Eine ausdrückliche Zustimmung zur Organspende sei die rechtlichen Voraussetzung, damit bei einem Verstorbenen Organe entnommen werden dürften. In den meisten Fällen seien es jedoch die Angehörigen, die darüber entscheiden, entweder nach dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen oder nach ihren eigenen Wertvorstellungen. Im Jahr 2021 basierte die Entscheidung zur Organspende nur zu 17 Prozent auf einer schriftlichen Willensbekundung des Verstorbenen.
„In Deutschland gilt seit 2012 die Entscheidungslösung, nach der ohne Zustimmung der betreffenden Person zu Lebzeiten eine Organentnahme nicht zulässig ist. Es ist es wert und an der Zeit, weiterhin für die sogenannte Widerspruchslösung zu werben. Wären Organentnahmen grundsätzlich immer möglich, es sei denn Patientinnen und Patienten widersprechen ausdrücklich der Spende, so hätten mehr Menschen die Chance, auch tatsächlich ein lebensnotwendiges Organ zu erhalten. Bis dahin werben wir eindringlich, sich für die Organspende zu entscheiden. Organe spenden rettet Leben“, so der Minister.
„Die Entscheidung zur Organspende ist eine sehr wichtige, die nicht nur am 4. Juni die Aufmerksamkeit in unserer Gesellschaft verdient“, betont Dr. med. Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO). Wir haben in Deutschland eine erfolgreiche Transplantationsmedizin und dennoch sterben an jedem Tag Patienten, denen mit einer Transplantation hätte geholfen werden können. Daher zählt jedes einzelne Organ und kann Leben retten. Jede Niere, Leber, Lunge, Bauchspeicheldrüse und jedes Herz kann für einen Menschen auf der Warteliste eine Entscheidung über Leben und Tod bedeuten“, erklärt Rahmel.
Es waren die Patientenverbände, die bereits vor 39 Jahren den Tag der Organspende ins Leben gerufen haben, um ihren Spenderinnen und Spendern zu danken. Gerd Böckmann, Vorsitzender der Lebertransplantierten Deutschland e.V., lebt selbst seit sieben Jahren mit einem Spenderorgan. „Der Tag ist für uns eine Herzensangelegenheit. Wir möchten Organspendern und ihren Angehörigen unseren Dank und unsere Anerkennung für ihr Ja zur Organspende zum Ausdruck zu bringen.
Vor allem die Aktion „Geschenkte Lebensjahre“ zeigt sehr eindrücklich und lebensnah, welch großes Glück ein Spenderorgan für einen Menschen bedeuten kann. Für mich sind es sieben geschenkte Lebensjahre, aber auch für meine drei Kinder, für meine Frau und letztendlich für alle Menschen, an deren Leben ich Anteil habe. Ohne „meinen Organspender“ und die rettende Transplantation wäre ich heute nicht hier“, erklärt der 61-Jährige. Mein ganz persönlicher Appell für den 4. Juni: Die Entscheidung zur Organspende ist zu bedeutsam, um sie nicht selbst zu treffen. Jeder Mensch kann durch Krankheit oder ein Unglück in die Situation kommen, nur mit einem Spenderorgan weiterleben zu können.“
Wie erfolgreich die Transplantation das Leben von Menschen verändert, zeigt die beeindruckende Lebensgeschichte von Silvia Peisl. Die dreifache Mutter lebt bereits seit 24 Jahren mit einer Spenderleber. „Kurz nach der Transplantation war mein Ziel ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen zu können. Mein Wunsch war einen Beruf ausüben zu dürfen, der mir Spaß macht und mein Traum, so etwas wie eine berufliche Karriere zu machen. Eine Familie mit eigenen Kinder zu haben, erschien mir damals utopisch“, berichtet die 43-Jährige.
Silvia Peisl ist Teamleiterin im Risikocontrolling einer Bank und stolz darauf, auch hier eine verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen zu können. Sie ist schon immer eine Kämpferin, sagt sie von sich selbst. Sie hat nicht mit ihrem Schicksal gehadert, sie hat es akzeptiert und sich auf die Chancen konzentriert, die sich ergeben haben. Auch sie engagiert sich für mehr Aufklärung und will zeigen, wie lebenswert und selbstbestimmt ihr Leben nach der Transplantation verläuft. „Ich möchte Menschen von meinem neu geschenkten Leben mit einem Spenderorgan berichten. Dann erklärt sich von selbst, wie wertvoll und sinnstiftend eine Organspende sein kann.“
Der diesjährige Aktionstag in Mainz beginnt mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Kirche St. Quintin, der dem Dank an die Organspenderinnen und Organspender gewidmet ist. Auf dem Gutenbergplatz laden begehbare Organmodelle, Themenzelte und Aktionen die Passanten ein, sich umfassend über Organspende und Transplantation zu informieren.
Viele Geschäfte und Cafés beteiligen sich mit eigenen Ideen und kleinen Events, Lastenfahrräder und Rikschas fahren durch die belebten Straßen und haben Mitmach-Aktionen im Gepäck. Somit können sich die Besucherinnen und Besucher der Innenstadt an vielen Stellen informieren und ins Gespräch kommen. In der Nacht wird das Staatstheater im Stadtzentrum angeleuchtet und setzt mit Botschaften und Bildern weitere Impulse, sich mit dem Thema Organspende zu beschäftigen. Die Veranstaltung in Mainz ist zugleich mit Online-Aktionen auf www.tagderorganspende.de sowie verschiedenen Social-Media-Kampagnen verknüpft.
Mit all diesen Aktivitäten wollen die Veranstalter und Beteiligten des diesjährigen Aktionstages ein sichtbares Zeichen für die Organspende setzen. Dies ist angesichts der aktuellen Situation noch einmal besonders wichtig: Ist Deutschland in den letzten beiden Jahren verhältnismäßig stabil durch die Corona-Pandemie gekommen, gab es zu Beginn dieses Jahres pandemiebedingt einen unerwarteten Einbruch der Organspendezahlen.
Auch jetzt liegen sie noch weit unter dem Niveau von 2021. So gab es von Januar bis April 2022 insgesamt 239 Organspender. Das sind 26 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum (324). Auch die Zahl der Transplantationen hat in diesen vier Monaten deutlich abgenommen, um fast 22 Prozent (2022: 801, 2021: 1.025). Eine solche Entwicklung ist für die rund 9.000 Patienten auf den Wartelisten äußerst dramatisch.