• Corona-Testzentrum in Brennpunktviertel

    „Die Verunsicherung vor Impfungen ist groß!“
    27.Juli 2021
    Hannover
    (adi). Der Kampf gegen COVID-19 beginnt für ihn vor der Haustür: MB-Mitglied Dr. Wjahat Waraich hat Ende Mai dieses Jahres als Arzt in Privatinitiative das erste und bislang einzige Corona-Testzentrum in Hannovers Brennpunkt-Stadtteil Vahrenheide eröffnet. Mit MB-Pressereferentin Anna Dierking hat er über seine Motivation, Erfahrungen und Perspektiven gesprochen.

    Mit seinem Team setzt sich Dr. Wjahat Waraich täglich dafür ein, dass sich die Menschen vor Ort testen, informieren und hoffentlich auch bald impfen lassen können. Foto: privat
    Mit seinem Team setzt sich Dr. Wjahat Waraich täglich dafür ein, dass sich die Menschen vor Ort testen, informieren und hoffentlich auch bald impfen lassen können. Foto: privat
    Herr Dr. Waraich, was hat Sie motiviert, Ihr Testzentrum zu eröffnen? Warum haben Sie als Standort Vahrenheide, einen der Brennpunkt-Stadtteile Hannovers, gewählt?

    Ende Mai habe ich in einem sozialen Brennpunkt, im hannoverschen Vahrenheide, das erste und bislang einzige Test-, Aufklärungs- und Impfzentrum gegen SARS-CoV-2 vor Ort gegründet. Ich bin hier aufgewachsen und lebe noch heute in diesem Stadtteil. Hier leben viele arme und sozial benachteiligte Menschen. In der Vergangenheit hatte sich kein Betreiber darum bemüht, hier eine Testmöglichkeit zu schaffen – besser situierte Stadtteile sind für viele Anbieter schlichtweg attraktiver. Allerdings war und ist die soziale und gesellschaftliche Teilhabe oftmals von einem negativen Test abhängig. Für die Menschen war beziehungsweise ist es oftmals schwierig oder nicht zu bewältigen, in andere Stadtteile zu fahren, um sich testen zu lassen, um dann erst einen Verwandten im Pflegeheim oder Krankenhaus zu besuchen. Teils scheitern sie durch sprachliche Barrieren auch schon beim Anmeldeprocedere. Ich fühle mich diesem Stadtteil und den Menschen hier verbunden.

    Die Wissenschaft hat uns längst gezeigt, dass sozial benachteiligte Menschen nicht nur öfters an chronischen Erkrankungen leiden, sondern insbesondere das Coronavirus in dieser Bevölkerungsgruppe besonders stark und virulent grassiert. Genau deshalb möchte ich den Menschen hier vor Ort eine niedrigschwellige Möglichkeit bieten, sich testen, informieren und hoffentlich auch bald impfen zu lassen.

    Wie sind Ihre Eindrücke und die Rückmeldungen der Menschen, die zu Ihnen kommen?

    Seit der Eröffnung habe ich als Arzt mehrere hundert Gespräche geführt und dabei immer wieder festgestellt, dass die Menschen gerade in solchen Quartieren oftmals in ihren „sozialen Blasen“ leben. Bislang wurde und wird immer noch viel zu wenig getan, um die hier lebende Bevölkerung zu erreichen. Viele sind daher falsch informiert, besorgt und verängstigt.  Die Verunsicherung vor Impfungen ist groß! Viele Menschen glauben, dass die Impfungen steril machen, gefährlich seien oder dass die Impfstoffe aus dem Heimatland, beispielsweise Sputnik, den mRNA-Impfstoffen überlegen seien. Die allgemeine Impfkampagne läuft an ihnen vorbei.

    Wir erhalten viele positive Rückmeldungen und die Menschen sind sehr dankbar für unser Engagement. 

    Welches Fazit ziehen Sie nach den ersten Wochen?

    Mein Team und ich ziehen ein sehr positives Fazit. Ich habe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Stadtteil eingestellt, die die verschiedenen Sprachen sprechen. Wir nutzen die Wartezeit bis zum Testergebnis für Gespräche und Informationen über das Impfen und konnten hier schon einiges erreichen. Ich stehe regelmäßig als Arzt zur Verfügung und sehe dabei, wie wichtig diese Information und Aufklärung sind – es ist entscheidend, diese Menschen vor der eigenen Haustür „abzuholen“.

    Welche Pläne und Perspektiven haben Sie für Ihr Testzentrum?

    Mein Konzept ist keineswegs auf das Testen alleine ausgelegt.  Es ist vielmehr der Dreiklang Testung - Aufklärung - Impfung, der gerade für soziale Brennpunkte immens wichtig ist. Mein Ziel ist neben Testen und Aufklären auch das Impfen. Es gilt, bis zum Herbst möglichst viele Menschen von der Impfung zu überzeugen. Das Zeitfenster ist jetzt günstig! Dafür ist vor allem das Vertrauen sehr wichtig, denn nur wenn Menschen Vertrauen in ein Vakzin und eine medizinische Maßnahme haben, lassen sie sich auch impfen! Natürlich sind wir auf Impfstoff angewiesen, aber wir sind bereit: Sobald uns der Impfstoff zur Verfügung steht, starten wir auch vor Ort in Vahrenheide mit den Impfungen!

    Herr Dr. Waraich, vielen Dank für das Gespräch und bleiben Sie gesund!