• Bobbert: Patienten müssen Anspruch auf ärztliche Beratung haben

    Pressemitteilung
    Elektronische Patientenakte
    20.August 2018
    Nach den Plänen des Bundesgesundheitsministeriums sollen Versicherte zukünftig auch mit mobilen Endgeräten auf die medizinischen Daten in ihrer Patientenakte zugreifen können. Das sieht der Referentenentwurf für das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) vor. Die Erschließung zusätzlicher Zugriffswege sei zeitgemäß, sagt PD Dr. Peter Bobbert, Bundesvorstandsmitglied des Marburger Bundes. Patienten müssten aber auch in Zukunft bei der Nutzung und Pflege ihrer elektronischen Patientenakte Anspruch auf ärztliche Beratung haben, fordert Bobbert im aktuellen MB-Interview.
    Bobbert: Patienten müssen Anspruch auf ärztliche Beratung haben
    Bobbert: Patienten müssen Anspruch auf ärztliche Beratung haben

    Der Entwurf des Ministeriums stelle sicher, dass die elektronische Patientenakte eine Anwendung im Rahmen der bestehenden Telematikinfrastruktur sei und nicht jede Krankenkasse eine elektronische Gesundheitsakte nach eigenem Gusto auf den Markt bringen könne. Bobbert: „Die Gematik bleibt im Boot und sorgt dafür, dass einheitliche Standards bei der Entwicklung und Anwendung neuer Verfahren zum Einsatz kommen und die Interoperabilität gewahrt ist. Es muss sichergestellt sein, dass keine proprietären Daten-Reiche entstehen.“

    Höchst missverständlich sei allerdings die vorgesehene Neuregelung in § 305 Sozialgesetzbuch V. „Eine einmal erteilte Einwilligung des Versicherten, Daten über die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen an Dritte zu übermitteln, darf kein Freibrief für Datenhandel sein. Nach dem Entwurf erscheint nicht einmal ausgeschlossen, dass Patientendaten von kommerziellen Unternehmen eingesehen werden können, sofern sie ‚Anbieter elektronischer Patientenakten‘ sind. Deshalb muss von Beginn an klar sein, dass Krankenkassen und die von ihnen mit der Entwicklung einer elektronischen Patientenakte betrauten Unternehmen zwar die ePA zur Verfügung stellen, aber keinesfalls Zugriff auf sensible medizinische Informationen erhalten“, so Bobbert.

    „Kein Freibrief für Datenhandel“

    MB-Interview mit Bundesvorstandsmitglied PD Dr. Peter Bobbert zur beschleunigten Einführung von elektronischen Patientenakten der Krankenkassen

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    Herr Dr. Bobbert, im Entwurf des Bundesministers für Gesundheit für ein Terminservice- und Versorgungsgesetz werden die Krankenkassen verpflichtet, ihren Versicherten spätestens ab dem 1. Januar 2021 eine von der Gesellschaft für Telematik (Gematik) zugelassene elektronische Patientenakte (ePA) zur Verfügung zu stellen. Die Politik will augenscheinlich keine Zeit mehr verlieren. Stimmt der Eindruck?

    Bobbert: Ja, es sieht ganz danach aus. Die Politik macht Dampf und treibt das Projekt elektronische Patientenakte voran. Es gibt ein klares Zeitziel und die Gewähr, dass nicht jede Krankenkasse eine elektronische Gesundheitsakte nach eigenem Gusto auf den Markt bringt. Die elektronische Patientenakte ist eine Anwendung im Rahmen der bestehenden Telematikinfrastruktur. Das war eine unserer zentralen Forderungen. Die Gematik bleibt im Boot und sorgt dafür, dass einheitliche Standards bei der Entwicklung und Anwendung neuer Verfahren zum Einsatz kommen und die Interoperabilität gewahrt ist. Es muss sichergestellt sein, dass keine proprietären Daten-Reiche entstehen.

