Einmalzahlung in Höhe von 4.500 €
Die Regelungen des Einkommenssteuergesetzes erlauben, befristet und nur bei einer Auszahlung bis zum 31. Dezember 2022, die Möglichkeit einer steuerbefreiten Einmalzahlung an Ärztinnen und Ärzte in Krankenhäusern. Wir haben uns entgegen verschiedener Mutmaßungen nicht etwa leichtfertig und aus vermeintlicher Konfliktscheue zu Lasten der Ärztinnen und Ärzten hierzu entschieden. Vielmehr haben wir bewusst von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, um den tatsächlichen Nettozugewinn zu optimieren. Die Umrechnung der Einmalzahlung auf 14 Monate entspricht (je nach Entgeltgruppe und -stufe) bereits einer linearen Erhöhung zwischen 2,91 und 6,97 Prozent, dieser Effekt wird durch die Steuerfreiheit aber noch wesentlich verstärkt. Zutreffend ist, dass Ärztinnen und Ärzte in den unteren Gruppen der Entgelttabelle prozentual stärker von dieser Einmalzahlung profitieren, als Angehörige der höheren Gruppen. Natürlich wäre hier eine andere Gestaltung grundsätzlich denkbar gewesen; wegen der gesetzlichen Deckelung des Betrages auf 4.500 € hätte eine entgeltgruppenbezogene Einmalzahlung aber unweigerlich bedeutet, finanzielles Volumen nicht zu nutzen.
Nullrunde?
Auch der mitunter zu lesende Vorwurf einer Nullrunde ist schlicht nicht zutreffend. Wir haben im Anschluss an die Laufzeit der Einmalzahlung eine Steigerung der Entgelte um 3,35 Prozent vereinbart. Dieser Steigerungsbetrag entspricht der mit der VKA vereinbarten Steigerung im kommunalen Bereich für das Jahr 2021; allerdings war die Möglichkeit einer steuerfreien Einmalzahlung zum damaligen Zeitpunkt gesetzlich nicht möglich, weswegen die lineare Erhöhung dort früher in Kraft trat. Die Restlaufzeit nach dieser linearen Steigerung beträgt – anders als im Tarifbereich des öffentlichen Dienstes der Länder – lediglich einen Monat, so dass bereits mit Wirkung ab Oktober 2023 erneut über lineare Erhöhungen verhandelt werden kann.
Notwendige Fristen
Aufgrund der Vorgaben des Einkommensteuergesetzes hatten wir zudem bestimmte Fristen zu beachten, deren Nichteinhaltung die Steuerfreiheit insgesamt gefährdet und dieses Konstrukt schlicht unmöglich gemacht hätte. Voraussetzung für die Einmalzahlung ist das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses im Geltungsbereich des Tarifvertrages zum Zeitpunkt der Einigung (25. August 2022). Zudem – und auch das ist eine steuerrechtliche Vorgabe, auf die die Tarifvertragsparteien schlicht keinen Einfluss nehmen können – muss zumindest für einen Tag ein Anspruch auf Entgelt bestanden haben. Hierzu gehören auch z.B. Krankengeld und Krankengeldzuschuss und Mutterschutzlohn. Anders als in anderen Tarifbereichen haben wir deshalb bewusst den Zeitraum, in welchem ein solcher Entgeltanspruch vorgelegen haben muss, bis zum 1. Januar 2021 rückdatiert; insbesondere auch um Ärztinnen und Ärzten, die aktuell – aber eben nicht bereits seit Januar 2021 – in Elternzeit sind, einen Anspruch auf die Einmalzahlung zu verschaffen. Wichtig ist auch, dass sich die Höhe der Einmalzahlung nicht nach der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses anteilig bemisst. Somit besteht ein ungekürzter Anspruch, sobald die Voraussetzungen erfüllt sind. Das gilt grundsätzlich auch für teilzeitbeschäftigte Ärztinnen und Ärzte, allerdings bemisst sich dort die Höhe der Einmalzahlung – wie auch bei allen anderen materiellen Regelungen nach Tarifvertrag – nach ihrem Beschäftigungsumfang.
