Tarifsicherung
Bereits vor der letzten Verhandlungsrunde hatte die VKA verbindlich zugesagt, eine Regelung zu vereinbaren, die eine Verdrängung des Tarifvertrages durch die Anwendung der Kollisionsnorm im Tarifeinheitsgesetz ausschließt. Die Vereinbarung bildet quasi das Fundament für die neue Vereinbarung mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), denn ohne sie bestünde die Gefahr, dass der Ärzte-Tarifvertrag des Marburger Bundes auf Dauer keinen Bestand hätte.
Arbeitszeiterfassung
Die Kliniken sind künftig verpflichtet, die gesamte Anwesenheitszeit der Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus auf elektronischem Wege oder auf andere Art mit der gleichen Genauigkeit zu erfassen. Dabei gilt – und das ist ein signifikanter Fortschritt beim Umgang mit der ärztlichen Arbeitszeit – sämtliche Anwesenheitszeit, abzüglich tatsächlich gewährter Ruhepausen, als Arbeitszeit. Im Wege einer – juristisch sogenannten – Beweislastumkehr hat der Arbeitgeber nun zu beweisen, wenn er behauptet, die Anwesenheit des ärztlichen Beschäftigten sei tatsächlich keine Arbeitszeit. Sie erhalten zudem ein persönliches, unverzüglich zu gewährendes Einsichtsrecht in die Arbeitszeitdokumentation, um die dokumentierten Anwesenheitszeiten überprüfen zu können.
Mit der Regelung, die ab 1. Juli 2019 in Kraft tritt, steht ein weiteres Instrument zur Verfügung, etwaigen Manipulationen zu begegnen.
Freie Wochenenden
Vom 1. Januar 2020 sind grundsätzlich mindestens zwei arbeitsfreie Wochenenden pro Monat in der Zeit von Freitag 21 Uhr bis Montag 5 Uhr zu gewähren. Zusätzliche Bereitschafts- oder Rufbereitschaftsdienste sind nur zu leisten, wenn andernfalls eine Gefährdung der Patientensicherheit droht. Nicht gewährte freie Wochenenden müssen auf Antrag innerhalb des nächsten Kalenderhalbjahres zusätzlich nachgeholt werden. Am Ende dieses 2. Kalenderhalbjahres müssen sowohl die freien Wochenenden aus dem aktuellen Kalenderhalbjahr wie auch etwaige übertragene Wochenenden gewährt sein. Ein Übertrag in ein dann drittes Kalenderhalbjahr ist nicht möglich.
Die VKA hat auf Ausnahmen bestanden, weil ohne sie die Patientenversorgung in kleineren Abteilungen und Kliniken nicht immer sichergestellt werden könne. Das gelte vor allem für die Rufbereitschaftsdienste.
Begrenzung der Bereitschaftsdienste
Ab dem 1. Januar 2020 haben Ärztinnen und Ärzte innerhalb eines Kalenderhalbjahres grundsätzlich monatlich im Durchschnitt nur bis zu vier Bereitschaftsdienste zu leisten. Darüber hinaus sind Bereitschaftsdienste nur dann zulässig, wenn andernfalls eine Gefährdung der Patientensicherheit droht. Als Kompensation für jeden Dienst über dem vierten erhöht sich die Bewertung der Bereitschaftsdienste um 10 Prozent und für jeden weiteren über diesem Durchschnitt liegenden Dienst um weitere 10 Prozent.
„Sandwich-Dienste“
Ein sich unmittelbar an den Bereitschaftsdienst anschließender Arbeitsabschnitt im Rahmen der Vollarbeit – etwa zum Zwecke der Übergabe … ist vom 1. Januar 2020 an nur dann zulässig, wenn er nicht länger als 60 Minuten dauert und sich der dem Bereitschaftsdienst vorangegangene Arbeitsabschnitt entsprechend verkürzt.
