7 5 J A H R E M A R B U R G E R B U N D 6 Die Geburtsstunde des Marburger Bundes Ganz zu Beginn stehen die unzumut baren Arbeits- bedingungen für junge Ärztinnen und Ärzte und ihre materielle Not. 1945 erscheinen auf dem Arbeitsmarkt neben den Ärzten, die schon bisher für die einheimische Zivilbevölkerung gearbeitet hatten, die vielen anderen, die aus dem Kriegsdienst, aus Kriegsgefangenschaft oder einer Evakuierung heimgekehrt, aus den verlore- nen Ostgebieten oder der damaligen sowjetischen Be- satzungszone geflüchtet waren. Auch hatte man in der NS-Zeit wesentlich mehr Ärzte als bisher ausgebildet, um den zusätzlichen Bedarf der Streitkräfte und para- militärischen Organisationen zu decken. 1947 von 15.000 nachgeordneten Krankenhausärzten in den Westzonen nur 8.000 tariflich bezahlt. Der Unmut unter den jungen Ärzten gärt. Die meisten Betroffenen fühlen sich ausgebeutet, weil sie in aller Regel vollwer- tige Arbeit im Krankenhaus zu leisten haben und nicht, wie manche Träger argumentieren, nur zum zeitlich begrenzten Erwerb von Kenntnissen und Erfahrungen tätig werden. Die Situation ändert sich erst allmählich, nicht zuletzt auch aufgrund von Muster prozessen, die der Marburger Bund alsbald nach der Währungsreform mit solidarischer Unterstützung der verfassten Ärzte- schaft für die Betroffenen angestrengt hatte. Nicht alle, die nun im Krankenhaus arbeiten wollen, werden dort auch benötigt, ein noch kleinerer Teil er- hält eine Planstelle, und die Verträge sind zumeist auch noch zeitlich limitiert. Viele junge Ärztinnen und Ärzte, die ihre Weiterbildung oder die kassenärztliche Vor- bereitungszeit absolvieren wollen, arbeiten daher als „Volontärärzte“, „Hilfsärzte“ oder „Gastärzte“: nur teil- weise bezahlt oder – was oft vorkommt – ganz ohne Gehalt, nur für ein Taschengeld oder freie Verpflegung und Unterkunft oder nicht einmal dafür. So sind 1947 In vielen Städten haben sich 1946 und im Frühjahr 1947 junge Ärzte zusammengetan, um ihre Lage selbst in die Hand zu nehmen. Nach vielen informellen Kontakten treffen sich vom 11. bis 13. Juni 1947 erstmals Jung- ärzte und Medizinstudenten fast aller wieder arbeiten- den Medizinischen Fakultäten „zonenübergreifend“. Sie kommen auf Einladung des Assistenzarztes Rolf Schlö- gell und des Medizinstudenten Wolfgang Bechtoldt in Marburg zusammen. Im Pathologischen Institut der Philipps-Universität diskutieren sie über angemessene