• Rechte erleichtern die konkrete Arbeit

    Ehrenamt, Arbeitsbefreiung, Freistellung, Freizeitausgleich, Schulungs- und Bildungsanspruch und mehr

    Von Frieder Schmitt

    Im ersten Teil der Fachbeitragsserie zur Tätigkeit als Betriebsrat wurden die allgemeinen Voraussetzungen für eine Betriebsratswahl erläutert. Im Folgenden geht es um die Rechte als Betriebsrat.

    Die Tätigkeit als Betriebsrat ist ehrenamtlich (§37 Abs.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)). Hierdurch soll die äußere und innere Unabhängigkeit des einzelnen Mitglieds des Betriebsrats erreicht werden, um eine ordnungsgemäße und sachdien­liche Arbeit zu gewährleisten. Der Betriebsrat ist nicht Vertreter kraft seines Amtes, sondern Repräsentant der Belegschaft. Die Amtstätigkeit wird hinsichtlich der Vergütung und der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung der arbeitsvertraglich zu leistenden Arbeit gleichgestellt. Aus seiner Tätigkeit darf der Betriebsrat keine Vorteile, aber auch keine Nachteile haben. Nach dem Lohnausfallprinzip wird das vereinbarte Arbeitsentgelt gezahlt, sonstige Zuwendungen wegen der Betriebsratsarbeit, wie die Zahlung von Sitzungsgeldern, sind unzulässig. Auf der anderen Seite dürfen die Arbeitnehmervertreter wegen ihrer Tätigkeit auch nicht benachteiligt werden, sodass Ärztinnen und Ärzte nach der Rechtsprechung einen Anspruch auf Poolzahlung haben, auch wenn sie ärztlich nicht mehr tätig sind.

    Zur Erfüllung der vorrangigen Betriebsratstätigkeit aus konkretem Anlass sind Mitglieder des Betriebsrats von der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeit freizustellen. Hierbei unterscheidet man zwischen einer vorübergehenden Befreiung (§37 Abs. 2 BetrVG) und der völligen Freistellung (§38 BetrVG). Ein Rechtsanspruch auf eine vorübergehende Arbeitsbefreiung besteht immer dann, wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben als Betriebsrat „erforderlich“ ist, beispielsweise für Sitzungen der Arbeitnehmervertretung und ihrer Ausschüsse sowie zur Abhaltung von Sprechstunden. Zur Erfüllung dieser Aufgaben ist der Betriebsrat berechtigt, sich selbstständig vom Arbeitsplatz nach Benachrichtigung des Vorgesetzten unter Angabe von Ort und Zeit zu entfernen. Weitere Angaben muss der einzelne Betriebsrat nicht machen. Die Zustimmung des Vorgesetzten ist nicht erforderlich. Störungen des Arbeitsablaufs sind vom Arbeitgeber durch geeignete Maßnahmen auszugleichen.

    TIPP: Da in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten bei der Arbeitsbefreiung entstehen, empfehlen wir, das Abmeldeverfahren per Betriebsvereinbarung mit dem Arbeitgeber zu regeln

    Die vollständige Freistellung von der Arbeitsleistung stellt einen Unterfall der Arbeits­befreiung dar (§38 BetrVG). Im Unterschied zur Arbeitsbefreiung aus konkretem Anlass wird der Betriebsrat vollständig von der Arbeitsleistung freigestellt. Er unterliegt damit nicht mehr dem Direktionsrecht (Weisungsrecht) des Arbeitgebers. Grundsätzlich ist er aber verpflichtet, die betrieb­liche Arbeitszeit einzuhalten. Eine vollständige Freistellung ist nur ab einer Betriebsgröße von 200 Arbeitnehmern möglich. Betriebsräte, die sich nicht vollständig von der Arbeit befreien lassen wollen, haben auch die Möglichkeit der Teilfreistellung.

    Nach Beratung mit dem Arbeitgeber bestimmt der Betriebsrat in geheimer Wahl, wer freizustellen ist. Streitigkeiten bei der Freistellung werden im Betriebsverfassungsgesetz über das Einigungsstellenverfahren beziehungsweise vor dem Arbeitsgericht im Beschlussverfahren geregelt.

    In der Regel erfolgt die Betriebsratsarbeit während der Arbeitszeit (§37 Abs. 3 BetrVG). Ein Freizeitausgleich kommt daher nur in Betracht, wenn die Arbeit aus „betriebsbedingten Gründen“ außerhalb der Arbeitszeit erforderlich war und der Arbeitgeber zuvor über die Gründe informiert wurde. Derartige Gründe ergeben sich aus der Eigenart des Betriebs. Nach der im Gesetz enthaltenen Definition (§37 Abs. 3 Satz 2 BetrVG) liegen „betriebsbedingte Gründe“ auch vor, wenn die Betriebsrats­tätigkeit wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder nicht innerhalb der persönlichen Arbeitszeit erfolgen kann. Wenn die Voraussetzungen gegeben sind, erfolgt der Freizeitausgleich in dem Umfang, wie Freizeit aufgewandt wurde. Freizeitausgleich ist vor Ablauf eines Monats zu gewähren. Die Festsetzung des Freizeitausgleichs erfolgt durch den Arbeitgeber im Rahmen des ihm obliegenden Direktionsrechts (§106 Gewerbeordnung). Ist ein Freizeitausgleich nicht möglich, besteht Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung.

