Seit März zweifelt kaum mehr jemand an der enormen Arbeitsbelastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gesundheitsämtern. Auch die Kolleginnen und Kollegen in den Allgemein- und Kinderarztpraxen lenken die Bevölkerung mit hohem Engagement durch die Pandemie. Aber in den Kliniken hat sich die Situation seit ein paar Wochen – unter dem Radar der Öffentlichkeit - drastisch verändert. In der aktuellen Befragung des MB Bayern gaben knapp 54 Prozent der Ärztinnen und Ärzte an, dass sie bereits die Behandlung von Patienten einschränken mussten, weil die stationären COVID-Fälle Ressourcen auf Intensiv- oder Normalstation sowie anderen Funktionsbereichen binden. Gleichzeitig verneinen ein Drittel, dass die Anzahl der als verfügbar gemeldeten Intensivbetten mit dem vorhandenen Personal auch tatsächlich betreibbar sind. „Die zügig erweiterten Kapazitäten sind ohne qualifiziertes Personal wenig hilfreich,“ erläutert MB-Landesvorsitzender, Dr. Andreas Botzlar, die Ergebnisse. „Umso erstaunlicher scheint es, dass angesichts der sich zuspitzenden Klinik-Auslastung, etwas mehr als die Hälfte der Befragten überzeugt sind, dass Ärztinnen, Ärzte und Pflege unter den aktuellen Bedingungen die nächsten vier Wochen so weiterarbeiten können“. Das sei vor allem der immer noch hohen Arbeitsmoral aller am Patienten Tätigen geschuldet. Ein gutes Viertel der Beteiligten verneint das immerhin, alle anderen konnten oder wollten das nicht beurteilen.
Das Thema Schutzausrüstung scheint auf den ersten Blick nicht mehr so prekär zu sein, beurteilen knapp 82,5 Prozent der Umfrageteilnehmer deren Verfügbarkeit als ausreichend. Die gut 12 Prozent, die widersprechen, sind allerdings für das riskante Arbeitsumfeld immer noch zu viel. In der aktuellen Notlage mag es irrelevant klingen: Fast die Hälfte der Befragten gab an, nicht ausreichend Pausen ohne Schutzausrüstung nehmen zu können. Wer allerdings schon einmal Stunden in wasser- und damit dampfdichter Kleidung mit enganliegender Schutzmaske und Gesichtsschutz arbeiten musste, wird bestätigen, dass die Belastung körperlich wie psychisch hoch ist und Arbeitsschutzregelungen nicht grundlos getroffen wurden – sie sollen die Leistungsfähigkeit und Gesundheit der Betroffenen erhalten.
Der MB Bayern fordert die Umsetzung des verkündeten Stufenplans[1] für die Krankenhausversorgung. Die Erkenntnis aus der Befragung muss lauten: Ärztinnen und Ärzte kommen gleichermaßen wie die Pflege in den bayerischen Kliniken an ihr Limit. Im Frühjahr haben alle an einem Strang gezogen, die Bereitschaft gemeinsam die Herausforderung zu meistern, hat überwiegend geeint: Arbeitgeber, Mitarbeiter und auch die Patienten. Jetzt ist der Applaus verhallt, die Kaufleute blicken sorgenvoll auf ihre Bilanzen und setzen den Fokus auf das versäumte, lukrative Elektivprogramm. COVID-Patienten werden in vielen Kliniken nur widerwillig aufgenommen, weil sie aufwendig und damit teuer sind, eine hohe Verweildauer auch auf der Intensivstation haben, und es immer noch keine Abrechnungsziffer gibt. Gleichzeitig wächst die Frustration und auch die Verunsicherung der Menschen, die täglich Patienten versorgen. Für die belasteten Krankenhäuser in Bayern muss Erleichterung geschaffen werden, da sich eine Regelversorgung im üblichen Umfang bei weiter steigenden Einweisungen von COVID-19-Patienten nicht aufrechterhalten lässt. Es müssen klare politische Signale erfolgen, planbare operative Eingriffe zurückzustellen, soweit sie nach individueller ärztlicher Beurteilung keine Dringlichkeit haben. Aus den Erfahrungen der zurückliegenden Monate lässt sich die Auslastung der Krankenhäuser einige Wochen vorher extrapolieren. Umso mehr braucht es klare Prioritäten.
Hintergrund: der Marburger Bund Bayern hat zwischen 23.-27.11.2020 in einer Ad-hoc -Online - Umfrage etwa 14.500 angestellte Ärztinnen und Ärzte zu ihrer aktuellen Arbeitssituation in der Corona-Pandemie befragt. 2.207 haben sich daran beteiligt, davon arbeiten 2.081 im Krankenhaus.
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[1] https://www.verkuendung-bayern.de/baymbl/2020-618/
Vanessa Schmidt
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