• "Wir werden uns als Marburger Bund nicht unser Recht nehmen lassen, für angestellte Ärztinnen und Ärzte Tarifverträge zu schließen"

    Tarifeinheitsgesetz
    31.August 2017
    Seit Jahren ist die Auseinandersetzung mit dem Tarifeinheitsgesetz für den Marburger Bund von höchster Bedeutung, da es fundamental in das Tarifrecht für angestellte Ärztinnen und Ärzte eingreift. Deswegen hat der Marburger Bund, aber auch andere betroffene Gewerkschaften, unmittelbar nach Inkrafttreten, Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erhoben. Im Juli dieses Jahres wurde das Urteil verkündet, das letztendlich janusköpfig ist.

    Das Tarifvertragsgesetz wurde im Wesentlichen als „noch zumutbar“ betrachtet, in Teilen aber als unvereinbar mit dem Grundgesetz (GG) angesehen. Einzelne Aspekte daraus wurden zur Überarbeitung an den Gesetzgeber mit einer Frist bis Ende 2018 zurückgegeben. Insbesondere die zentrale Regelunge in § 4a Tarifvertragsgesetz (TVG) ist mit Art. 9 Abs. 3 GG, nämlich der Koalitionsfreiheit, unvereinbar, da im Tarifeinheitsgesetz Vorkehrungen fehlen, die sicherstellen, dass die Interessen der Berufsgruppen, deren Tarifvertrag verdrängt wird, im verdrängenden Tarifvertrag hinreichend berücksichtigt werden. Das Bundesverfassungsgericht legte fest, dass das Streikrecht, auch der Minderheitsgewerkschaften, nicht eingeschränkt werden darf. Es besteht auch zur Durchsetzung eines (mutmaßlich) nicht zur Anwendung gelangenden Tarifvertrages. Bis zu einer Neuregelung ist § 4a TVG dahingehend auszulegen, dass die Verdrängungswirkung nur eintritt, wenn die Interessen der betrieblichen Minderheit im verdrängenden Mehrheitstarifvertrag hinreichend berücksichtigt wurden.

    Was sind nun die konkreten Konsequenzen für uns Ärztinnen und Ärzte aus dem Urteil?
    Ein „Weiter so“ wie bisher, wird es nicht geben, da eben die wesentliche Grundgesetzkonformität vom Bundesverfassungsgericht festgestellt wurde. Unsere bestehenden Tarifverträge sind nicht gefährdet und sind vor Verdrängung geschützt, denn bei ihrem Zustandekommen galten andere Regeln. Für zukünftige Tarifverhandlungen besteht jetzt jedoch die Notwendigkeit, alle Beteiligten einzubinden. Dies gilt auch für andere Gewerkschaften, die ebenfalls für im Gesundheitswesen Tätige Tarifverträge abschließen, ebenso wie für die Arbeitgeber.

    Hier geht es jetzt für uns in naher Zukunft darum, nachhaltige und verlässliche Vereinbarungen mit den Gewerkschaften zu treffen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil solche „tarifdispositive“ Regelungen zugelassen, die eine Verdrängungswirkung ausschließen. Voraussetzung ist: Alle Tarifvertragsparteien stimmen einer „Abbedingung“ von § 4a TVG zu. Dieses führt dazu, dass der Marburger Bund wie bisher für seine Mitglieder Tarifverträge abschließen kann, ohne dass es zu einer Verdrängung kommt. Diese Abbedingung schließt jedoch auch den Arbeitgeber ein, der durchaus eine solche Vereinbarung übergehen und evtl. durchsetzen kann, dass er nur mit der Mehrheitsgewerkschaft einen Tarifvertrag abschließen möchte. Dennoch wird dieser Weg mit Einbindung aller Beteiligten nun zunächst eingeschlagen. Erste Gespräche mit Gewerkschaften, die auch im Gesundheitswesen beruflich Tätige organisieren, sind eingeleitet worden und sollen weiter intensiviert werden. Dabei spielt natürlich auch ein möglichst hoher Organisationsgrad eine wichtige Rolle, insbesondere im ärztlichen Bereich.

    Das allerwichtigste Ziel für den Marburger Bund als Gewerkschaft ist es, auch zukünftig für seine Mitglieder eigenständige arztspezifische Tarifverträge abzuschließen. Eine Rückkehr zu einer passiven Rolle lediglich der Anhörung und der Duldung wird es nicht geben. Dieser Grundprämisse folgend werden wir auch die anderen Aktivitäten nicht aus den Augen verlieren, nämlich nach der Bundestagswahl Einfluss auf die erneute Gesetzgebung hinsichtlich der Überarbeitung des Tarifvertragsgesetzes zu nehmen, den eventuellen Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einzuschlagen und auch die Möglichkeit, weitere Berufsgruppen im Gesundheitswesen gewerkschaftlich zu organisieren, um unsere Mehrheitsfähigkeit im Betrieb sicherzustellen.

    Die nahe Zukunft wird also sehr spannend. Wir werden uns als Marburger Bund nicht unser Recht nehmen lassen, für angestellte Ärztinnen und Ärzte Tarifverträge zu schließen, gewerkschaftlich tätig zu sein sowie nach Außen hin aktiv und selbstbewusst als Gewerkschaft und Berufsverband aufzutreten. Dabei zählen wir auch auf die Unterstützung unserer bestehenden und unserer zukünftigen Mitglieder.

    Für Fragen zu diesem Themenkomplex stehen wir Ihnen als Vorstand und Geschäftsstelle des schleswig-holsteinischen Landesverbands gerne zur Verfügung und werden Sie weiterhin zeitnah über weitere Entwicklungen informieren.