    Um ihre Aufgaben als Betriebsrat ordnungsgemäß erfüllen zu können, müssen Betriebsratsmitglieder über entsprechende Grundkenntnisse verfügen. Durch die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen sollen sie auf ihre Aufgaben vorbereitet werden. Man unterscheidet zwischen den „erforderlichen“ (§37 Abs. 6 BetrVG) und den „geeigneten“ Schulungs- und Bildungsveranstaltungen (§37 Abs. 7 BetrVG).

    Im ersten Fall handelt es sich um eine kollektive Regelung. Das heißt, die Vermittlung dieser Kenntnisse gehört zum „allgemeinen“ Aufgabenbereich des Betriebsrats und betrifft damit unmittelbar die Tätigkeit.

    Dagegen handelt es sich im zweiten Fall um einen individualrechtlichen Anspruch des einzelnen Mitglieds, da diese Schulungs- und Bildungsveranstaltung lediglich intensivierende und vertiefende Spezialkenntnisse vermittelt.

    Erforderliche Schulungs- und Bildungsveranstaltungen: „Erforderliche“ Schulungs- und Bildungsveranstaltungen liegen nach der Rechtsprechung vor, wenn unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb und im Betriebsrat die Vermittlung dieser Kenntnisse notwendig ist, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft entstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann. An welcher Schulungsveranstaltung das Mitglied teilnimmt, wird vom Gremium unter Berücksichtigung der Erforderlichkeit festgelegt.

    Beispiele einer erforderlichen Schulungs- und Bildungsveranstaltung sind die Durchführung eines Einführungskurses in das BetrVG oder im Arbeitsrecht für neu gewählte Betriebsratsmitglieder sowie die Information zum Inkrafttreten neuer Gesetze, Tarifverträge oder neuer Rechtsprechung, sofern dies die konkreten Verhältnisse bedingen.

    Die zeitliche Dauer der Maßnahme richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Sie muss „erforderlich“ und „verhältnismäßig“ sein. So hält die Rechtsprechung eine fünf- bzw. sechstägige Schulung über das BetrVG durchaus noch für „erforderlich“. Für den Vorsitzenden des Betriebsrats wurde sogar eine 14-tägige Schulung akzeptiert.

    Wer und wie viele Mitglieder des Betriebsrats an der Schulungsmaßnahme teilnehmen, entscheidet der Betriebsrat in eigener Zuständigkeit. Da die Kosten für diese Maßnahme vom Arbeitgeber zu tragen sind, muss im Protokoll unbedingt darauf geachtet werden, dass die Formalien der Beschlussfassung (Entsendebeschluss!) eingehalten werden. Erfolgt die Teilnahme aufgrund eines fehlerhaften Entsendebeschlusses, kann der Arbeitgeber die Übernahme der Kosten verweigern!

    Geeignete Schulungs- und Bildungsveranstaltungen: Im Gegensatz zur „erforderlichen“ Schulungsmaßnahme kommt es hier nicht darauf an, dass die vermittelten Kenntnisse für die konkrete Arbeit im einzelnen Betrieb benötigt werden. Die vermittelten Kenntnisse müssen – allgemein gesehen – lediglich im Zusammenhang mit der Betriebsratsarbeit stehen und dieser im weiteren Sinne dienlich und förderlich sein.

    Von der Rechtsprechung wurden deshalb Schulungen über Arbeitsschutz, betriebswirtschaftliche Fragen sowie Diskussions- und Verhandlungstechnik als „geeignete“ Maßnahmen anerkannt. Geeignete Veranstaltungen müssen von der obersten Arbeitsbehörde des Landes, in dem der Träger der Veranstaltung seinen Sitz hat, anerkannt worden sein, damit die Kosten dem Arbeitgeber in Rechnung gestellt werden können.

    Einigungsstellenverfahren/Beschlussverfahren: Für den Fall, dass der Arbeitgeber die betrieblichen Notwendigkeiten einer Schulungsmaßnahme nach §37 Abs. 6 BetrVG für nicht ausreichend berücksichtigt hält oder die Erforderlichkeit der Schulung verneint, ist ein Einigungsstellenverfahren bzw. ein Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht durchzuführen.

    Im nächsten MBZ-Fachbeitrag geht es um die wichtige Frage des Kündigungsschutzes von Betriebsratsmitgliedern.

     

    Zum Autor: Frieder Schmitt ist stellvertretender Geschäftsführer des MB-Landesverbandes Baden-Württemberg und dort Ansprechpartner zum Thema Mitarbeitervertretung.