Die Auswertung ergab zudem ein breites Interesse über alle Tarifgruppen, die sich etwa zur Hälfte aus Ärztinnen und Ärzten in der Weiterbildung (Tarifgruppe Ä1) und zu je einem Viertel aus Fachärztinnen und -ärzten (Ä2) und Oberärztinnen und -ärzten (Ä3/4) zusammensetzen.
Mehrarbeit / Überstunden: Etwa zwei Drittel der Befragten arbeiten regelmäßig mehr als zehn Stunden pro Tag. Von diesen gab weniger als die Hälfe an, ihre Überstunden vollständig zu dokumentieren. Die Frage nach den Gründen dafür wurde 158 Mal mit Freitextangaben erklärt. Die wesentlichsten Ursachen für die fehlende Dokumentation sind demnach:
- Kliniken, in denen die vollständige Dokumentation von Überstunden seitens der Vorgesetzten nicht erwünscht ist bzw. untersagt wird.
- Zurückhalten von korrekt ausgefüllten Arbeitszeitnachweisen durch Vorgesetzte bis eine geringere Überstundenzahl dokumentiert wird.
- Selbstzensur, indem Überstunden für Forschung, Lehre und Gremienarbeit nicht oder nur in sehr geringer Zahl dokumentiert werden, da diese Arbeit der eigenen Karriere diene.
Als Kernaussage konnte herausgearbeitet werden, dass zwei Drittel aller Überstunden nicht dokumentiert werden. Von den im Median geleisteten 20 Mehrarbeitsstunden werden pro Monat circa 15 Stunden nicht ausgeglichen. Andererseits wird deutlich, dass es einzelne Abteilungen gibt, in denen alle geleisteten Arbeitsstunden dokumentiert werden und somit ein realistisches Abbild des tatsächlichen ärztlichen Arbeitsumfangs gelingt.
Elternzeit: Nur zehn Prozent der Antwortenden gaben an, dass Elternzeit für sie nicht möglich sei, aber zwei Drittel schätzten, dass die Inanspruchnahme von Eltern- oder Teilzeit für ihre Karriere nachteilig wären.
Poolbeteiligung: Nur in einem Drittel der Kliniken werden ärztliche Kolleginnen und Kollegen an den Einnahmen aus der Behandlung von Privatpatienten – Poolbeteiligung – beteiligt. In den Kliniken mit ärztlicher Poolbeteiligung wurde die Frage nach einer transparenten Darstellung der Poolbeteiligung nur von jeder dritten Person positiv beantwortet, was im Widerspruch zur entsprechenden Dienstvereinbarung zwischen Präsidium und Personalrat an der MHH steht.
Zentrale Ergebnisse
Zu viele Kolleginnen und Kollegen arbeiten regelmäßig mehr als zehn Stunden pro Tag und stehen somit im Konflikt mit dem Arbeitszeitgesetz. Es ist davon auszugehen, dass die Ergebnisse der Umfrage auch den Arbeitsalltag in anderen Zentren der Maximalversorgung widerspiegeln.
Gerade im Hinblick auf die weithin beklagte Unterfinanzierung der Universitätsmedizin muss es im Interesse der angestellten Ärzte und auch der Leitungsebene sein, den tatsächlichen Umfang ärztlicher Arbeit einschließlich der geleisteten Überstunden zu dokumentieren. Schließlich bilden sie die Grundlage für eine adäquate Vergütung der erbrachten Leistung auch für die Klinik.
Überstunden erfassen schafft Transparenz
In Zeiten der Trennungsrechnung zwischen Klinik und Forschung dürfte auch die Erfassung von Überstunden im wissenschaftlichen Bereich zu mehr Transparenz führen. Dazu bedarf es dringend eines Kulturwandels und Umdenkens bei den ärztlichen Mitarbeitern – vor allem aber auf Führungsebene im Sinn einer guten Führungspraxis, die ähnlich wie die gute klinische und wissenschaftliche Praxis als Qualitätskriterium angesehen werden muss. Dies gilt auch im Hinblick auf die Gewinnung ärztlichen Nachwuchses bei rückläufigen Bewerberzahlen in Universitätskliniken.
Die enorme Zahl ärztlicher Überstunden dokumentiert letztlich ein hohes Maß an Leistungsbereitschaft und Engagement auf ärztlicher Ebene, die nicht länger als selbstverständlich hingenommen, sondern entsprechend honoriert werden muss. Ob dies in Form einer Vergütung oder als Freizeitausgleich erfolgt, bleibt jeweils zu diskutieren. Als Teil einer guten Führungspraxis ist ebenfalls Transparenz im Umgang mit Poolbeteiligungen zu fordern.
Attraktive Arbeitgeber fördern die Vereinbarkeit Beruf und Familie
Die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf darf – zumindest in der Minimalvariante durch Gewährung des gesetzlich verbrieften Rechtes auf Elternzeit – auch im ärztlichen Bereich nicht länger als Karrierehindernis gelten, sofern der Arbeitgeber attraktiv bleiben will. Die Schaffung von Arbeitszeitmodellen, die z.B. eine Facharztausbildung in Teilzeit ermöglichen, spielt hier eine wichtige Rolle.
Die Autoren danken Gernot Beutel für seine Unterstützung zur Erstellung und Durchführung der Online-Befragung.