Keine Verbesserung bei den Zuschlägen
Der MB hatte in den Verhandlungen gefordert, die Zuschlagssystematik grundsätzlich anzupassen und insbesondere einen Zuschlag für Arbeit in sogenannten Randzeiten am späten Nachmittag und Abend sowie frühen Morgen einzuführen. Diese Forderung war auch eine Reaktion auf die Tendenz einzelner Uniklinika, bisher bestehende Bereitschaftsdienstmodelle in Dienstformen der Schichtarbeit zu überführen, um auf diese Weise den in der letzten Tarifrunde eingeführten Restriktionen und finanziellen Folgen beim Bereitschaftsdienst auszuweichen. Dass es sich bei dieser Forderung letztlich um einen „Workaround“ handelte, um diesen Komplex überhaupt in zulässiger Weise zu adressieren, haben wir sowohl in den Mitgliederinformationen, als auch in Netzwerktreffen deutlich gemacht. Eine unmittelbare Forderung nach Anpassung und Änderung der tariflichen Regelungen zu Schicht- und Wechselschichtarbeit ist aber bislang deswegen ausgeschlossen, weil es an entsprechenden Kündigungsmöglichkeiten im Tarifvertrag fehlt. Ohne diese erfordert jede Forderung nach Änderung aber eine Kündigung des gesamten Tarifvertrages; eine gleichwohl aufgestellte Forderung wäre unzulässig, darauf gerichtete Kampfmaßnahmen illegal.
Wir waren bereits früh in den Verhandlungen mit einer kategorischen Weigerung der TdL konfrontiert, an dieser Situation etwas zu ändern. Nach Einschätzung der Verhandlungskommission war dieser -letztlich tarifpolitisch motivierten- Verweigerung allein auf dem Verhandlungsweg nicht beizukommen. Der Widerstand kam nach unserem Dafürhalten auch nicht etwa aus den Uniklinika, sondern aus den Finanzministerien der Länder, die die Auswirkungen einer Änderung an dieser Stelle auf die knapp 800.000 Beschäftigten im Landesdienst befürchteten. Somit bezog sich der Widerstand der TdL in erster Linie auf Auswirkungen außerhalb der Uniklinika, was eben auch bedeutet, dass wir mit Arbeitskampfmaßnahmen nicht etwa den Widerstand der Kliniken zu brechen gehabt hätten, sondern jenen der Bundesländer. Wir haben uns deshalb dafür entschieden, die tarifrechtlichen Möglichkeiten, dieses Problem direkt zu adressieren, auszuweiten und umfangreiche Kündigungsmöglichkeiten für den gesamten Komplex der Schicht- und Wechselschichtarbeit vereinbart. Letztlich bleibt, dass wir uns an dieser Stelle nicht durchsetzen konnten; zur verantwortungsvollen gewerkschaftlichen Arbeit gehört aber auch, Mitglieder nicht zu einer Auseinandersetzung aufzurufen deren Kosten, zumindest hinsichtlich des eigentlichen Ziels, derzeit außer Verhältnis zum erreichbaren Nutzen stehen.
Verbot der Kombination von Vollarbeit, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft
Offenbar ebenfalls als Reaktion auf die mit der letzten Tarifeinigung eingeführten Restriktionen beim Bereitschaftsdienst gehen einzelne Unikliniken dazu über, verschiedene Dienstformen in einer Art Dreierkombination anzuordnen (Vollarbeit + Bereitschaftsdienst + anschließenden Rufdienst). Diese Gestaltung mag in Einzelfällen im Sinne der Betroffenen sein; überwiegend wird sie als belastend beschrieben. Wir haben daher ein generelles Verbot dort vereinbart, wo nicht eine entsprechende Einwilligung der – unbefristet – Beschäftigten vorliegt. Die nun vereinbarte Regelung sieht die Widerruflichkeit der Zustimmung mit einer Frist von drei Monaten vor und ist bereits aus der Regelung zur freiwilligen Überschreitung der Grenze von vier Bereitschaftsdiensten im Monat bekannt. Voraussetzung ist in jedem Fall das Bestehen eines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses. Wir haben mit dieser Voraussetzung natürlich auch die weitere Steigerung der Entfristungsquote im Blick; eine Zielsetzung, die bereits mit der Parallelvorgabe beim Bereitschaftsdienst zu ersten positiven Ergebnissen geführt hat.
