- Kandidatin für die Kammerwahl 2023
Warum haben Sie diesen Beruf ergriffen?
Ich war schon im Kindergarten sicher: Ich werde Ärztin! Keiner in meiner Familie ist Arzt. Aus Gründen, die mir nicht klar sind, wusste ich es einfach: das ist mein Beruf.
Hat sich Ihre Vorstellung vom Arzt-Beruf erfüllt?
Definitiv ja. Wenn auch das romantisch-gemütliche Arztbild aus der Schwarzwaldklinik weit entfernt von unserem Alltag ist, so bleibt bei mir jeden Abend trotz aller Widrigkeiten und bürokratischer Anforderungen das Gefühl zurück, dass ich Menschen – Patienten wie Mitarbeitende – ein Stück ihres Weges begleiten kann.
Für was sind Sie als Ärztin dankbar?
Ich bin dankbar, dass ich aktive Entscheidungen treffen und damit häufig etwas bewegen kann. Ich empfinde es als stabilisierend, dass ich lösungsorientiert arbeiten kann und durch Verantwortung-Übernehmen mich nicht in eine Opferrolle gedrängt sehe, was in der aktuellen „Krisenkumulation“ schnell geschehen könnte. Es ist ein Geschenk, dass sich mir Menschen anvertrauen.
Ihr Aha-Erlebnis als Ärztin?
Ich stand im PJ neben meinem Oberarzt auf der Intensivstation, als er unvermittelt zu mir sagte: „Jetzt lernst du was fürs Leben.“ Dabei beobachtete er seelenruhig, wie ein junger Assistenzarzt panisch-aktionistisch auf einen Asystolie-Alarm reagierte. Er hielt den Assistenzarzt vom Reanimieren ab und fragte ihn stattdessen scheinbar Unpassendes („Trinkt der Patient viel Kaffee?“). Der Arzt deutete immer wieder auf die Nulllinie am Monitor, während er gleichzeitig mit dem Patienten sprach. Nach gefühlt endlosen Sekunden deutete der Oberarzt dann stoisch auf das Bett daneben, wo bereits Kollegen hinter einer Trennwand reanimierten. Der Assistenzarzt hatte Monitor und Patient falsch zugeordnet! Dieses Ereignis war für mich prägend. Ich habe nie wieder vergessen, dass der Zustand des Patienten/der Patientin Beachtung finden sollte.
Was muss sich für Ärztinnen und Ärzte dringend ändern?
Es muss endlich wieder Zeit und Wertschätzung für sprechende, zuhörende, empathisch-zugewandte und klinische Medizin eingeplant werden, die wir den jungen Kolleginnen und Kollegen vermitteln können. Zu häufig geraten wir durch die gegebenen Rahmenbedingungen in einen Strudel aus Bürokratie, Apparatemedizin und Fließbandarbeit, die auch eine gute Weiterbildung behindert.
Was haben Sie am Ende Ihres letzten Nachtdienstes gedacht?
Ein Königreich für einen Cappuccino.
Warum engagieren Sie sich im MB?
Weil ich es wichtig finde, dass man über Missstände nicht im Klagen verharrt. Mir macht es Freude, Netzwerke zu knüpfen und zu versuchen, auf Basis solider Informationen, Verbesserungen anzustoßen, was im Kleinen – und manchmal auch im Großen – erstaunlich oft funktioniert, auch wenn man anfangs dachte, dass man „nie“ etwas an der Situation ändern kann.
Über was haben Sie als letztes während Ihrer Arbeitszeit schmunzeln müssen?
Ich schmunzele immer wieder bewusst unter meiner FFP2-Maske. Davon bekomme ich automatisch bessere Laune und ein positiveres Erleben. Es entspannt mich einfach. Und das wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass in der Folge „echte“ Ereignisse auftreten, die mich zum Schmunzeln bringen.