Die Zukunft des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) hängt entscheidend davon ab, ob sich Ärztinnen und Ärzte für dieses wichtige Aufgabengebiet der Gefahrenabwehr und Prävention gewinnen lassen. Weil Fachärzte in den Gesundheitsämtern nicht nach dem branchenüblichen Tarifvertrag für Ärzte bezahlt werden und teilweise 1.500 Euro brutto im Monat weniger verdienen als ihre Kollegen in den Krankenhäusern, droht eine Verschärfung des bereits bestehenden Ärztemangels im ÖGD und anderen kommunalen Diensten. Ein Blick auf die Altersverteilung zeigt, dass spätestens in zehn Jahren die meisten der heute noch aktiven Ärztinnen und Ärzte im ÖGD im Ruhestand sein werden. Der Marburger Bund fordert daher seit Jahren einen eigenen, arztspezifischen Tarifvertrag für diese Beschäftigten, die kommunalen Arbeitgeber mühen sich ebenso lange damit, eine solche pragmatische Lösung zu blockieren.
Im Mai 2019 schien diese Blockade zunächst überwunden: Im Rahmen der Tarifeinigung für die Ärztinnen und Ärzte in kommunalen Krankenhäusern verständigten sich der Marburger Bund und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) darauf, die Verhandlungen über die Arbeits- und Entgeltbedingungen der Ärztinnen und Ärzte im kommunalen Dienst außerhalb der Krankenhäuser im weiteren Verlauf des Jahres fortzusetzen. Unmittelbar nach Beginn der ersten Runde am 12. Dezember 2019 verließen die Vertreter der VKA jedoch den Verhandlungstisch und weigerten sich fortan, mit dem Marburger Bund Gespräche über die tariflichen Regelungen für die Ärzte im ÖGD und anderer kommunaler Dienste zu führen. Die ebenso fadenscheinige wie haltlose Begründung: Der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVÖD) enthalte auch Tarifregelungen für die Ärztinnen und Ärzte im ÖGD.
Der Marburger Bund als gewerkschaftliche Vertretung der angestellten Ärztinnen und Ärzte ist nicht Partei des TVÖD, die darin gefassten Regelungen für die Kommunalverwaltungen sind völlig ungeeignet für Ärztinnen und Ärzte im ÖGD und liegen bei den Monatsentgelten im vierstelligen Bereich hinter den Tarifverträgen für Krankenhausärzte. Die Ärztinnen und Ärzte im ÖGD brauchen passgenaue Regelungen, die ihre Tätigkeit tarifvertraglich abbilden. Solange aber die VKA versucht, sich aus einer dringend nötigen Tarifbindung für alle im Kommunaldienst tätigen Ärztinnen und Ärzte herauszuwinden, werden weiterhin zahlreiche Stellen unbesetzt und der kommunale ÖGD im Krisenmodus bleiben.
Damit können und wollen wir uns nicht abfinden! Die Coronavirus-Pandemie hat Politik und Öffentlichkeit deutlicher als je zuvor gezeigt, welche besondere Bedeutung dem ÖGD für die Gesundheit der Menschen in diesem Land zukommt. Deshalb wird der Marburger Bund in den kommenden Monaten in einer Informationskampagne auf den Zusammenhang zwischen verbindlichen Tarifregelungen für die Ärztinnen und Ärzte in den Gesundheitsämtern und der Funktionsfähigkeit des ÖGD insgesamt hinweisen.
Es geht darum, die Zukunft des ÖGD dauerhaft zu sichern. Durch den von der Regierungskoalition angekündigten „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ sind die Weichen gestellt. Jetzt kommt es darauf an, dass auch die kommunalen Arbeitgeber daran mitwirken und sich nicht länger fairen und zukunftsgerichteten Lösungen verweigern.
Pakt für den ÖGD: Bessere Bedingungen nur durch Ärzte-Tarifvertrag
5. September 2020
Personallage im ÖGD: Kommunen betreiben Schönfärberei
18. August 2020
Für Milliarden-Investitionen braucht man verlässliche Daten
17. Juli 2020
VKA setzt Zukunft des Öffentlichen Gesundheitsdienstes aufs Spiel
15. Juni 2020
Öffentlicher Gesundheitsdienst: Arbeitgeber provozieren Eklat
16. Dezember 2019