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    Es soll auch neue Zugriffswege geben: Die Patientenakte auf dem Smartphone und auf dem Tablet kommt ohne elektronische Gesundheitskarte und Arztausweis aus. Welchen Einfluss hat dann noch die Ärzteschaft auf die weitere Entwicklung?

    Bobbert: Träger der Gematik ist die gemeinsame Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen. Insofern bleibt der Einfluss der Ärzteschaft bei der technischen Weiterentwicklung gewahrt. Aber richtig ist auch: Die Ärzteschaft hat es in den vergangenen Jahren nicht vermocht, einen aktiven Part bei der Einführung der elektronischen Patientenakte zu spielen. Die Bedenkenträger-Fraktion hat lange Zeit die Mehrheit auf Deutschen Ärztetagen bestimmt.

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    Ist das Zwei-Karten-Prinzip beim Zugriff auf die elektronische Patientenakte überhaupt noch zukunftsfähig?

    Bobbert: Grundsätzlich schon. Es garantiert ein Höchstmaß an Sicherheit und wird für viele vor allem ältere Patienten, die häufig einen Arzt aufsuchen müssen, ein bevorzugter Zugangsweg sein. Aber die Entwicklung ist in den vergangenen Jahren weiter gegangen. Inzwischen haben viele Versicherte Smartphones und Tablets. Die Menschen nutzen alle möglichen Apps, bezahlen und überweisen mit dem Handy. Da wäre es aus der Perspektive gerade jüngerer und technikaffiner Versicherter kaum verständlich, wenn nicht auch ein sicherer Zugriff auf ihre Patientenakte über mobile Endgeräte ermöglicht würde. Die Gematik ist aufgefordert, die Voraussetzungen dafür zu schaffen.

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    Der Zugriff auf die Daten ist das eine, die Sammlung und Pflege der Daten das andere. Sollten Patienten dabei ärztliche Beratung beanspruchen können?

    Bobbert: Ja, unbedingt. Patienten müssen auch in Zukunft bei der Nutzung und Pflege ihrer elektronischen Patientenakte Anspruch auf ärztliche Beratung haben. Denn gerade die Patienten, die aufgrund ihres höheren Lebensalters, einer Vielzahl von Erkrankungen und der Einnahme verschiedener Medikamenten am meisten von einer elektronischen Patientenakte profitieren, werden gleichzeitig am wenigsten in der Lage sein, ihre Akte ganz allein zu einer sinnvollen Informationssammlung medizinischer Daten zu machen und diese regelmäßig zu aktualisieren. Intensive ärztliche Beratung benötigen auch Patienten mit potenziell stigmatisierenden, z.B. psychischen Erkrankungen oder schwerwiegenden Diagnosen, z.B. im Bereich der Humangenetik, bei denen ein besonderes Interesse besteht, dass die Informationen allein im geschützten Patient-Arzt-Verhältnis verbleiben.

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    Das heißt dann aber auch: Krankenkassen, Arbeitgeber und andere Dritte dürfen keinen Zugriff bekommen?

    Bobbert: So sollte es sein. In dieser Hinsicht ist der Referentenentwurf des Ministeriums jedoch höchst missverständlich. Eine einmal erteilte Einwilligung des Versicherten, Daten über die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen an Dritte zu übermitteln, darf kein Freibrief für Datenhandel sein. Nach dem Entwurf erscheint nicht einmal ausgeschlossen, dass Patientendaten von kommerziellen Unternehmen eingesehen werden können, sofern sie „Anbieter elektronischer Patientenakten“ sind. Deshalb muss von Beginn an klar sein, dass Krankenkassen und die von ihnen mit der Entwicklung einer elektronischen Patientenakte betrauten Unternehmen zwar die ePA zur Verfügung stellen, aber keinesfalls Zugriff auf sensible medizinische Informationen erhalten. Die ePA der Krankenkassen darf kein Vehikel zur Aushebelung des Patientengeheimnisses sein.