Zu den geforderten Schutzmaßnahmen gehört zum einen ein flächendeckendes Meldesystem, worin Fälle von verbaler und körperlicher Gewalt nicht nur konsequent angezeigt, sondern daraus auch weitergehende Erkenntnisse gewonnen werden, wie und mit welchen präventiven Maßnahmen solche Gewaltakte verhindert werden können. „Das bedeutet auch, eventuelle No-Go-Areas zu identifizieren, wo solche Gewalt gehäuft auftritt.“
Dr. Theodor Windhorst fordert darüber hinaus, Ärzte und weiteres medizinisches Personal in die Regelung des Paragraphen 115 Strafgesetzbuch (Widerstand gegen oder tätlicher Angriff auf Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen) aufzunehmen, der Angriffe auf Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungsdienstmitarbeiter mit Strafe belegt. Zu den Schutzmaßnahmen sollen zudem weiterhin Angebote wie Deeskalationstraining und Konfliktgesprächskurse gehören, die von der Akademie für medizinische Fortbildung in Westfalen-Lippe, getragen von der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung, für die betroffenen Berufsgruppen angeboten werden.
„Es gibt eine spürbare Zunahme solcher Gewaltereignisse“, erklärte Dr. Theodor Windhorst. Die Hemmschwelle für aggressives oder beleidigendes Verhalten sinke und die Gewaltbereitschaft nehme zu. „Und das gerade gegenüber Menschen, die anderen Menschen helfen oder sie sogar aus Notlagen retten wollen. Diese Gewalt, die wachsende Verrohung und Respektlosigkeit sind ein gesamtgesellschaftliches Problem. Sie bringt Helfer in Not – und darf von uns weder toleriert noch akzeptiert werden. Hier heißt es ‚klare Kante‘ und null Toleranz zeigen.“
Es gibt derzeit keine bundesweite Statistik zur Problematik der steigenden Gewaltbereitschaft, die alle Bereiche des Gesundheitswesens abdeckt. Die Ärztekammer verweist in diesem Zusammenhang auf den „Ärztemonitor 2018“. Dies ist die deutschlandweit größte Befragung ambulant tätiger Ärzte und Psychotherapeuten, die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem NAV-Virchow-Bund im Zweijahresturnus in Auftrag gegeben wird.
Im Zuge dieser Erhebung wurden bundesweit 7.500 Ärztinnen und Ärzte nach ihren Gewalterfahrungen im Praxisalltag befragt und die Ergebnisse auf alle 147.000 Niedergelassenen hochgerechnet. Demzufolge kommt es – statistisch gesehen – pro Arbeitstag zu 75 Fällen körperlicher Gewalt und zu 2.870 Fällen verbaler Gewalt. Jeder vierte niedergelassene Arzt hat in seinem bisherigen Berufsleben bereits mindestens einmal körperliche Gewalt erlebt. Gleichwohl scheuen Ärzte den Gang zur Polizei. Nur jeder vierte körperliche und jeder 14. verbale Angriff wird angezeigt.