• „Keine Zeit verlieren. Jetzt schon bekannte Probleme angehen.“

    Dr. Henrik Herrmann zum Beschluss, den schleswig-holsteinischen Versorgungsbedarf im Gesundheits- und Pflegebereich zu analysieren
    21.März 2018
    Als Ärztegewerkschaft hören wir mit großer Freude, dass die Regierungskoalition in Schleswig-Holstein die Attraktivität der Gesundheitsberufe erhöhen und Perspektiven für die Zukunft schaffen will. Das Ziel, die Gesundheitsversorgung im Land zu stärken sowie eine bessere Verzahnung in der gesundheitlichen Versorgung zu schaffen, teilen wir als Vertreter der angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte im Land ausdrücklich.
    Die geplante sektorenübergreifende Bestandsaufnahme hilft dabei, einen Überblick über die aktuelle Versorgungslage zu erhalten, aus der Handlungsempfehlungen ausgesprochen werden können.

    Während der Erstellung des Gutachtens darf die Landesregierung jedoch keine Zeit verlieren und muss die jetzt schon bekannten Probleme und Handlungsfelder angehen und bereits beschlossene Initiativen zügig umsetzen.

    Dazu gehört die dringend notwendige Entlastung der Notaufnahmen in Schleswig-Holsteins Krankenhäusern. Von den fast 100 Krankenhäusern in Schleswig-Holstein nehmen rund zwei Drittel an der Notfallversorgung teil. In den vergangenen Jahren sind die Patientenzahlen in den Notaufnahmen der Krankenhäuser bis zu 10 Prozent gestiegen. Die Folge sind überfüllte Notaufnahmen mit langen Wartezeiten und überarbeiteten Ärzte. Um dem entgegenzuwirken, befürworten wir die Schaffung sogenannter Portalpraxen und appellieren an die neue Bundesregierung und die Bundesländer, die Bundesratsinititative für die Weiterentwicklung Portalpraxen zu befürworten.

    Die Personalausstattung ist in der Patientenversorgung ein wichtiges Qualitätskriterium. Eine ausreichende Qualität medizinischer und pflegerischer Leistungen kann nur mit einer ausreichenden Personalausstattung einhergehen. Rationalisierungsdruck geht zu Lasten von Qualität und Sicherheit. Dies gilt insbesondere für die Arbeitsbelastung der Ärzte und Pflegenden. Personalkürzungen, übermäßige Arbeitsbelastung und Zeitmangel gefährden das Mitarbeiter- und Patientenwohl. Die Konsequenzen sind verheerend, da auch die Weiterbildung des ärztlichen Fachpersonals verzögert wird und somit ein medizinischer Qualitätsverlust eintreten wird. Richtig ist, dass der Personaleinsatz in der Verantwortung der Krankenhäuser liegt. Gleichwohl muss gerade in der Patientenversorgung sichergestellt sein, dass dieser Verantwortung auch ausreichend  Rechnung getragen wird.

    Besonders bedeutend in der qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung wird die weitere Digitalisierung sein. Wir brauchen die telemedizinische Vernetzung, weil die Vernetzung von Ärztinnen und Ärzte aus verschiedenen Krankenhäusern und Praxen über einen kurzen Draht die Qualität der Versorgung steigert.

    Zur Auflösung des über Jahre in mehrfacher Millionenhöhe aufgelaufenen Investitionsstaus müssen konkrete Schritte erfolgen. Das Land muss seiner Investitionsverpflichtung in vollem Umfang nachkommen. Es wirkt widersprüchlich, einerseits Projekte zum Ausbau der Gesundheitswirtschaft und der medizinischen Forschung und Wissenschaft finanziell zu unterstützen, andererseits aber die Kliniken durch ausbleibende Investitionen in ihrer Funktion als Innovationsträger des Gesundheitswesens zu schwächen.

    Wegen des Investitionsstaus muss das Klinikpersonal in Gebäuden und Strukturen arbeiten, die einer modernen, kosteneffizienten Medizin nicht angemessen sind. Um zwingend notwendige Investitionen tätigen zu können, müssen die Krankenhäuser vermehrt Einsparungen im laufenden Betrieb vornehmen und Eigenmittel ansparen. Diese Mittel fehlen aber für die Patientenversorgung und eine adäquate Personalausstattung.

    Wenn die Koalition von einer „Verbesserung der Ausbildungssituation und Bezahlung“ spricht, gehört für uns auch die Ausbildung des ärztlichen Nachwuchses dazu. Jährlich arbeiten hunderte von Nachwuchsmedizinern im vorgeschriebenen Praktischen Jahr zum Nulltarif am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Die PJ-Studierende werden in der Klinik als „Vollzeitkräfte“ eingesetzt und übernehmen regelmäßig Tätigkeiten, mit denen sie den Klinikablauf unterstützen. Sie haben somit ein Recht auf eine gute Lehre und eine angemessene Aufwandsentschädigung. Wir fordern die Politik auf, den Aufsichtsrat des UKSH mit konkreten Lösungen für eine Aufwandsentschädigung für Medizinstudierende im PJ zu unterstützen.