„Immer noch haben Ärztinnen oft nur die Chance, ihre Schwangerschaft zu verheimlichen, wenn sie einigermaßen normal weiterarbeiten möchten.“ Nur in ganz wenigen Kliniken liegen feste Pläne zur Gefährdungsbeurteilung vor, die schwangeren Ärztinnen, die arbeiten möchten, eine Tätigkeit ermöglichen. „Es freut uns, dass auch der Marburger Bund NRW/RP die unbefriedigende Situation benennt und Lösungen anmahnt“, sagt Groß.
„Der DÄB hat sich schon vor der Gesetzesänderung für eine frauenfreundliche Ausgestaltung eingesetzt. Nun arbeiten drei DÄB-Vertreterinnen mit im Ausschuss für Mutterschutz mit seinen drei Unterausschüssen.“ Dieses Gremium hat vom Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Aufgabe erhalten, „praxisgerechte Regeln“ zu entwickeln, „die es Arbeitgebern erleichtern, bei der Umsetzung des Mutterschutzes den jeweils aktuellen Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen.“
Allerdings hatte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) beim FidAR-Forum im September in Berlin auf die Frage der Präsidentin des Ärztinnenbundes, was getan wird, um hier zu einem schnellen Ergebnis zu kommen, nicht viel Hoffnung verbreiten können, dass sich die Situation für die Ärztinnen bald ändern wird.
Dazu sagt Groß: „Wir können nicht alleine darauf warten, dass der Ausschuss für Mutterschutz vielleicht erst in einigen Jahren endlich die Grundlagen für eine vernünftigen Umgang mit schwangeren Ärztinnen definiert. Eine ganze Generation Ärztinnen würde so benachteiligt werden. Um jetzt voranzukommen, ist es dringend nötig, Best-Practice-Beispiele von Kliniken für den Umgang mit den Gefährungsbeurteilungen für schwangere Kolleginnen zu sammeln und zu veröffentlichen. Aus ihnen lassen sich Standards ableiten, die Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen als Vorlagen dienen können.
Es gäbe inzwischen einige praktikable Ansätze. Diese sollten zeitnah berücksichtigt werden. Derzeit verschärfen zudem regionale Unterschiede in der Beurteilung, beispielsweise durch die genehmigenden Behörden, die Situation für schwangere Ärztinnen zusätzlich.“
Das 2018 novellierte neue Mutterschutzgesetz (MuSchG) hat das Ziel, die fortgesetzte Berufstätigkeit von Schwangeren in einem für Mutter und Kind geschützten Rahmen zu ermöglichen. Beschäftigungsverbote gegen den Willen der Schwangeren sollten ausdrücklich vermieden werden. Die eigentlich zum Schutz von Schwangeren und ungeborenen Leben vorgesehenen individuellen Gefährdungsbeurteilungen werde – entgegen dem eigentlichen Anliegen des Gesetzes – vielerorts in der Praxis zu einem von Arbeitgeberseite vorsorglich verhängten generellen Berufsverbot für schwangere Ärztinnen.
Der sich abzeichnende Mangel an Fachärzten erfordert spezifische Maßnahmen zur Qualifizierung auch während Schwangerschaft und Mutterschutz. Der Marburger Bund Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz fordert daher:
• Individuelle Gefährdungsbeurteilungen müssen vorliegen und unverzüglich individualisiert werden. Bei einem Dissens zwischen Arbeitgeber und Ärztin sollen sie innerhalb von 14 Tagen von der zuständigen Behörde beschieden werden.
• In diesem Zusammenhang ist festzustellen, welche Tätigkeiten – ausschließlich aus ärztlicher Sicht verantwortbar – von der schwangeren Ärztin weiterhin ausgeübt werden können und welche nicht. Die Erarbeitung eines fachspezifischen Formulars – im Sinne einer Positivliste - zur Gefährdungsbeurteilung erfordert die Einbeziehung von Ärztinnen und Ärzten mit entsprechender Expertise.
• Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen sind angehalten im Sinne von best practice Standardprozesse bei der Beurteilung vorzuhalten.
• Die Mutterschutzregelungen dürfen nicht zu Lasten der betroffenen Frauen gehen. Aufgrund des Mutterschutzgesetzes unvermeidliche Einschränkungen für die Frauen, inklusive Verzögerungen der Weiterbildung müssen – analog anderer Regelungen – wenigstens wirtschaftlich kompensiert werden.
• Wird aufgrund der Gefährdungsbeurteilung für einzelne Arbeitsfelder ein Tätigkeitsverbot für die schwangere Ärztin ausgesprochen, müssen unverzüglich alternative im Rahmen der Weiterbildung nützliche Einsatzmöglichkeiten ermittelt werde, um vermeidbare Verzögerungen bei der Weiterbildung zu vermeiden.