Herr Borchert, wir freuen uns, Sie kennenzulernen! Erzählen Sie uns etwas über sich. Was hat Sie zur Medizin gebracht und warum möchten Sie Arzt werden?
Ich studiere aktuell im 10. Fachsemester Humanmedizin und stehe kurz vor dem zweiten Staatsexamen. Nach dem Abitur wollte ich ursprünglich Psychologie studieren und habe deshalb ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Psychiatrie gemacht. Die Psychologie des Menschen hat mich schon immer interessiert. In der Akutpsychiatrie habe ich schnell erkannt, dass ich eigentlich doch keine Angst vor Blut habe und mit einem abgeschlossenen Medizinstudium differenziertere Möglichkeiten habe, klinisch wirksam zu werden. Bevor es mit dem Studium an der MHH los ging, habe ich noch eine Ausbildung zunächst zum Rettungssanitäter, dann Rettungsassistenten und schließlich zum Notfallsanitäter inklusive Praxisanleiter gemacht. Im Ortsverband Aller-Leine der Johanniter Unfall Hilfe habe ich dort Auszubildende betreut und bin selbst Rettung gefahren.
Während Ihres Studiums - und auch darüber hinaus - haben Sie sich ja bereits an verschiedensten Stellen engagiert. Was motiviert Sie und wofür machen Sie sich stark?
Seit meinem 6. Lebensjahr praktiziere ich Taekwondo. Mittlerweile habe ich den Schwarzen Gürtel erlangt und hatte in der Zeit vor meinem Studium sogar einen eigenen Verein geführt. Wir haben zwei Landesmeisterschaften ausgetragen, ich selbst bin dort Dritter geworden und habe eine Sportlerin aus den eigenen Reihen für die Deutsche Meisterschaft gecoacht. Besonders wichtig war mir dabei die Förderung des Breitensports: Hier begegnet man Menschen ganz unterschiedlichen Ursprungs. Verschiedene Förderprogramme haben Inklusion für nahezu alle Menschen möglich gemacht – fernab von wirtschaftlichem Status oder gesundheitlicher Einschränkung.
Als 2015 der Zustrom von Flüchtlingen aus Syrien und anderen Ländern nach Deutschland kam, haben wir das größte Ankunftszentrum in Bad Fallingbostel (Oerbke) für Niedersachsen aufgebaut. Binnen eines Tages und ohne Vorankündigung konnten wir 500 schutzsuchende Menschen aufnehmen und ihnen helfen.
Während meines Studiums war ich zwei Jahre im AStA als Referent für Soziales und Gleichstellung tätig. Diese Periode war von der Corona-Pandemie und infolgedessen von sozialen und finanziellen Krisen vieler Mitstudierender geprägt: Unser größter Erfolg war die Implementierung der Student Counsellors, die eine niederschwellige Anlaufstelle für unsere Studierenden an der MHH sind – in Deutschland ein nahezu einmaliges Projekt. Im Anschluss bis Februar dieses Jahres war ich Präsident des Studierendenparlaments der MHH. Aktuell bin ich in diversen hochschulpolitischen Ausschüssen vertreten, leite das Awareness-Team der MHH und schlichte beispielsweise bei Differenzen zwischen Studierendenparlament und AStA.
Letztes Jahr habe ich mit meiner Freundin das Projekt Heideherzen ins Leben gerufen. Hier konnten Personen aus meiner Heimat, der Lüneburger Heide, Karten zur Weihnachtszeit an alleinstehende Menschen in Senior*innen- und Pflegeheime schicken.
Im März ist meine erste wissenschaftliche Publikation erschienen, für die ich drei Jahre lang den Tatort in der ARD geschaut und ausgewertet habe: Inhaltlich geht es um die Auseinandersetzung und Darstellung von pharmakologischen Aspekten.
Inwiefern hilft Ihnen das Deutschlandstipendium bei Ihrem Engagement?
Ich studiere in Regelzeit und habe keine Klausur geschoben. Neben dem Lernen verwende ich dabei viel Freizeit für kraftgebende soziale Projekte und Familie sowie Freunde. Nebenbei fahre ich noch 20 Prozent bei den Johannitern, Geld verdienen ist dabei aber ziemlich schwierig. Vor allem bei den derzeitigen Preisen für Lebensmittel und Energie. Mit der Unterstützung bin ich ein Stück weit unabhängiger und kann meine zukünftigen sozialen Projekte noch besser voranbringen.
Sie sind bereits seit Beginn Ihres Studiums studentisches Mitglied beim Marburger Bund Niedersachsen. Warum haben Sie sich damals für eine Mitgliedschaft entschieden? Welche Vorteile bringt diese Ihrer Ansicht nach für Studierende?
Ich komme aus einem Nichtakademiker*innenhaushalt und habe auch sonst niemanden in meinem Umfeld gehabt, der als Ärztin oder Arzt tätig war. Trotzdem war mir der Name Marburger Bund – wie wahrscheinlich den meisten – ein Begriff. Eine so große Interessensvertretung ist immer sinnvoll zu unterstützen – etwas, das ich in meiner Zeit als hinzugewähltes Ratsmitglied in der Kommunalpolitik gelernt habe. Darüber hinaus bietet der Verband noch viele weitere Dinge an, wie eine arbeitsrechtliche Beratung (von einigen Stationsärzt*innen habe ich mittlerweile erfahren, dass im Arbeitsalltag doch nicht immer alles so rosig ist) und unterstützt auch mit Informationen zu Themen, mit denen man sich vor allem im Studium nicht wirklich befasst: Elternzeit, Arbeitszeit und Weiterbildungsmöglichkeiten.
Gibt es sonst noch etwas, das Ihnen wichtig wäre, mitzuteilen?
Ich möchte mich für die persönliche Unterstützung bedanken und kann nur alle Menschen – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – animieren, Gutes für unsere Gesellschaft zu tun. Häufig bekommt man mehr zurück, als man denkt.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Borchert!
Das Gespräch führte Anna Dierking, MB Niedersachsen.