• Systematische Befristung ärztlicher Stellen verschärft Ärztemangel

    Pressemitteilung
    MB fordert Verdoppelung unbefristeter Arbeitsverträge von 20 % auf 40 % an Universitätskliniken
    23.September 2021
    Mitgliederbefragung des Marburger Bundes: Mehr als die Hälfte der ÄrztInnen an den Universitätskliniken in Baden-Württemberg, die aktuell oder in den vergangenen zehn Jahren befristet angestellt sind bzw. waren, haben bereits in Erwägung gezogen, sich aufgrund dieser Befristung eine andere Arbeitsstelle zu suchen. 11 % dieser ÄrztInnen haben sogar bereits darüber nachgedacht, die ärztliche Tätigkeit wegen der Befristung ihrer Arbeitsverträge ganz aufzugeben. Im Berufsalltag führt die Befristungspraxis zu vielfältigen Problemen für die ÄrztInnen, die sich auch negativ auf die PatientInnen auswirken können. Gerade in Zeiten des Ärztemangels kann sich unser Gesundheitssystem diese systematische Befristung von ärztlichen Stellen in den Kliniken nicht mehr leisten! Der Marburger Bund fordert deshalb einen Stufenplan zur Entfristung angestellter ÄrztInnen – im ersten Schritt eine Verdoppelung des Anteils unbefristeter Verträge an Universitätskliniken von bisher 20 % auf 40 %.

    „Befristete Arbeitsverträge sollten die Ausnahme und nicht die Regel sein. Doch über 80 % der ÄrztInnen an den Universitätskliniken in Baden-Württemberg sind aktuell befristet angestellt. Diese Zahlen aus unserer Mitgliederbefragung von Anfang des Jahres 2021 sind schockierend. Insbesondere wenn man bedenkt, dass im pflegerischen Bereich an den Universitätskliniken nur um die 3 % der Arbeitsverträge befristet sind. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer könnte in einem ersten Schritt, mit einer einzigen Unterschrift, die Zahl der unbefristet angestellten ÄrztInnen an den Universitätskliniken von 20 auf 40 % verdoppeln. Wir fordern Frau Bauer auf, hier endlich aktiv zu werden. Seit Jahren wird uns zugesagt, dass die Befristungsquote gesenkt wird, doch nichts geschieht. Dies werden wir nicht länger hinnehmen!“, so Sylvia Ottmüller die 1. Landesvorsitzende des Marburger Bundes Baden-Württemberg.

    90 % der aktuell oder in den vergangenen 10 Jahren befristet angestellten Befragten sagen, dass es ihnen wichtig wäre einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu bekommen. 58,5 % der ÄrztInnen an Universitätskliniken, die aktuell oder in den letzten 10 Jahren einen befristetem Arbeitsvertrag hatten, fühlen sich daran gehindert, Probleme am Arbeitsplatz offen anzusprechen. In erster Linie wirken Befristungen als Hemmschwelle, wenn es darum geht arbeitsrechtliche Fragen, wie z. B. Arbeitszeiten, Überstunden oder fehlende Pausen zu thematisieren und persönliche Probleme, wie z. B. die Work-Life-Balance oder die Kinderbetreuung anzusprechen.  Aber auch bei organisatorischen Fragen, wie z. B. zu Abläufen im OP, bei fachlichen Fragen, wie z. B. der Wahl der Diagnostik, und ethischen Fragen, wie z. B. bei der Entlassung von PatientInnen, wirken Befristungen als Hindernis offen zu kommunizieren.

    „Dass ÄrztInnen regelmäßig viel zu viel arbeiten und dadurch die Patientensicherheit gefährdet werden kann, ist hinlänglich bekannt. Ein Arzt an einer Universitätsklinik, der einen Arbeitsvertrag mit einer Laufzeit von einem Jahr hat, wird sich nicht gegen die schlechten Arbeitsbedingungen wehren, weil er weiß, dass sein Arbeitsvertrag dann unter Umständen nicht verlängert wird. Wenn fast 60 % der KollegInnen an Universitätskliniken, die aktuell oder in den letzten 10 Jahren einen befristetem Arbeitsvertrag hatten, sich daran gehindert fühlen, Probleme am Arbeitsplatz offen anzusprechen, dann bedeutet dies, dass befristete Arbeitsverträge eine effektive Fehlerkultur verhindern. Deshalb müssen, auch zum Wohle der PatientInnen, diese Abhängigkeitsverhältnisse endlich aufgebrochen werden“, so Dr. Jörg Woll, 2. Landesvorsitzender des Marburger Bundes Baden-Württemberg.

    Ganz grundsätzlich ist es nach Ansicht des Ärzteverbandes nicht mehr zeitgemäß, derart häufig Arbeitsverträge zu befristen.

    „Das unbefristete Arbeitsverhältnis ist die Regel. Von einer Befristung sollte nur in begründeten Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden. Wir lehnen die systematische Befristung vehement ab. Das Land nimmt für jeden Medizinstudienplatz mehr als 100.000 € in die Hand, um MedizinerInnen auszubilden. Wenn diese dann dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, werden Sie durch schlechte Arbeitsbedingungen und durch systematische Befristungen in den Kliniken vor den Kopf gestoßen. Viele überlegen dann sogar den Arztberuf aufzugeben oder hängen ihre ärztliche Tätigkeit tatsächlich an den Nagel. Die Entfristung von Arbeitsverträgen kostet das Land keinen einzigen Euro! Wir fordern in unserem Stufenplan, dass sich hier endlich etwas tut“, so Dr. Jörg Woll abschließend.

    Im Stufenplan des Ärzteverbandes wird im ersten Schritt für die Universitätskliniken die Verdoppelung der unbefristeten ärztlichen Arbeitsverträge von 20 % auf 40 % gefordert. Im zweiten Schritt fordert der Ärzteverband für alle Krankenhäuser im Land, ÄrztInnen die ihre Facharztweiterbildung abgeschlossen haben, unbefristet zu beschäftigen. In einem dritten Schritt fordert der Verband langfristig, alle ärztlichen Arbeitsverträge zu entfristen.

    Um seinen Forderungen Gewicht zu verleihen, plant der Marburger Bund Baden-Württemberg im November dieses Jahres zeitgleiche Protestaktionen an den Universitätskliniken im Land. Ebenfalls ist eine zentrale Kundgebung in Stuttgart im nächsten Jahr in Planung. 

     

    Daten zur Mitgliederumfrage:

    Vom 21. Januar bis 11. Februar 2021 haben 2.653 ÄrztInnen, die Mitglied im Marburger Bund Baden-Württemberg sind, an der Mitgliederbefragung teilgenommen. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 20,7%. Die Ergebnisse liefern ein belastbares Abbild der beruflichen Situation der Mitglieder des Marburger Bundes Baden-Württemberg und der Gesamtheit der Krankenhaus-ÄrztInnen im Land.

     

    Für Rückfragen stehen zur Verfügung:

    Michael Beck, Leiter Kommunikation und Politik | Pressesprecher
    michael.beck@marburger-bund-bw.de, Tel: 07021-92390 o. 0177-8162699

    Katherina Georg, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    katherina.georg@marburger-bund-bw.de, Tel: 07021-92390

     

    Den Ergebnisbericht zur Umfrage können Sie gerne bei katherina.georg@marburger-bund-bw.de anfordern.