Im deutschen Gesundheitssystem sind die Länder für eine auskömmliche Investitionsfinanzierung der Krankenhäuser verantwortlich. Nach der Landtagswahl am 15. Mai 2022 müsse die nächste Landesregierung deshalb einen Fahrplan vorlegen, wie sie dieser gesetzlichen Pflicht nachkommen werde, betonte Morell. „Ohne eine ausreichende Finanzierung mündet diese Entwicklung in einen riskanten Qualitätsverlust der Daseinsvorsorge.“
Die jetzige Landesregierung hat die Fördermittel in dieser Legislaturperiode zwar bereits erhöht – mit einer Sonderzahlung 2017 und jährlichen Etatsteigerungen. Doch liegt der Bedarf weit darüber, wie die Wissenschaftler des RWI um Professor Boris Augurzky nachgewiesen haben: Selbst wenn das Land nur den Substanzerhalt finanzieren würde, läge der jährliche Förderbedarf der NRW-Krankenhäuser bei 1,27 Milliarden Euro pro Jahr (Ist-Ansatz).
Der Substanzabbau ist aber wegen unzureichender Fördermittel bereits in den vergangenen Jahren fortgeschritten, sodass die Substanz der Krankenhäuser heute besser sein müsste, als sie es tatsächlich ist. Daran gemessen liegt der eigentliche Investitionsbedarf bei 1,85 Milliarden Euro jährlich (Soll-Ansatz). Diese Mittel benötigen die Kliniken, um die von ihnen erwartete permanente Modernisierung ihres Sachanlagevermögens (Grundstücke, Gebäude, Anlagen) sicherzustellen. Die aktuelle Baupreissteigerung von enormen 14 Prozent verschärft diesen Bedarf.
„Wir können es uns nicht leisten, die Krankenhäuser weiter zu schwächen.“
KGNW-Präsident Ingo Morell erkannte an, dass die Landesregierung – und auch der Bund – in der Corona-Pandemie beträchtliche Mittel für Investitionen in die Pandemiebekämpfung und die Digitalisierung bereitgestellt haben. Auch die 2017 einmalig gewährten Fördermittel von 250 Millionen Euro seien ein guter Impuls gewesen.
„Die Krankenhäuser sind für diese Unterstützung absolut dankbar. Doch fehlt es an einer nachhaltigen Finanzierung, damit die Rahmenbedingungen für die bestmögliche Versorgung der Patientinnen und Patienten geschaffen werden können“, sagte Morell. Corona habe viele Krankenhäuser wirtschaftlich schwer getroffen und nicht jeder Verlust werde ausgeglichen. „Wir können es uns schlicht nicht leisten, die Krankenhäuser als Rückgrat der Gesundheitsversorgung weiter zu schwächen.“
Das RWI und die hcb haben für die NRW-Kliniken einen kumulierten Investitionsstau von inzwischen 13,8 Milliarden Euro errechnet. Die jährlichen Investitionsfördermittel des Landes sind demnach bezogen auf die Erlöse der Krankenhäuser von vier Prozent im Jahr 2007 auf 2,8 Prozent im Jahr 2019 gesunken.
Allerdings gelingt es zunehmend weniger Krankenhäusern, mit Investitionen aus Eigenmitteln den Substanzverlust aufzuhalten, wie das Gutachten aufzeigt: Nur ein Drittel (35 Prozent) war dazu noch in der Lage. Demgegenüber verfügten zwei Drittel höchstens über schwache (24 Prozent) oder gar keine (41 Prozent) Ressourcen für Investitionen.
„Eigentlich müssten Krankenhäuser sieben bis acht Prozent ihrer Erlöse in den Erhalt des vorhandenen Sachanlagevermögens investieren können, 2019 waren es aber höchstens fünf Prozent“, beschrieb Professor Augurzky die Lage. Die fehlenden Investitionsmittel drückten weiter auf die Bilanzen der Krankenhäuser, deren Sachanlagevermögen 2019 einen neuen Tiefpunkt erreichte.
Ohne Veränderung verschlechtert sich nach Berechnung des RWI das Jahresergebnis eines nordrhein-westfälischen Krankenhauses von 2019 bis 2032 um zwei Prozentpunkte auf minus 1,2 Prozent. Professor Augurzky betonte: „Wenn die Förderlücke geschlossen wird, erreicht die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser dagegen ein tragfähiges Niveau. Geschieht dies nicht, wächst der Investitionsstau weiter an, und der schleichende Substanzverzehr der Krankenhäuser setzt sich fort.“
Ohne zusätzliche Investitionsmittel für Krankenhausplanung droht Abwärtsspirale
Vor dem Hintergrund des aktualisierten Investitionsbarometers NRW forderte KGNW-Präsident Ingo Morell die Landesregierung auf, zusätzlich auch die laufende Krankenhausplanung schnellstens mit den notwendigen finanziellen Mitteln zu unterfüttern. Die KGNW habe stets betont, dass dieses Geld losgelöst vom Investitionsbedarf zu sehen ist: „Wir benötigen dringend die konkrete Finanzierung beispielsweise durch einen Landesstrukturfonds, sonst droht uns eine unkontrollierte Abwärtsspirale für die Krankenhäuser. Das Ziel der mühsam ausgearbeiteten Planungssystematik, eine bessere stationäre und ambulante Versorgung der Patientinnen und Patienten in den Kliniken zu erreichen, würde ins Gegenteil verkehrt.“
Die KGNW geht davon aus, dass ein solcher Landesstrukturfonds für die Krankenhausplanung in den kommenden fünf Jahren mindestens zwei Milliarden Euro umfassen muss. Abhängig vom Grad der Umsetzung müssten damit 200 bis 400 Millionen Euro jährlich in der kommenden Legislaturperiode zur Verfügung stehen.