In den anstehenden Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) fordert der Marburger Bund für die Ärztinnen und Ärzte in Universitätskliniken linear 8,9 Prozent mehr Gehalt und eine bessere Bezahlung von Nacht- und Wochenendarbeit.
„Die Ärztinnen und Ärzte an den Universitätskliniken haben eine Dreifachbelastung zu schultern: Sie behandeln schwerkranke Patienten mit den Mitteln hochspezialisierter Medizin, sie betreiben Forschung in ihren jeweiligen Fachgebieten und sie bilden im Rahmen der universitären Lehre angehende Kolleginnen und Kollegen aus. Gleichzeitig sind sie unter den derzeitigen Rahmenbedingungen mit einer stetigen Verdichtung der ärztlichen Arbeit und zusätzlichen Belastungen durch die Pandemie konfrontiert. Im Vergleich zu anderen Beschäftigten sind sie regelmäßig bei sogenannten Corona-Prämien und staatlichen Bonuszahlungen leer ausgegangen. Wir setzen deshalb in dieser Tarifrunde ein klares Signal: Die hochqualifizierte Arbeit der Ärztinnen und Ärzte an den Uniklinika muss die Wertschätzung erfahren, die sie verdient hat“, betonte Dr. Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes.
Die angestrebte lineare Erhöhung der Gehälter sei nicht nur wegen der hohen Inflation folgerichtig. „Wir wollen, dass die Gehälter dem hohen Engagement folgen, das Ärztinnen und Ärzte an den Uniklinika jeden Tag, rund um die Uhr, im Schicht- oder Bereitschaftsdienst, unter Beweis stellen. Hochspezialisierte Medizin braucht attraktive Arbeitsbedingungen. Wettbewerbsfähige Gehälter sind ein Teil davon“, sagte Johna.
Die Aufwertung der Arbeit zu ungünstigen Zeiten wird ein weiterer Schwerpunkt des Marburger Bundes in den Verhandlungen sein. Neben dem Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung erhalten Ärztinnen und Ärzte auch Zeitzuschläge je Stunde. Der Marburger Bund fordert, den Nachtzuschlag generell auf 25 Prozent und für die „tiefe Nacht“ zwischen 0 und 4 Uhr auf 40 Prozent anzuheben. Der Sonntagszuschlag soll auf 50 Prozent steigen und der Samstagszuschlag für den gesamten Tag 20 Prozent betragen.
„Wer in den Unikliniken nachts Dienst hat, der arbeitet in der Regel durchgängig. In vielen Fällen heißt das Schichtdienst. Die Bezahlung für die Nachtarbeit bleibt jedoch hinter dem zurück, was in anderen Branchen, beispielsweise in der Industrie, längst üblich ist. Das darf so nicht bleiben. Wer nachts stundenlang höchst konzentriert operiert, kann dafür auch eine deutlich höhere Vergütung als am Tag erwarten. Wir wollen hier ganz bewusst umsteuern, um zu verhindern, dass immer mehr regelhafte Arbeit in der Nacht stattfindet, weil das am Ende günstiger ist, als neues Personal einzustellen“, sagte Dr. Andreas Botzlar, 2. Vorsitzender des Marburger Bundes.
Außerdem will der Marburger Bund die zunehmend mit regelhafter Arbeitsleistung belegten Randzeiten des Tages aufwerten. Vollarbeit soll deshalb am Abend (vor Beginn des Nachtzeitraums) sowie am frühen Morgen ebenfalls mit Zuschlägen in unterschiedlicher Höhe (10 bis 20 Prozent) belegt werden. Einen Ausgleich der Belastungen für Ärztinnen und Ärzte will der Verband nicht zuletzt auch dadurch erreichen, dass zukünftig eine einfache und einheitliche Regelung zum Zusatzurlaub eingeführt wird. Unabhängig von der Dienstform soll es zukünftig fortlaufend bei einer Ableistung von jeweils 144 Nachtarbeitsstunden einen Tag Zusatzurlaub geben.
Mit der Schaffung einer zusätzlichen Entgeltstufe sollen zudem langjährige Oberärztinnen und Oberärzte Entwicklungsperspektiven erhalten, um Wettbewerbsnachteile abzubauen und einer möglichen Abwanderung besonders erfahrener Ärztinnen und Ärzte aus den Universitätskliniken zu begegnen.
Die Verhandlungen zwischen dem Marburger Bund und der TdL beginnen am 11. Juli in Hannover. Der in Rede stehende Tarifvertrag (TV-Ärzte) erstreckt sich auf mehr als 20.000 Ärztinnen und Ärzte in bundesweit 23 Universitätsklinika. Auf eine Reihe von Unikliniken findet der TV-Ärzte keine Anwendung, weil dort andere Tarifverträge für die Ärztinnen und Ärzte gelten. Hierzu gehören Berlin, Hamburg und Hessen. Haustarifverträge gelten für die Unikliniken in Dresden und Mainz; sie werden von den entsprechenden Landesverbänden des Marburger Bundes verhandelt.