• "Unsere ärztliche Arbeit dient dem Erhalt des sozialen Friedens."

    128. Deutscher Ärztetag: Dr. med. Günther Matheis hält flammendes Plädoyer zum Erhalt der Demokratie
    07.Mai 2024
    Immer wieder Zwischenapplaus und am Ende ein minutenlanger stehender Beifall: Mit seinem flammendem Plädoyer für den Erhalt der Demokratie setzte Dr. med. Günther Matheis, Präsident der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz, Maßstäbe bei der Eröffnung des 128. Deutschen Ärztetages in Mainz. „Wir erleben heute die feierliche Eröffnung des 128. Deutschen Ärztetages in unserer traditionsreichen rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz. Doch lassen wir uns von diesem schönen Flair nicht täuschen: Die Welt um uns herum befindet sich in einer schlechten Verfassung. Wir erfahren unentwegt über alle Medien, dass die gewohnte Stabilität verloren ging. Bisher verlässliche Kräfteverhältnisse zerbröckeln. Neue Machtblöcke formieren sich. Es geht dabei - wohlgemerkt - um Macht, nicht um die Menschen“, sagte Matheis vor einigen Hundert Gästen in der Mainzer Rheingoldhalle.
    Dr. med. Günther Matheis - Präsident der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz
    Dr. med. Günther Matheis - Präsident der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz

    „Wie steht es aktuell um unsere Demokratie hierzulande? Demokratie scheint nicht mehr selbstverständlich zu sein. Sinkende Wahlbeteiligungen, geringeres Interesse an einem Engagement in etablierten Parteien, Populismus zieht in unsere Parlamente ein, zunehmende Zersplitterung öffentlicher Debatten sowie Falschmeldungen und Blasen in sozialen Medien. Es schwinden die Grenzen dessen, was noch Fakt ist und was jenseits der Realität liegt?

    Demokratie lebt nicht von sich selbst. Es ist höchste Zeit, dass sich nicht nur demokratische Parteien gegen diese unsagbaren Rechtspopulisten abgrenzen. Wir alle müssen jetzt als Demokraten Farbe bekennen: Es geht um unsere Lebensform - unsere Werte, um Respekt und Überzeugungen. Unsere Demokratie muss aktiv gelebt und täglich verteidigt werden. Kern einer funktionsfähigen Demokratie ist eine gesunde Diskussionskultur. Wir dürfen nicht zulassen, dass eine Partei mit ihrer perfiden Strategie unsere Gesellschaft weiter spaltet und radikalisiert.

    „Wir alle arbeiten täglich mit Ärztinnen und Ärzten, mit Pflegekräften und medizinischen Fachangestellten aus nahezu allen Ländern der Welt zusammen. Uns verbindet nicht nur die gemeinsame Arbeit, sondern oft auch Freundschaft. Diese Freunde und Kollegen nur wegen ihrer Herkunft auszuweisen zu wollen, macht fassungslos. Solche Pläne sind unerträglich. Protestieren wir deshalb für ein weltoffenes Miteinander. Protestieren wir gegen Ausgrenzung, gegen Fremdenhass und gegen jede Art der Diskriminierung.“

    „Unsere ärztliche Arbeit dient dem Erhalt des sozialen Friedens. Als Ärztinnen und Ärzte stehen wir für einen respektvollen Umgang mit Menschen, unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft, Religionszugehörigkeit oder persönlichen Lebensweisen. Es obliegt uns allen zu zeigen, dass wir die Demokratie uneingeschränkt leben. Demokratie und Pluralismus sind die Grundvoraussetzungen für unser Leben in Frieden und Freiheit. Wir distanzieren uns zugleich von allen Gruppierungen, die diese demokratischen Grundsätze missachten. Gerade in unserem Gesundheitswesen kommt es auf Toleranz, Mitmenschlichkeit und Vielfalt an. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind essentiell für uns."

    "Bei aller berechtigten Sorge um die aktuelle Gefährdung unserer Demokratie, wir haben auch einen Grund zuversichtlich zu sein, denn in wenigen Tagen wird unser Grundgesetz 75 Jahre alt. Die 146 Artikel unserer Verfassung sind das Fundament unseres Zusammenlebens in einem freien und demokratischen Rechtsstaat. Erinnern wir uns, unser Grundgesetz ist geprägt von den schrecklichen Erfahrungen des „Dritten Reiches“. Die Gründer unserer Verfassung waren sich einig, die Fehler in der Weimarer Verfassung zu vermeiden.

    Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates haben nach neun Monaten intensiver Beratungen am 8. Mai 1949 das Grundgesetz beschlossen, auf den Tag genau vier Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus. Die feierliche Verkündung fand am 23. Mai 1949 statt."