Abstand zu Schichtdienst
Vom 1. Januar 2020 an dürfen nicht mehr als vier über zehn Stunden dauernde Schichten und in einem Zeitraum von zwei Kalenderwochen nicht mehr als insgesamt acht über zehn Stunden dauernde Schichten geleistet werden. Zwischen einem Bereitschaftsdienst und einer Schicht muss ein Zeitraum von 72 Stunden liegen.
Minusstundenproblematik
Ab dem 1. Juli 2019 wird zusätzlich zum Stundenentgelt im Bereitschaftsdienst für jede Stunde des Bereitschaftsdienstes ein Zuschlag von 15 Prozent des Stundenentgeltes eingeführt. Dieser Zuschlag kann nicht in Freizeit abgegolten werden und ist einer der Bestandteile der Regelungen zur Entschärfung der Minusstundenproblematik. Zugehörig wird – jedoch erst ab dem 1. Januar 2021 – die Bewertung der Bereitschaftsdienste um jeweils 10 Prozent angehoben. Die Bewertung beträgt dann:
- Stufe I: 70 Prozent
- Stufe II: 85 Prozent
- Stufe II: 100 Prozent
Parallel wird ab 1. Juli 2019 die Höherbewertung der Bereitschaftsdienste im Falle der Gewährung von Freizeitausgleich und ab dem 1. Januar 2021 der Zuschlag ab der 97. Bereitschaftsdienststunde aufgehoben.
Verlässliche Dienstplanung
Vom 1. Januar 2020 an ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Rufbereitschafts- und Bereitschaftsdienste spätestens einen Monat vorher mittels Dienstplan anzuzeigen. Im Falle der Nichteinhaltung dieser Frist wird für jeden Bereitschaftsdienst respektive jede Rufbereitschaft des zu planenden Folgemonats ein Zuschlag von 10 Prozent des jeweiligen Entgeltes gezahlt. Sofern eine Änderung des Dienstplans mit weniger als drei Tagen Abstand zum Beginn des Dienstes erfolgt, erhöht sich die Bewertung der Dienste um 10 Prozent.
Lineare Erhöhung
Die Tabellenentgelte steigen rückwirkend zum 1. Januar 2019 um 2,5 Prozent, ab dem 1. Januar 2020 sowie ab dem 1. Januar 2021 um je 2 Prozent. Die Stundenentgelte im Bereitschaftsdienst erhöhen sich entsprechend. Selbiges gilt für den Einsatzzuschlag im Rettungsdienst und die Besitzstandszulagen im TVÜ-Ärzte/VKA.
ÖGD
Für die Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst und in anderen kommunalen Diensten sollen bis spätestens zum. 30. Oktober 2019 separate Tarifverhandlungen aufgenommen werden. Ob sie einen eigenständigen Tarifvertrag erhalten oder in den TV-Ärzte/VKA aufgenommen werden, wollen die Tarifparteien ebenfalls bis dahin vereinbart haben.
Sonstige Regelungen
Die durchschnittliche Höchstarbeitszeit im Opt-out (Individualvertragliche Vereinbarung zur Verlängerung der Wochenarbeitszeit bei Bereitschaftsdienst) wurde von 58 auf 56 Stunden abgesenkt. Für die Durchschnittsberechnung der wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von sechs Monaten zugrunde zu legen.
Ein Sonderkündigungsrecht für die Regelungen der Rufbereitschaft (Paragraf 10 Absatz8 und 11 Absatz3 des TV-Ärzte/VKA) wurde vereinbart. Sie sind erstmals zum 30. September 2021 kündbar.
Zudem wurde vereinbart, durch tarifvertragliche Regelungen auf Landesebene eine Öffnungsklausel für die Verlängerung der Arbeitnehmerüberlassung ab dem 1. Juli 2019 zu ermöglichen. Auf demselben Wege können ebenfalls ab 1. Juli Bestandteile des Entgeltes freiwillig einzelvertraglich auch zu anderen Zwecken als zur betrieblichen Altersvorsorge genutzt werden.
Laufzeit
Die Tarifeinigung hat eine Gesamtlaufzeit von 33 Monaten bis zum 30. September 2021.