Lineare Erhöhung
Nachdem die Arbeitgeber noch im März lediglich eine Einmalzahlung in Aussicht stellen wollten, konnten wir nunmehr eine rückwirkende Anhebung der Entgelttabelle erreichen. Bereits ab dem
1. Oktober 2021 werden die Tabellenentgelte und die Stundenentgelte für Bereitschaftsdienst um 3,35 % angehoben. Ebenso erhöhen sich der Einsatzzuschlag im Rettungsdienst sowie die Besitzstandszulagen aus dem Überleitungstarifvertrag aus 2006. Die vorläufigen Entgelttabellen finden Sie in den nächsten Tagen auf unserer Website. Natürlich kann eine solche Erhöhung das momentane dynamische Inflationsgeschehen nur teilweise abbilden; wir haben deshalb bewusst eine kurze Laufzeit dieser Erhöhung vereinbart, um bereits in sieben Monaten erneut – dann jedoch ausschließlich – über Entgeltsteigerungen zu verhandeln.
Rufbereitschaft
- Generelle Begrenzung
Eine zentrale Forderung in dieser Tarifrunde bestand in der effektiven Begrenzung der Rufbereitschaften. Ab dem 1. Juli 2022 haben Ärztinnen und Ärzte nicht mehr als 13 Rufbereitschaften im Kalendermonat zu leisten. Der klare Monatsbezug erlaubt es, durch bloßes Abzählen die Einhaltung dieser Grenze zu erkennen, eine irgendwie geartete Durchschnittsbetrachtung ist nicht vorgesehen. Weitere Rufbereitschaften im Kalendermonat sind nur zulässig, wenn ansonsten eine Gefährdung der Patientensicherheit droht. Kommt es deswegen zu zusätzlich angeordneten Rufbereitschaften erhalten Ärztinnen und Ärzte ab der 14. Rufbereitschaft im Monat einen Zuschlag von 10 Prozent auf das gesamte Rufbereitschaftsentgelt. Da sich dieser Zuschlag nach jeder weiteren dritten Rufbereitschaft um jeweils weitere 10 Prozentpunkte erhöht, werden also für die 14. bis 16. Rufbereitschaft im Kalendermonat jeweils 10 %, für die 17. bis 19. Rufbereitschaft jeweils 20 % usw. auf das gesamte Rufbereitschaftsentgelt fällig. Arbeiten Ärztinnen und Ärzte in Teilzeit vermindern sich diese Grenzen entsprechend ihrem Beschäftigungsumfang.
- Zuschlag
Neu eingeführt wird ein Zuschlag für die Inanspruchnahme in der Rufbereitschaft im Zeitraum zwischen 0 und 6 Uhr. Wir wollen damit eine Kompensation für die besonders belastenden Arbeiten in der Rufbereitschaft erreichen. Ärztinnen und Ärzte erhalten danach für Inanspruchnahmen, die in diesem Zeitraum stattfinden, einen zusätzlichen Zuschlag in Höhe von 50 Prozent des für die Arbeitsleistung gezahlten Entgelts. Dies betrifft sowohl Einsätze im Krankenhaus als auch solche, die vom Aufenthaltsort aus geleistet werden (z.B. telefonische Inanspruchnahme). Durch eine spezifische Rundungsregelung für den Zuschlag ist zudem sichergestellt, dass auch (mehrere) kurze Inanspruchnahmen zumindest den Zuschlag für eine Stunde auslösen. An den bisherigen Rundungsregelungen verändert sich dadurch nichts. Statt der Auszahlung wird der Zuschlag auf Wunsch der Ärztin bzw. des Arztes in Freizeit ausgeglichen. Hierfür ist lediglich eine entsprechende Erklärung bis zum Ablauf des Folgemonats notwendig.
