In den einzelnen (!) Abteilungen sind bei rund 60 Prozent (59 %) der Befragten mindestens zwei Stellen im ärztlichen Dienst nicht besetzt. Bei fast 20 Prozent (17 %) sind sogar vier oder mehr Stellen offen. Ähnlich wie bei den Pflegekräften herrscht auch bei der Ärzteschaft massiver Personalmangel. In Niedersachsen mussten bereits Versorgungsangebote eingeschränkt werden, Betten und Stationen zeitweise schließen. Überlastete Ärztinnen und Ärzte und zu wenig Zeit für zu viele Patienten bedeutet weniger Behandlungszeit. Oberflächlicheres Behandeln bzw. Abstriche bei der Arbeitsqualität drohen. „Würden Sie sich von einem Chirurgen operieren lassen, der bereits 16 Stunden durchgearbeitet hat? Ich würde das nicht tun,“ veranschaulicht der Vize-Vorsitzende Andreas Hammerschmidt die derzeitige Realität in den Kliniken. Aus dem Berateralltag der Juristinnen und Juristen im Landesverband berichtet er: „Unsere Spitzenreiter in Sachen Überstunden sind ein Oberarzt an einer Universitätsklinik mit 2000 Überstunden und eine Oberärztin ebenfalls an einer Universitätsklinik mit 1300 Überstunden. Die Liste ließe sich erschreckend lange fortführen.“
Verschärft wird die ohnehin pikante Lage durch den Zeitaufwand für Verwaltungstätigkeiten und Organisation. Dieser ist laut dem MB-Monitor 2019 immens: Über die Hälfte der befragten Mitglieder (58 %) verbraucht hierfür mindestens 3 Stunden täglich, mehr als jeder Zehnte (13 %) 5 Stunden und mehr – Zeit, die „am Patienten“ fehlt. Über 60 Prozent (61 %) der Chefärztinnen und -ärzte sind jeden Tag vier oder mehr Stunden mit Verwaltung beschäftigt.
„Wir fordern Entlastung, beispielsweise durch Personal, das Schreibarbeiten übernimmt, und eine breit angelegte Digitalisierungsstrategie. Unsere Ärztinnen und Ärzte brauchen Zeit für ihre ärztlichen Aufgaben! Und diese Zeit darf nicht mehr von der Bürokratie verschluckt werden.“, erläutert Wollenberg. Erfolgt derzeit ausreichend Entlastung durch nichtärztliches Fachpersonal? Über 70 Prozent (71 %) sagen „nein“. Drei von vier Ärztinnen und Ärzten (72 %) wünschen sich mehr Unterstützung durch Verwaltung/Sekretariat.
Der Mensch muss vor dem Profit kommen.
„Der ökonomische Druck muss raus“, fordert Hammerschmidt. „In niedersächsischen Klinik herrscht ein Investitionsstau in Milliardenhöhe. Der Finanzdruck auf die Krankenhäuser darf jedoch nicht die Qualität der Behandlungen gefährden. Gute Medizin braucht gute Finanzierung!“
Um den laufenden Tarifgesprächen um bessere Arbeitsbedingungen für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken Nachdruck zu verleihen, ruft der Marburger Bund am 4. Februar zu einer bundesweiten Kundgebung in Hannover und einem ganztägigen Warnstreik auf. Mehr hierzu erfahren Sie auf: https://www.marburger-bund.de/bundesverband/tarifpolitik/tdl-tarifrunde-2019.
Die Gesamtauswertung „MB-Monitor 2019 für Niedersachsen“ mit sämtlichen Ergebnissen sowie ausgewählte Grafiken finden Sie auf www.marburger-bund.de/niedersachsen.
Der Marburger Bund ist der Verband aller angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte. Mit rund 125.000 Mitgliedern ist er der größte deutsche Ärzteverband mit freiwilliger Mitgliedschaft und Deutschlands einzige Ärztegewerkschaft.
- Gesamtauswertung MB-Monitor 2019 Niedersachsen(1.2 MB, PDF)