité ihr Studium ab.
„Die Zusammenführung der Berliner Universitätsstandorte – der Freien Universität Berlin und der Humboldt Universität zu Berlin zur Berliner Charité war objektiv eine gute Lösung“, bilanzierte Dr. med. Peter Bobbert, Vorsitzender des Marburger Bundes Berlin/Brandenburg, in seinem Auftaktreferat.
In den 90er Jahren keimten in Berlin erste Fusionsgedanken auf. „Braucht man zwei Unikliniken, zwei Medizinische Fakultäten? Belebt die Konkurrenz oder lässt sich durch die Fusion einsparen? Man benötige zwei Anläufe. Am Ende wurden die Berliner Unikliniken neu strukturiert: Insgesamt 17 Zentren bilden heute an vier Standorten die Charité, das größte Klinikum Europas, der größte Arbeitgeber in Berlin. Allerdings war der Weg dorthin nicht ohne Probleme und Fehlentscheidungen. 2.000 Betten wurden abgebaut und die Aufgabe einer Geburtenstation in Steglitz habe zu erheblich verlängerten Anfahrtszeiten geführt. Das ergab Unmut in der Bevölkerung.
Klinikum Dortmund - mit eigener Kraft aus der drohenden Insolvenz
Blicken wir in den Westen: „Ich bin aus Dortmund gekommen, um Ihnen zu sagen, dass eine eigenständige Sanierung eines Maximalversorgers selbst in Insolvenznähe möglich ist!“, betonte die 2. Referentin, Bärbel Wiedermann - Ärztin und ehemalige Vorsitzende des Betriebsrats des Klinikums Dortmund gleich vorweg. „Das Klinikum Dortmund erschien noch vor einigen Jahren als ein hoffnungsloser Sanierungsfall, hoch verschuldet.“ 28 Kliniken, zwei Standorte, 1.440 Betten, 4.500 Beschäftigte.
Bis 2001 war das Klinikum Dortmund ein Eigenbetrieb der Stadt Dortmund. Zwischenzeitlich wurde es eine gGmbh. Dann wurde ein Konzern gegründet: „Das Klinikum ist die Mutter. Die Tochter ist der ausgelagerte Servicebetrieb.“ Ab 2005 wurden zahlreiche Servicebereiche ausgelagert. In der SPD-Hochburg wurden immer die entscheidenden Positionen im Klinikum mit Funktionsträgern der Stadt Dortmund besetzt. „Es ging dabei nicht um Kompetenz. Selbst die Chefärzte wurden nach dem Parteibuch eingestellt.“ Ein Hauptübel der langjährigen wirtschaftlichen Misere.
„Die Jahresabschlüsse 2003 bis 2010 trugen teils tiefrote Zahlen, bis zu 15 Millionen Euro jährlich. Es gab kein Controlling. 2007 drohte uns sogar die Insolvenz. Wir haben einen Sanierungstarifvertrag zu Lasten der Mitarbeiter abgelehnt“, erklärte Bärbel Wiedermann.
„Einem neuen Geschäftsführer ist die Sanierung schließlich gelungen. Er hatte ganz klare Vorstellungen, wie das gelingt. Er hat seinen Vertrag so ausgehandelt, dass das auch ging. Und er hat die Politik aus dem Tagesgeschäft rausgedrängt. Seit 2013 schreiben wir schwarze Zahlen, 2016 ein Plus von fast zehn Millionen Euro.“
Am Beispiel der Thoraxchirurgie erläuterte Bärbel Wiedermann auch gravierende Fehlentscheidungen. „Eine einzige Medizin-Controllerin legte seinerzeit Zahlen vor, das sich die Abteilung nicht rechnen würde. Unsere Ärzteschaft hat abweichende Zahlen vorgelegt, ohne Erfolg. Der Oberbürgermeister entschied mit der Geschäftsführung 2005 die Schließung.“ Darauf wurden im Umfeld von Dortmund einige Thoraxchirurgien gegründet. Dortmund hatte das Nachsehen: Erst 2018 gründete das Klinikum Dortmund wieder eine eigene Thoraxchirurgie.
Was hat sich am Klinikum Dortmund verändert? „Vor der wirtschaftlichen Wende gab es keine oder langsame Entscheidungen, keine prospektive Personalplanung, kein Controlling, keine Nachhaltigkeit und keine kommunale finanzielle Unterstützung. Heute wird dagegen sehr schnell entschieden, wenn es um Geld geht von einem Alleinentscheider. Es gibt Transparenz, neue Geschäftsbereiche, neue Kooperationen, keine politische Kopplung oder Abhängigkeit.“ Ein Beispiel für eine gelungene Sanierung.