Bereitschaftsdienst
- Monatliche Begrenzung
Ab dem 1. Januar 2023 haben Ärztinnen und Ärzte grundsätzlich nur bis zu vier Bereitschaftsdienste im Monat zu leisten. Die Durchschnittsberechnung auf das Kalenderhalbjahr entfällt. Der klare Bezug auf den Kalendermonat erlaubt es auch hier, durch bloßes Abzählen die Einhaltung bzw. Überschreitung der Grenze zu erkennen. Ein zusätzlicher Bereitschaftsdienst im Quartal darf ohne weitere Voraussetzungen angeordnet werden. Darüber hinaus gehende Bereitschaftsdienste dürfen nur angeordnet werden, wenn eine Gefährdung der Patientensicherheit droht.
- Folgen bei Überschreitung
Werden im Kalendermonat mehr als vier Dienste angeordnet, erhöht sich die Bewertung für jeden weiteren Dienst um jeweils 10 Prozentpunkte. Ein fünfter Dienst wird damit (unbeschadet etwaiger weiterer Tatbestände wegen denen die Bewertung erhöht wird, z.B. wegen verspäteter Dienstplanung) mit 110 %, ein sechster mit 120 % usw. bewertet. Etwas anderes gilt lediglich im Falle des erstmalig im laufenden Kalenderquartal angeordneten fünften Bereitschaftsdienstes eines Kalendermonats: Dessen Bewertung wird ebenfalls um 10 Prozentpunkte angehoben, etwaige danach im selben Kalendermonat angeordnete Dienste beginnen jedoch erneut bei einer Höherbewertung von 10 Prozentpunkten. (5. Dienst: 110 %, 6. Dienst: 110 %, 7. Dienst: 120 % usw.)
Für die Feststellung der Anzahl der Dienste werden Bereitschaftsdienste mit bis zu vier Stunden Dauer, die von Montag 05:00 Uhr bis Freitag 21:00 Uhr geleistet werden, mit 0,5 angerechnet. In Bezug auf Wochenenddienste bleibt es bei der hälftigen Anrechnung von Bereitschaftsdiensten mit bis zu maximal 12 Stunden, allerdings weiterhin nur unter der Voraussetzung, dass ein Wochenenddienst geteilt wird.
Auch die Begrenzung der Bereitschaftsdienste gilt zukünftig für teilzeitbeschäftigte Ärztinnen und Ärzte anteilig; die jeweiligen Grenzen verringern sich entsprechend dem Beschäftigungsumfang. Leisten Ärztinnen und Ärzte sowohl Bereitschaftsdienste als auch Rufbereitschaften, findet eine gegenseitige Anrechnung – auch bei Teilzeitbeschäftigten – auf die jeweiligen Grenzen statt.
Erholungsurlaub und Zusatzurlaub für Bereitschaftsdienst
Bereits ab diesem Jahr erhöht sich der allgemeine Anspruch auf Erholungsurlaub von 30 auf 31 Tage im Kalenderjahr für alle Ärztinnen und Ärzte.
Vollzeitbeschäftigte Ärztinnen und Ärzte, die mehr als 29 Bereitschaftsdienste im Kalenderhalbjahr leisten, erhalten ab dem Kalenderjahr 2023 einen weiteren Tag Zusatzurlaub (also maximal zwei Tage im Kalenderjahr). Auch hier wird bei Teilzeitbeschäftigung der Beschäftigungsumfang berücksichtigt.
Zudem haben wir eine Veränderung beim Zusatzurlaub für nächtlichen Bereitschaftsdienst erreicht. Die bisherige Regelung sah vor, dass Ärztinnen und Ärzte zwar einen Anspruch auf zwei Tage zusätzlichen Urlaub dann erworben haben, wenn sie im Kalenderjahr 288 Stunden nächtlichen Bereitschaftsdienst geleistet hatten. Blieben die nächtlichen Bereitschaftsdienststunden allerding unterhalb dieser Grenze gingen die Ärztinnen und Ärzte leer aus. Diesen unbefriedigenden Zustand haben wir nunmehr bereits mit Wirkung ab diesem Jahr dahingehend angepasst, dass ein erster Tag Zusatzurlaub bereits bei 144 Stunden, ein weiterer Tag wie bisher ab 288 Stunden Bereitschaftsdienst in der Nacht fällig wird.
