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    Initiativrechte als Ergänzung der Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte des Betriebsrats

    Von Frieder Schmitt

    Mit der MBZ-Ausgabe 9/2021 startete die Artikel-Serie zur Betriebsratswahl-Kampagne 2022 des Marburger Bundes. In Teil 5 wurden detailliert die Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte des Betriebsrats dar-gelegt. Diese werden ergänzt durch die Initiativrechte.

    Icon RechtDie Initiativrechte sind im Einzelnen folgende:

    • Informationsrechte
      Da eine sachgerechte Wahrnehmung aller Aufgaben des Betriebsrats eine vollständige und rechtzeitige Unterrichtung voraussetzt, regelt §80 Abs.2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) eine allgemeine Informationspflicht des Arbeitgebers.
       
    • Unterrichtungs- und Beratungsrechte
      Darüber hi­naus verpflichtet das BetrVG den Arbeitgeber in einigen Regelungen zur Unterrichtung und Information. An die zeitlich vorhergehende Unterrichtung des Betriebsrats schließt sich die rechtzeitige Beratung mit dem Arbeitgeber über die vorgesehenen Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf die Arbeitnehmer des Betriebs an. Die Information und die Beratung sind zwei unterschiedlich voneinander zu trennende Vorgänge. Ob und gegebenenfalls welcher Zeitraum dazwischenliegen wird, hängt davon ab, wie schwierig und komplex die Planungen sind.
       
    • Widerspruchs- und Anhörungsrechte
      Das BetrVG unterscheidet bei den Anhörungsrechten zwischen dem Anhörungsrecht einzelner Arbeitnehmer in §82 (Anhörungs- und Erörterungsrecht) und dem Anhörungsrecht des Betriebsrats in §102 (Anhörungsverfahren bei Kündigung von Arbeitnehmern). Im Unterschied zu den Unterrichtungs- und Informationsrechten ist beim Anhörungsrecht die Stellungnahme zu der streitgegenständlichen Maßnahme einzuholen. In der Praxis kommt hierbei insbesondere dem Anhörungsrecht des Betriebsrats bei Kündigungen große Bedeutung zu. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.
      Neben der echten Mitbestimmung (siehe insbesondere §87 BetrVG) hat der Betriebsrat im Falle des Widerspruchs- oder Vetorechts („negatives Konsensprinzip“) die Möglichkeit, eine Maßnahme des Arbeitgebers zu verhindern, wenn er belegen kann, dass die im Gesetz hierfür aufgeführten Tatbestände gegeben sind. Gelingt ihm dies nicht, kann die Maßnahme vom Arbeitgeber umgesetzt werden und ist wirksam.
       
    • Initiativrechte
      Der Betriebsrat kann (und sollte) sowohl im Rahmen seiner Mitwirkungs- als auch Mitbestimmungsrechte die Initiative ergreifen! Denn im Interesse der Arbeitnehmer des Betriebs sollte er immer dann aktiv werden, wenn er gebraucht wird. Dies zeichnet einen guten Betriebsrat aus. Grundsätzlich hat er im Rahmen der Erfüllung seiner Aufgaben das Recht, Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber nach §80 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu beantragen.
      Die Durchsetzbarkeit der jeweiligen Initiative des Betriebsrats hängt jedoch davon ab, ob die beantragte Maßnahme der Mitbestimmung oder „nur“ der Mitwirkung unterliegt. Ausdrücklich im Gesetz aufgeführt sind Initiativen im Bereich der Personalplanung (§92 Abs. 2) und der Berufsbildungsmaßnahmen (§96 Abs.1 Satz 3). Diese unterliegen jedoch den Mitwirkungsrechten. Der Betriebsrat kann diese Maßnahme nicht einseitig umsetzen. Lehnt der Arbeitgeber diese Maßnahme ab, ist diese gescheitert.
      Anders sieht es aus im Bereich der echten (oder erzwingbaren) Mitbestimmung. Hier kann der Betriebsrat Maßnahmen gegebenenfalls auch über die Einigungsstelle verwirklichen (erzwingen). Schwerpunkt seiner Tätigkeiten ist für den Betriebsrat dabei die Regelung von sozialen Angelegenheiten nach §87 BetrVG. Dieser Katalog von Mitbestimmungsrechten stellt das „Herzstück der Betriebsverfassung“ dar.
       
