Denkt man an Digitalisierung, denkt man zunächst an das eRezept. Es war für Anfang 2022 angekündigt, musste aber wenige Tage vor Weihnachten gestoppt werden. Es waren nur 47 Testrezepte in einem halben Jahr produktiv getestet worden. Eine winzige Zahl im Vergleich zu den etwa 1,4 Millionen Rezepten auf Papier pro Werktag und den 20 europäischen Ländern, die bereits das eRezept im Einsatz haben. Gefühlt diskutiert Deutschland das eRezept seit über zehn Jahren. Da scheint der Wurm drin zu sein in Deutschland. Ein digitales Rezept wäre sinnvoll.
Die Pandemie hat bezüglich der Digitalisierung klar Stärken und Schwächen aufgezeigt. Vielmals hat sie auch Innovationen befördert. Nach der Arbeit noch schnell zu einer internationalen Fortbildung zur atopischen Dermatitis? Kein Problem, live auf meinem Computer diskutiere ich mit Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt. Wer kommt noch auf die Idee, für eine zweistündige Sitzung in den Flieger zu steigen und ganz ehrlich, so mancher Arzttermin lässt sich wunderbar online machen. Aber dazu brauchen wir fast immer: Sichere digitale Technologien!
Deutschland darf nicht zum England der 70-er Jahre werden. Damals fuhren Heizer, also Menschen die Kohle geschaufelt haben, auf eLoks mit. Die technischen Veränderungen hatten die Gesellschaft seinerzeit im Königreich überholt.
Und heute? Cloud Computing, die Datenwolke, hat gegenüber traditionellen Rechenzentren viele Vorteile. Spezielle Dienste werden Geräte- und oft ortsunabhängig mit wenig Aufwand verfügbar gemacht. Die einzelnen Cloudstandorte sind so vernetzt, dass die Daten selbst zur Rushhour nicht im Datenstau stecken bleiben. Die Dienste sind „elastisch“, bei Bedarf wird mehr Bandbreite, Speicherplatz und Rechenleistung hinzugefügt. Wir vermissen hierzulande eine einheitliche, praktikable Lösung für alle Anwender.
Apropos Anwendung: Die gesundheitlichen Daten müssen geschützt werden. Für etablierte Anbieter aus den USA gilt aber der „Cloud Act“. Er verpflichte US-Unternehmen auch im Ausland gespeicherte Daten amerikanischen Behörden herauszugeben. Andere große Länder, etwa China, haben ähnliche Gesetze. Statt endlos zu diskutieren, sollten wir bessere Alternativen aufbauen.
Hier ist natürlich Datenschutz unverzichtbar, aber, dieser muss auch klare Grenzen haben. Wenn ich erst dreifache oder vierfache digitale Schlüssel eingeben muss, um mich digital zu vernetzen, sind die Grenzen der Akzeptanz überschritten. Digitalisierung muss praktikabel sein.
Wir müssen den Vorteil erleben, dass eine digitalisierte medizinische Behandlung dem Arzt und dem Patienten nützt. Digitalisierung muss auch ein individuelles Verhältnis zwischen Arzt und Patienten sicherstellen. Beide müssen die Vorteile sehen, sonst hat Digitalisierung ein Akzeptanzproblem.
Zu oft wird bisher Big Data vorgezogen. Datensammeln, damit andere sie kommerziell auswerten, das verändert zu wenig in unseren täglichen Patientenkontakten und deren Behandlungen. Wo liegt da unser Nutzen? Digitalisierung muss schlicht praktikabel, dabei ebenso sicher wie einfach handhabbar werden. Ein Blick sollte genügen, um der gewünschten Sicherheit des genutzten Systems vertrauen zu können.
Wie ist die Realität? Wir sehen nicht nur im ÖGD, dass noch immer das betagte FAX genutzt wird. Alternative Systeme, bei denen acht Mal geklickt werden muss, nur um anderen mitzuteilen, dass wieder ein Bürger positiv getestet wurde, das ist viel zu umständlich. Wie lange wird es das unverschlüsselte Telefax in der deutschen Medizin geben? Es läuft auf denselben Leitungen wie E-Mails. Aber eine Übermittlung per Fax ist eben auch nicht sicherer als eine ungesicherte Übermittlung per E-Mail. Es gibt also genug zu tun.