Neuregelung des Zusatzurlaubes
Durch die Vereinheitlichung der Anspruchsvoraussetzungen beim Zusatzurlaub für Nachtarbeit verfolgen wir die in der letzten Runde eingeschlagene Richtung weiter. Wir beobachten, dass die Arbeitgeber zunehmend atypische Dienstmodelle auflegen. Diese führen in der Konsequenz dazu, dass Ärztinnen und Ärzte zwar vielfach in den Nachstunden arbeiten müssen, diese Arbeit aber nicht nur in einer Dienstform erbringen. Nach der bisherigen Gestaltung konnte es damit trotz erheblichen nächtlichen Einsatzes dazu kommen, dass kein Anspruch auf Zusatzurlaub erworben wurde, weil die jeweiligen Voraussetzungen nicht erfüllt waren. Dieser Missbrauchsmöglichkeit wird nunmehr ein Riegel vorgeschoben, indem nur noch eine einheitliche Staffel an Nachtstunden (Vollarbeit, Bereitschaftsdienst, Inanspruchnahme in der Rufbereitschaft) erreicht werden muss, um den Anspruch zu erwerben. Zudem haben wir die sich bei der Addition von Erholungs- und Zusatzurlaub ergebende Grenze für den Gesamturlaub angehoben und vereinheitlicht.
Arbeitszeiterfassung
Zahlreiche Teilnehmer unseres Surveys zum TV-Ärzte haben uns im Frühjahr von Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung und einer Weigerung einzelner Uniklinika und Abteilungen berichtet, den tarifvertraglichen Vorgaben zu folgen. Wir halten die vereinbarte Regelung nach wie vor für juristisch gelungen und sind überzeugt, dass Änderungen an dieser Stelle keinen Mehrwert bringen. Wir haben aber auch beobachtet, dass sich einzelne Kliniken sogar über die Ausführungshinweise ihres Arbeitgeberverbandes beziehungsweise der jeweiligen Finanzministerien hinwegsetzen. Um dieses Problem anzugehen, haben wir mit der TdL, die behauptete, hiervon keine Kenntnis zu haben, vereinbart, zu einer gemeinsamen – verbindlichen – Auslegung dieser Vorgaben zu kommen. Natürlich bietet auch eine solche Vereinbarung keine Gewähr dafür, dass sich die Uniklinika auch an die tarifvertraglichen Regelungen halten, ein Schritt zu mehr Verbindlichkeit in der Tarifanwendung ist sie gleichwohl.
Wie geht es weiter?
Die Tarifgremien werden bis Mitte September über die Tarifeinigung beraten und dabei auch Ihre Rückmeldungen berücksichtigen. Sofern die Einigung keine Mehrheit findet, wird sie gegenüber der TdL widerrufen und die Verhandlungen werden mit den ursprünglichen Zielsetzungen fortgesetzt.
Wir bemühen wir uns, zeitnah auf alle – auch kritische – Anfragen zu reagieren. Worauf wir jedoch nicht reagieren werden, sind polemische Vorhaltungen, die dem Marburger Bund pauschal oder einzelnen Akteuren innerhalb des MB Vorteilsnahme, Korrumpierbarkeit oder eine generelle Arbeitgebernähe vorwerfen. Solche Zuschreibungen bedrohen einen Verband in seinem Kern, schwächen seine Integrationsfähigkeit, demotivieren die ärztlichen Multiplikatoren und dienen letztlich den Interessen des sozialen Gegenspielers. Kritik an einer Tarifeinigung ist erwünscht, in Anbetracht eines Kompromisses nachvollziehbar und für uns Ansporn, die Dinge besser zu machen; pauschale Verunglimpfungen führen zu nichts und schwächen die Interessenvertretung.