Dringend benötigtes ärztliches und pflegerisches Personal darf nicht durch Kurzarbeit für die Patientenversorgung verloren gehen, fordert der Marburger Bund Saarland. „Wir haben mit großer Sorge die Mitteilung über Kurzarbeit in Teilbereichen der Marienhauskliniken zur Kenntnis genommen. Uns erreichen vermehrt Hinweise von unseren ärztlichen Mitgliedern auch aus anderen Bereichen, dass ihnen Kurzarbeit in Aussicht gestellt wird. Wir halten diese Vorgehensweise für absolut unverantwortlich. Selbst wenn in manchen Bereichen der Regelbetrieb nicht im normalen Umfang stattfinden kann, gibt es doch genug zu tun. Jede verordnete Zwangspause kann gefährliche Lücken in die ärztliche Versorgung reißen. Wir lehnen deshalb Kurzarbeit ab und fordern Kliniken und Praxen auf, davon Abstand zu nehmen“, betonte Gregg Frost, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes Saarland.
„Wir können die finanziellen Sorgen mancher Kliniken durchaus nachvollziehen. Allerdings gibt es Pauschalen für freigehaltene Betten. Eine etwaige finanzielle Schieflage darf aber auch nicht auf dem Rücken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgetragen werden. Die Sicherstellung der Patientenversorgung in den Kliniken ist Aufgabe der Politik. Die Klinikbetreiber müssen Forderungen nach einem besseren finanziellen Ausgleich daher an die Landesregierung richten. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Druckmittel einzusetzen, um mehr Gelder zu bekommen, kann nicht die Lösung sein. Auch besteht hier die Gefahr, dass konzerninterne Interessen unter dem Deckmantel der Krise durchgesetzt werden und Mitnahmeeffekte generiert werden. Es ist schon sehr paradox, wenn die systemrelevanten, vielbeklatschten Heldinnen und Helden jetzt heimgeschickt werden“, so Gregg Frost weiter.
Staatlich finanzierte Kurzarbeit könne bei Industrieunternehmen sinnvoll sein, um in der jetzigen Krise Entlassungen zu verhindern. Im Gesundheitswesen aber komme es derzeit auf alle an, die für die ambulante und stationäre Versorgung von Patienten zur Verfügung stehen können. „Wir verzeichnen aktuell eine große Bereitschaft zur Mithilfe bei Ärztinnen und Ärzten im Ruhestand und bei Medizinstudierenden. Da ist es doch geradezu grotesk, im Gesundheitswesen beschäftigte Ärztinnen und Ärzte in Kurzarbeit zu schicken“, sagte der saarländische MB-Vorsitzende.
Gleichzeitig hat die Bundesregierung eine COVID-19-Arbeitszeitverordnung erlassen, die für Berufe der Daseinsvorsorge Ausnahmen von den Schutzregelungen des Arbeitszeitgesetzes zulasse. „Während auf der einen Seite Mitarbeiter im Gesundheitswesen in Kurzarbeit geschickt werden, sollen andere auch mehr als 60 Wochenstunden arbeiten und das mit verkürzten Ruhezeiten. Solche hohen Arbeitszeiten sind selbst kurzfristig nur schwer zu ertragen. Wir befinden uns aber am Beginn eines Marathons. Wir dürfen die Pflegenden und die Ärztinnen und Ärzte nicht schon auf den ersten Kilometern auslaugen. Deswegen ist es wichtig, die Belastung auf möglichst viele Schultern zu verteilen. Hier fehlt es aber an sinnvollen Konzepten“, so Frost.
Überall dort, wo das Patientenaufkommen derzeit geringer sei, komme es darauf an, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schulen und für die Behandlung von COVID-19-Patienten zu trainieren. Gleichzeitig müssten Rehabilitationskliniken aktiv mit dem koordinierenden Krankenhaus ihrer Region in Verbindung treten und sich darauf vorbereiten, Patienten zu übernehmen, die aus Kapazitätsgründen in anderen Kliniken nicht mehr versorgt werden könnten.
„Es ist nicht zu erwarten, dass diese Pandemie die letzte gesamtgesellschaftliche Herausforderung sein wird. Die einzelnen Teile des Gesundheitssystems täten gut dran, hier gemeinschaftlich und zukunftsorientiert zu handeln. Da gehört selbstverständlich dazu, dafür zu sorgen, dass die Kliniken die Krise auch wirtschaftlich überstehen können“, so der MB-Vorsitzende.