Der Zwang der Ökonomisierung entsteht aber auch aus einer seit Jahren bestehenden Unterfinanzierung der Krankenhäuser. Für letztere sind vor allem die Bundesländer verantwortlich, die ihren Investitionsverpflichtungen nur sehr unzureichend nachkommen. Deshalb versuchen viele Krankenhausleitungen, fehlende Investitionsmittel zu kompensieren. Sie entnehmen den Behandlungserlösen Mittel zum Beispiel für dringende bauliche Maßnahmen oder Zukunftsinvestitionen. Diese Erlöse müssen aber den laufenden Betrieb, vor allem auch die Personalkosten, finanzieren. Die politisch Verantwortlichen dürfen die Krankenhäuser nicht im Stich lassen. Die Länder müssen für eine auskömmliche Finanzierung der Kliniken sorgen. Dazu gehört die volle Refinanzierung der Personalkosten, und die Bezahlung aller erbrachten Krankenhausleistungen.
Untersuchungen zufolge haben 97 Prozent der leitenden Krankenhausärzte im Jahr 2015 Verträge mit monetären Anreizen gehabt. Noch vor 20 Jahren waren es nur fünf Prozent. Die Ökonomisierung hat längst auf alle Klinikärzte durchgegriffen. Fast noch erschreckender ist, dass bereits 19 Prozent der Oberärzte, 15 Prozent der Fachärzte und sogar sechs Prozent der Ärzte in der Weiterbildung Verträge mit mengenassoziierten Bonusregelungen abgeschlossen haben. Dass gerade junge Ärzte am Anfang ihres Berufslebens damit konfrontiert werden, ist äußerst bedenklich. Sie befinden sich in extremer Gefahr, in ein Berufsbild Arzt gepresst zu werden, das dem eigentlichen Berufsbild nicht gerecht wird.
Deshalb unterstützen wir mit Nachdruck die Initiative „Ärzte-Appell“ mit ihren Forderungen:
- Das Fallpauschalensystem muss ersetzt oder zumindest grundlegend reformiert werden.
- Die ökonomisch gesteuerte gefährliche Übertherapie sowie Unterversorgung von Patienten müssen gestoppt werden. Dabei bekennen wir uns zur Notwendigkeit wirtschaftlichen Handelns.
- Der Staat muss Krankenhäuser dort planen und gut ausstatten, wo sie wirklich nötig sind. Das erfordert einen Masterplan und den Mut, mancherorts zwei oder drei Kliniken zu größeren, leistungsfähigen und personell besser ausgestatteten Zentren zusammenzuführen."