Zu den vielen Kostendämpfungsgesetzen seinerzeit: Als durchgängiges Prinzip der Gesundheitsreformen in den Jahren zuvor bezeichnete Prof. Hoppe die Entstaatlichung der Daseinsfürsorge und Daseinsvorsorge und die Verstaatlichung der Versorgungsprozeduren. Bürokratie und die Rolle von uns Ärztinnen und Ärzten? Die sei damals klar vorgezeichnet: Vollzug staatlicher Rationierung einerseits, Entindividualisierung der Patient-Arzt-Beziehung andererseits. Zitat Prof. Hoppe: „Ärztliches Personal wird für die Fütterung der Bürokraten missbraucht.“
„Patientenversorgung wird für Ärztinnen und Ärzte immer schwieriger!“
Und schließlich äußerte Prof. Hoppe die berechtigte Sorge um die Freiberuflichkeit: „Die Freiberuflichkeit, die ärztliche Unabhängigkeit in der Therapiefindung, auf die der Patient bisher vertrauen konnte, diese Freiberuflichkeit stört offensichtlich in einem System staatlich gelenkter Gesundheitswirtschaft.“
Die Bilanz heute fällt ernüchternd aus. „Meine Damen und Herren, das ist zwölf Jahre her. Aber es ist genau das bewahrheitet sich, was Jörg-Dietrich Hoppe 2007 vorhergesagt hat: Wir werden in die Staatsmedizin geführt, wir haben die Dokumentationsflut, Zwang in eine Misstrauenskultur. Wir haben Gesundheitswirtschaft mit Ökonomisierung und Industrialisierung der Medizin, Stakeholder value, Ärztliche Unabhängigkeit – wo gibt es die denn wirklich noch?! Wir haben es kommen sehen und niemand hat wirksam gegengesteuert!“
Kammerpräsident Dr. Theodor Windhorst: „Wir wollen die Zukunft gestalten, ohne Fachaufsicht und Hineinregieren. Eigentlich ist die Freiberuflichkeit die unverzichtbare Grundlage und „Markenkern“ unserer Profession: Wir müssen in der Patientenversorgung unabhängig und eigenverantwortlich freie Entscheidungen treffen können, und zwar nach fachlich-medizinischen individuellen Gesichtspunkten, die in erster Linie das Wohl des Patienten im Blick haben. Darauf muss der Patient vertrauen können! Aber das fordert Vertraulichkeit. Arzt-Patienten-Beziehung ohne die Fremdbestimmung oder Substitution. Politik kann anders, Politik muss anders.“
„Der Angriff auf die Freiberuflichkeit, aber auch die Art und Weise, wie das aktuelle TSVG handwerklich gemacht wurde, ist für mich inakzeptabel. Qualität und Transparenz sehen anders aus!“
Allein in den letzten 144 Monaten sind auf Bundesebene 146 das Gesundheitswesen direkt betreffende Gesetze und Verordnungen erlassen worden, das macht rein rechnerisch ein Gesetz pro Monat! Im letzten Jahr seit Erfurt 15 Gesetze und Gesetzesentwürfe. „Doch hat diese ganze Gesetzesflut, ganz gleich von welcher Regierung in Gang gesetzt, etwas für unsere Patienten oder die Qualität der Patientenversorgung gebracht? Nein, nichts! Im Gegenteil, Patientenversorgung wird immer schwieriger!“
Warum bricht unser System nicht zusammen, haben alle eine Reisekrankenversicherung samt Rücktransport? Bis jetzt haben wir Ärzte in der Patientenversorgung immer nur alles gangbar gemacht, was durch gesetzgeberische Eingriffe an Flurschäden verursacht wurde: Personalmangel, Budgetierung, Kostendämpfung, Mangelverwaltung, überbordende Bürokratie und Dokumentationsflut – wir durften es immer richten! Und haben es immer wieder für die Patientenversorgung versucht. Die tragenden Pfeiler der Patientenversorgung aber, das sind nicht Gesetze und Verordnungen. Es sind die Menschen – Ärzte, Pfleger, Mitarbeiter im Rettungsdienst –, die Patienten versorgen, Tag und Nacht!
Auch der scheidende Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Frank-Ulrich Montgomery, kritisierte in seiner Rede die jüngsten Gesetze des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn. „Musste beim TSVG die Anhebung der Pflichtstundenzahl der Vertragsärzte wirklich sein oder werden nicht nur völlig inadäquate Assoziationen zu faulen, angeblich nur noch golfspielenden Ärzten konnotiert?“
Zunehmend werde der Arztberuf deprofessionalisiert, bemängelte der BÄK-Präsident. So etwa durch ein völlig überflüssiges Gesetz zur Installierung der Psychotherapeutenausbildung. „Ein grandioser Etikettenschwindel. Hier soll vielmehr die gesamte Psychotherapie aus der Medizin herausgelöst werden.“
Ferner warnte Montgomery davor, dass andere Berufsgruppen Impfen dürfen sollen. „Impfen gehört in ärztliche Hand“, betonte Montgomery, weil die Impfanamnese, körperliche Untersuchungen und Interventionsmöglichkeiten beim Zwischenfall nur ein Arzt vornehmen kann.
Auch der zunehmenden Ökonomisierung der ärztlichen Tätigkeit widmete sich Montgomery. Investoren ziehen aus dem Budget ihren Gewinn ab. „Wir brauchen konsequente Regeln, die dies verhindern.“
Kein leichtes Heimspiel war schließlich der Auftritt des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn beim 122. Deutschen Ärztetag in Münster.
Deutliche Kritik des westfälisch-lippischen Kammerpräsidenten Theo Windhorst und des BÄK-Präsidenten Frank-Ulrich Montgomery an staatlichen Eingriffen in den Arztberuf und die Selbstverwaltung begegnete der aus dem Münsterland stammende Minister jedoch ausgesprochen geschmeidig und eloquent. Er betonte, bereit zu sein, für konstruktive Gespräche. Selbst einen minutenlangen Stromausfall meisterte Spahn souverän.
Spahn betont, dass er Gestalten will: Beim Impfen und der Organspende sei es erforderlich, endlich zu Handeln, denn alleine mit Aufklärung sei die erwünschte Wirkung nicht zu erreichen. „Wir wollen Krankheiten wie Masern auf der Welt ausrotten – das scheitert aber in Deutschland. Das lässt mich nicht kalt!“ Kassierte Spahn anfänglich noch viele giftige Kommentare aus dem Plenum, wurde er am Ende doch mit einem beachtlichen Applaus verabschiedet.