Hannover/Erfurt, 20.09.2016 – Muss ein Arzt während der Rufbereitschaft seine Arbeit aufnehmen, handelt es sich dabei nicht um Überstunden. Die entsprechende Vergütung muss deshalb bei der Berechnung des Urlaubsentgeltes berücksichtigt werden. Das hat der Marburger Bund Niedersachsen heute vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt erstritten. Die richtungweisende Entscheidung betrifft den Anwendungsbereich des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an den kommunalen Krankenhäusern (TV-Ärzte/VKA).
Die Urlaubsvergütung ist dasjenige Entgelt, das vom Arbeitgeber während des Urlaubs eines Arbeitnehmers zu zahlen ist. Nach den ärztespezifischen Tarifverträgen mit den kommunalen Arbeitgeberverbänden gehört hierzu nicht nur das feststehende Grundgehalt, sondern auch der sogenannte Urlaubsaufschlag. Dieser dient als Ausgleich für die während der Urlaubszeit entgangene Vergütung aus den nicht in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteilen. Hierzu rechnen nach dem Tarifvertrag mit Ausnahme bestimmter Überstunden insbesondere die Bezahlung von Bereitschaftsdiensten und die Inanspruchnahmezeiten bei Rufbereitschaftsdiensten.
Mit der Begründung, bei den Inanspruchnahmen während einer Rufbereitschaft handele es sich um Überstunden, sind in der Vergangenheit Krankenhausträger, die den TV-Ärzte/VKA anwenden, vermehrt dazu übergegangen, die tatsächliche Arbeitsleistung in der Rufbereitschaft nicht mehr in der Bemessung der Entgeltzahlung für Urlaubszeiten zu berücksichtigen.
Dieser Auffassung und Handhabung ist der Marburger Bund Niedersachsen vertreten durch seine Rechtsanwälte Rainer Kirchhoff und Sarah Steenken im Instanzenzug zuletzt auch vor dem Bundesarbeitsgericht erfolgreich entgegen getreten. Der zuständige 9. Senat hat in Übereinstimmung mit dem Marburger Bund betont, dass die Vergütung für die Inanspruchnahme während der Rufbereitschaft uneingeschränkt in die Berechnung des Urlaubsaufschlages mit einzubeziehen ist (BAG, Urteil vom 20. September 2016 – 9 AZR 429/15).
„Auf der Grundlage erfolgreicher Arbeit des Marburger Bundes Niedersachsen hat das höchste deutsche Arbeitsgericht die Rechte der 55 000 Ärztinnen und Ärzte, die dem Tarifbereich der kommunalen Krankenhäuser unterfallen, wesentlich gestärkt. Zu Recht hat das Gericht den Vorrang des Tarifrechtes bestätigt und damit zugleich darauf hingewiesen, dass die Anwendung verbindlicher tarifrechtlicher Vorschriften nicht im Belieben einzelner Arbeitgeber steht“, macht Hans Martin Wollenberg, 1. Vorsitzender des Marburger Bundes Niedersachsen, deutlich.