Dienstplanung
Ab Januar 2023 werden die Zuschläge für die nicht rechtzeitige Dienstplanung sowie für kurzfristiges Einspringen erhöht. Betrug die Anhebung der Bewertung der Bereitschaftsdienste bislang 10 Prozentpunkte, erhöht sie sich zukünftig auf 17,5 Prozentpunkte. Der Zuschlag zum Rufbereitschaftsentgelt wird von 10 auf 17,5 Prozent angehoben.
Freie Wochenenden
Die bereits vorhandene Regelung zu den freien Wochenenden wird ab Januar 2023 erweitert: Zukünftig haben auch Ärztinnen und Ärzte im Schichtdienst einen entsprechenden Anspruch. Das Antragsverfahren zur Übertragung auf das folgende Kalenderjahr entfällt. Wird zukünftig wegen der Gefährdung der Patientensicherheit an mehr als zwei Wochenenden im Kalendermonat Arbeit angeordnet, ist der Arbeitgeber zukünftig verpflichtet, dieses Wochenende zusätzlich innerhalb der drei folgenden Kalendermonate zu gewähren. Gelingt das (wegen der Gefährdung der Patientensicherheit) nicht, wird die an diesem Wochenende geleistete Arbeit rückwirkend bezuschlagt (10 Prozent bei jeder Form der Vollarbeit und Rufbereitschaft) beziehungsweise im Fall von Bereitschaftsdienst um 10 Prozentpunkte höherbewertet.
Eine Ausnahme hiervon ergibt sich lediglich im Falle des ersten innerhalb des laufenden Kalenderquartals zusätzlich angeordneten Wochenendes. Dieses darf, ohne dass eine Gefährdung der Patientensicherheit vorliegt, angeordnet werden und muss nicht ausgeglichen werden. Diese Sonderregelung entspricht dem Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken und bildet den Umstand ab, dass verschiedene Monate fünf Wochenenden haben. Unabhängig davon ist -auch im Fall der Gefährdung der Patientensicherheit- in jedem Fall ein Wochenende von jedweder Form der Arbeitsleistung freizuhalten.
Elektronischer Heilberufsausweis
In vielen Kliniken stellt die Auseinandersetzung über die Kostentragung des Elektronischen Heilberufsausweis ein stetes Ärgernis dar, da die Arbeitgeber auf Empfehlung der Deutschen Krankenhausgesellschaft den Ärztinnen und Ärzten vielfach nur einen Teil der Kosten erstatten. Bereits ab diesem Kalenderjahr ist nunmehr sichergestellt, dass der Arbeitgeber die Kosten für den eHBA für Ärztinnen und Ärzte übernimmt.
Laufzeiten und neue Kündigungsmöglichkeiten
Im Rahmen der Gesamteinigung wurden unterschiedliche Laufzeiten für die Regelungen vereinbart, zum einen um sicherzustellen, hinsichtlich der Entgelte relativ kurzfristig bereits ab Januar 2023 auf das Inflationsgeschehen reagieren zu können. Zum anderen haben wir erstmals ein isoliertes Kündigungsrecht im Hinblick auf sämtliche Regelungen zu Schicht- und Wechselschichtarbeit zum Ende des Jahres 2023 vereinbart. Dieses gibt uns die Möglichkeit, diese Dienstformen spezifisch in den Fokus zu nehmen und weiter zu entwickeln, ohne den Tarifvertrag insgesamt kündigen zu müssen.
Die Einigung steht wie immer unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Gremien beider Seiten. Die Große Tarifkommission des Marburger Bundes wird sich noch im Mai mit der Einigung befassen.