• „Vertrauen anstelle von Zwang“

    Pressemitteilung
    Marburger Bund Niedersachsen kritisiert Pläne für Pflichteinsätze von medizinischem Personal zur Pandemiebekämpfung
    25.Mai 2020
    Hannover
    Der Marburger Bund Niedersachsen kritisiert Pläne aus der Landespolitik für eine gesetzliche Regelung, mit der Angehörige von Heil- und Pflegeberufen bei Bedarf zwangsweise zu Einsätzen in der Pandemiebekämpfung verpflichtet werden können. Der Gesetzesentwurf, den die Fraktionen der SPD und CDU in den Niedersächsischen Landtag eingebracht haben, sieht unter anderem eine Ergänzung des „Niedersächsischen Gesetzes zum öffentlichen Gesundheitsdienst“ vor: so sollen künftig unter anderem Ärztinnen und Ärzte und Pflegerinnen und Pfleger in Fällen einer Epidemie auch zum Dienst in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen behördlich verpflichtet werden können. Das zuständige Fachministerium könnte während einer epidemischen Lage von landesweiter Tragweite eine entsprechende Beteiligung anordnen.

    Der Marburger Bund Niedersachsen hält eine solche Regelung – insbesondere vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen während der Corona-Pandemie – für gefährlich und nicht zielführend.
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    „In den vergangenen Wochen haben wir bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen in Niedersachsen eine überwältigende Bereitschaft erfahren, sich im Rahmen der Bekämpfung der Corona-Pandemie zu engagieren. Es entspricht ärztlichem Denken und Handeln, in Notlagen zu helfen. Dies gilt auch und gerade für Pandemien. Eine drohende Zwangsrekrutierung wäre ein absolut falsches Signal und könnte demotivierend wirken“, warnt Hans Martin Wollenberg, 1. Vorsitzender des Marburger Bundes Niedersachsen.

    „Die Ärztinnen und Ärzte stehen im Kampf gegen die Corona-Pandemie in Niedersachsen zuverlässig an unserer Seite. In den Krankenhäusern wurden binnen weniger Wochen Intensivkapazitäten mit Hochdruck aufgebaut und an Covid-19-Erkrankte stationär betreut. Viele Praxen haben Infektionssprechstunden eingerichtet und die ambulante Betreuung von Covid-19-Fällen gewährleistet. Die Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Gesundheitsdienst haben in den letzten Wochen eine herausragende Arbeit geleistet - bei gleichzeitig zahlreichen unbesetzten Stellen in den Gesundheitsämtern und einer deutlich schlechteren Vergütung als im Krankenhaus oder in Arztpraxen. Ärztinnen und Ärzte in Rente sowie Medizinstudierende haben sich freiwillig gemeldet und verschiedenste Aufgaben, von der Unterstützung des medizinischen Personals in den Gesundheitsämtern bis hin zur Testung von Infizierten, übernommen. Dieses Engagement geschah auf freiwilliger Basis und ohne die Notwendigkeit von Zwangsregelungen. Das zeigt, dass eine solche Verpflichtungsregelung weder notwendig gewesen wäre, noch in Zukunft notwendig sein wird“, unterstreicht Wollenberg.

    Bedenken äußert der Marburger Bund Niedersachsen auch im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit einer entsprechenden Regelung. „Diese Verpflichtung stellt einen erheblichen Eingriff in Grund- und Persönlichkeitsrechte von Beschäftigten im Gesundheitswesen dar. Dies betrifft nicht nur das Grundrecht der Berufsfreiheit, sondern auch die Freizügigkeit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Denn genügend Schutzausrüstung steht weiterhin nicht in allen Einrichtungen in ausreichendem Maße zur Verfügung“, kritisiert Andreas Hammerschmidt, 2. Vorsitzender des Marburger Bundes Niedersachsen. „Unter diesem Aspekt schaffen gesetzliche Regelungen zur Einführung möglicher Zwangsmaßnahmen erst recht kein Vertrauen.“

    In Nordrhein-Westfalen hat der Landtag vor kurzem ein Gesetzespaket zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie verabschiedet. Aufgrund massiver Proteste war hier eine im Entwurf vorgesehene ähnliche Verpflichtungsregelung gestrichen worden. „Die dort beschlossene, freiwillige Regelung ist unserer Ansicht nach absolut ausreichend. Wir fordern die Mitglieder des Niedersächsischen Landtages und der Landesregierung dazu auf, sich für eine freiwillige Regelung, ein sogenanntes Freiwilligenregister, einzusetzen und von Zwangsverpflichtungen abzusehen“, sagt Hammerschmidt. „Die niedersächsische Politik kann und darf kein Interesse daran haben, dass der Eindruck eines Misstrauens gegenüber den Beschäftigten im Gesundheitswesen entsteht. Man braucht sie nicht zur Hilfe zwingen, Hilfe ist Teil ihres Berufsverständnisses – nicht nur in Pandemiezeiten. In diesem Zusammenhang werben wir für Vertrauen in die Beschäftigten. Sie haben dies mehr als verdient!“

    Fotos von Hans Martin Wollenberg, 1. Vorsitzender Marburger Bund Niedersachsen, und Andreas Hammerschmidt, 2. Vorsitzender Marburger Bund Niedersachsen, finden Sie anbei zum Download. Die Bilder sind zum Abdruck im Zusammenhang mit dieser Pressemitteilung freigegeben.