Die beiden größten Kölner Kliniken – die Vision einer Politikerin
Visionär trat die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker in die Diskussion ein. Sie hat im Dezember 2017 die Idee für einen Kölner Klinikverbund erstmals geäußert. „Die Kölner Kliniken haben drei Standorte, 4.500 Beschäftigten und gut 200.000 Patienten im Jahr. Die Uniklinik 1.500 Betten, keine Chance räumlich zu wachsen. Zusammen mit der Medizinischen Fakultät bildet sie den forschungsstärksten Standort in NRW. Berlin und die Region Köln stehen als Gesundheitsstandorte schon in einer Konkurrenz.“
„Der angestrebte Verbund ist eine Idee, die in ihrer Einfachheit unschlagbar ist und meine uneingeschränkte Unterstützung hat. Sie dient sowohl dem Ausbau eines exzellenten Forschungsstandortes als auch der medizinische Spitzenversorgung der Bevölkerung.“ So könne die Uniklinik die vielen Behandlungsdaten der Kliniken der Stadt Köln für ihre wissenschaftlichen Studien verwenden. „Ich will Entwicklungschancen aufzeigen, die in der jetzigen Konstellation nicht gegeben sind“, bekannte Reker. „Meine Aufgabe sehe ich darin, dass die Bevölkerung in und um Köln erstklassig medizinisch versorgt wird und es in Köln optimale wirtschaftliche Rahmenbedingungen gibt. Die Gesundheitsbranche zählt zum größten wirtschaftlichen Sektor in Köln.“
„Uniklinik Köln und Klinken der Stadt Köln sind die Speerspitzen der medizinischen Versorgung in Köln, die größten medizinischen Leistungserbringer. Zieht man einen Radius von 30 Kilometern um den Dom, finden sich 33. Kliniken. Köln ist eine Metropole der Gesundheitsversorgung. Es gibt in Köln bereits ein erfolgreiches Zusammenspiel von Wissenschaft und Medizin. Wir haben über 770 Start-ups, viele in der Gesundheitsbranche. Wir möchten mit dem Klinikverbund eine neue Ansiedlungspolitik in Köln gründen. OB Reker erhofft sich vermehrte Gewerbesteuereinnahmen.
Wo liegen Risiken verborgen?
Henriette Reker verspricht sich nur Vorteile von einem Verbund. Risiken schließt sie weitgehend aus: „Man darf keine Angst haben, etwas Neues zu wagen.“ Reker will eine erstklassige medizinische Versorgung der Kölner sicherstellen und die Kliniken in eine Situation in eine Lage zu versetzen, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Ich habe schon sehr wahrgenommen, welche Tipps ich hier erhalten habe. Wie Dortmund die Sanierung gemacht hat, wird bei uns aber nicht funktionieren. Wir haben den Primat der Politik im Aufsichtsrat.“
Welchen Einfluss hat die schwierige wirtschaftliche Lage der Kliniken der Stadt Köln auf die Gründung eines neuen Klinikverbundes? „Zu keiner Zeit war die schwierige Lage der Kölner Kliniken für mich ein Leitgedanke für die Klinikfusion“, betont Henriette Reker. Die unabhängige Sanierung der Kliniken der Stadt Köln werde sicherlich nicht vor 2024 beendet sein.
Privatisierung eine klare Absage erteilt
Geht die Sanierung zu Lasten der Mitarbeiter? „Wo stehen wir?“, fragten Zuhörer. „Droht Personalabbau?" "Wir wollen keine Kliniken schließen, aber das Ergebnis der Diskussion kann sein, dass ein Standort geschlossen wird“, bekannte Reker und bemerkte wenig später wieder: „An der Sicherheit der Arbeitsplätze soll nicht gerüttelt werden. Ich will die Arbeitsplätze sichern, wir wollen etwas Größeres entwickeln. Wir wollen kein Personal abbauen, sondern die Ertragsseite verbessern, mehr Fachkräfte gewinnen. Wir sind jetzt für die Uniklinik besonders attraktiv. Wir haben uns einen Partner ausgesucht, der ein Alleinstellungsmerkmal besitzt.“
Droht eine Privatisierung? „Seitdem ich Oberbürgermeisterin in Köln bin, fragen mich private Klinikbetreiber. Die kriegen alle von mir eine Absage!“
Kann das Vorhaben im Alleingang gelingen? „Das Ganze kostet natürlich auch Geld, aber es bietet auch unglaubliche Möglichkeiten. Wir werden mit dem Land über Investitionen sprechen. Das Land wird mit Geld einsteigen müssen.“ Von dreistelligen Millionenbeträgen ist die Rede. Ob am Ende auch rechtlich eine Fusion gelingt, sei sehr fraglich. „Deshalb spreche ich auch immer lieber von einem Klinikverbund.“
Der Rat der Stadt Köln wird zum Jahresende entscheiden
Wie geht es weiter? In den nächsten Monaten wird es wirtschaftliche Berechnungen und juristische Bewertungen geben. Die Situation der Kölner Kliniken wird derzeit geprüft. „Es wird erörtert werden, wer ist was genau wert? Was können wir dann in die Waagschale werfen? Ich hoffe, dass der Prozess Ende des Jahres abgeschlossen ist, dann wird der Rat der Stadt Köln entscheiden, ob der Verbundweg wirklich machbar und sinnvoll ist und wie die Kooperation konkret rechtlich umgesetzt werden soll. Dann könnte einer der größten Gesundheitsstandorte in Deutschland in Köln entstehen. Alle in der Stadt werden davon profitieren.“
„Wie immer es nun auch weitergeht“, bemerkte Michael Krakau zum Abschluss, „wir werden dranbleiben. Die Mitarbeiter wollen zeitnah informiert und einfach mitgenommen werden. Als Marburger Bund suchen wir den Dialog. Wir wollen die Veränderungen gut erklärt haben. Solange aber keine konkreten Pläne auf dem Tisch liegen, können wir auch nicht entscheiden, ob ein Klinikverbund in Köln überhaupt Sinn macht. Am Ende kommt es darauf an, ob der Klinikverbund gut gemacht wird. Vergessen wir aber nicht, die kommunalen Krankenhäuser sind das Rückgrat der gesundheitlichen Daseinsvorsorge.“