    • Das Verfahren vor der Einigungsstelle
      Kommt im Rahmen des Mitbestimmungsverfahrens eine Einigung zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat nicht zustande, entscheidet die Einigungsstelle.
      Die Einigungsstelle ist ein innerbetriebliches (außergerichtliches) Schlichtungsorgan, dem kraft Gesetzes gewisse Befugnisse zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten übertragen sind. Geregelt wird das Einigungsstellenverfahren in §76 BetrVG. Da bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber Maßnahmen des Arbeitskampfes zur Durchsetzung der Interessen nach dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit verboten sind, soll auf diese Weise eine Befriedung und Regelung der Angelegenheit erreicht werden.
      Grundsätzlich wird die Einigungsstelle bei Bedarf zur Beilegung einer konkreten Streitigkeit errichtet. Nach dem ­BetrVG kann eine Einigungsstelle aber auch als ständige Einrichtung durch eine Betriebsvereinbarung gebildet werden (§76 Abs. 1 Satz 2 ­BetrVG). Im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung (zum Beispiel §87 BetrVG) erfolgt die Errichtung auf Antrag einer Seite. Dies ist immer dann der Fall, wenn die gesetzliche Regelung bestimmt, dass der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt (Mitbestimmungsrechte!). Beantragen beide Parteien das Tätigwerden der Einigungsstelle, spricht man von einem freiwilligen Einigungsstellenverfahren.
      Die Zusammensetzung der Einigungsstelle besteht aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die jeweils vom Arbeitgeber und dem Betriebsrat bestellt werden. Besondere Bedeutung kommt dem Vorsitzenden der Einigungsstelle zu, da er im Abstimmungsverfahren das Zünglein an der Waage ist. Der Vorsitzende darf weder ein Vertreter des Arbeitgebers noch der Arbeitnehmer, aber auch kein Gewerkschaftsbeauftragter oder Vertreter der Arbeitgeberverbände sein. In der Regel ist der Vorsitzende ein Arbeitsrichter, Rechtsanwalt oder Universitätsprofessor. Einigen sich die Parteien nicht, wird der Vorsitzende durch das für den Betrieb zuständige Arbeitsgericht (§100 Arbeitsgerichtsgesetz) bestellt. Dies gilt auch für die Beisitzer.
      Das Verfahren vor der Einigungsstelle kann durch eine Betriebsvereinbarung (§74 Abs. 4 BetrVG) geregelt werden. Die Beschlussfassung erfolgt nach mündlicher Beratung mit Stimmenmehrheit.
       
    • Betriebsvereinbarungen
      Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Soweit sie nicht auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, sind die Vereinbarungen von beiden Seiten zu unterzeichnen und an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen. Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend; sie können im Geltungsbereich des BetrVG mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden, sofern nichts anderes vereinbart ist. Angelegenheiten, die bereits durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können jedoch nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein (§ 77 Abs. 3 BetrVG).
       
    • Kosten der Betriebsratsarbeit
      Die erforderlichen Kosten, die im Interesse des Betriebs und seiner Belegschaft entstanden sind, werden vom Arbeitgeber getragen (§40 BetrVG). Man unterscheidet zwischen den Kosten des Betriebsrats als Organ, den Aufwendungen des Arbeitgebers für Betriebsratsmitglieder und der Sachmittelbereitstellung.
      Als Organ kann der Betriebsrat die Übernahme der allgemeinen Geschäftsführungskosten (Kosten für Sachverständige, Kosten der Einigungsstelle) sowie der Prozessführungskosten (Rechtsanwaltskosten, Gerichtsgebühren) verlangen, wenn diese nach pflichtgemäßer Würdigung aller Umstände notwendig waren (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit). Zudem hat das einzelne Mitglied einen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf Übernahme der persönlichen Aufwendungen, die durch die Amtstätigkeit erforderlich geworden sind.
      Die Bereitstellung von Sachmitteln richtet sich in der Regel nach der Größe des Betriebs. Nach der Rechtsprechung sind dem Betriebsrat in Krankenhäusern ein oder mehrere Räume für die Arbeit zur Verfügung zu stellen. Zur Ausstattung gehören grundsätzlich ein Computer, Telefonanschluss und Internet beziehungsweise gegebenenfalls ein Intranet-Anschluss sowie in größeren Betrieben darüber hinaus ein Fotokopiergerät, Schreibpapier, Briefmarken und Schreibgeräte. Zur Grundausstattung gehört des Weiteren auch die erforderliche Fachliteratur (Fachbücher, Kommentare, Fachzeitschriften).
      Für die Öffentlichkeitsarbeit ist dem Betriebsrat nach der Rechtsprechung ein „Schwarzes Brett“ zur Verfügung zu stellen. Weiterhin ist der Arbeitgeber verpflichtet dem Betriebsrat das firmeneigene Intranet für die Information der Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen. Voraussetzung ist aber, dass dieses Intranet im Betrieb eingerichtet und vom Arbeitgeber ebenfalls zu Informationszwecken für Mitarbeiter genutzt wird.

    Zum Autor: Frieder Schmitt ist stellvertretender Geschäftsführer im MB-Landesverband Baden-Württemberg und dort Ansprechpartner für das Thema Mitarbeitervertretung.