Die von Landkreistag und Städtetag in ihrer Umfrage ermittelten Daten für den kommunalen ÖGD – 2.900 besetzte ärztliche Vollzeitstellen – sind höchst fragwürdig. Das zeigt schon ein Vergleich mit den Zahlen der Bundesärztekammer. Demnach arbeiteten zum Stichtag 30.12.2019 bundesweit 2561 Ärztinnen und Ärzte in den Gesundheitsämtern der Kommunen und der Länder, darunter auch beamtete Ärztinnen und Ärzte. Der kommunale Öffentliche Gesundheitsdienst ist seit Jahren personell ausgezehrt. Die Nachbesetzung gestaltet sich immer schwieriger. So droht aktuell der Berliner Großbezirk Marzahn-Hellersdorf mangels Nachfolge bald ohne Amtsärztin dazustehen. Die Vertreter der Kommunen wollen sich dieser Realität jedoch nicht stellen.
Die Kritik an der Erhebung der kommunalen Spitzenverbände untermauern die 1. Vorsitzende des Marburger Bundes, Dr. Susanne Johna, und die Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), Dr. Ute Teichert, in einem gemeinsamen Schreiben an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, die Gesundheitsminister der Länder und die Vertreter der Kommunen. „Aus unserer Sicht waren die Fragen zur Personalsituation zu undifferenziert und deshalb auch ungeeignet, valide Aussagen zur tatsächlichen Personallage und zum zukünftigen Personalbedarf im ÖGD zu treffen. In der Umfrage wurde nicht nach dem tatsächlich vorhandenen und dem benötigten Personal gefragt, sondern lediglich auf Planstellen Bezug genommen. Es fand keine Unterscheidung zwischen Teilzeit- und Vollzeitstellen statt, ebenso fehlten Fragen zur Altersstruktur der Beschäftigten. Lediglich zwischen ärztlichem und nicht-ärztlichem Personal wurde unterschieden, nach anderen Berufsgruppen wurde nicht differenziert“, heißt es in dem Schreiben von Marburger Bund und BVÖGD.
Eines der Grundprobleme - die tarifliche Ungleichbehandlung der Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst – wurde in der Umfrage komplett negiert. Für die Kommunen sind Ärztinnen und Ärzte im ÖGD Teil des „Verwaltungskörpers“ und brauchen keine tarifvertragliche Eigenständigkeit, wie sie der Marburger Bund und der BVÖGD gemeinsam erstreben: „Die dringend benötigte Nachwuchsgewinnung wird nur dadurch zu erreichen sein, dass man durch einen arztspezifischen Tarifvertrag Ärztinnen und Ärzte im ÖGD mit ihren Kolleginnen und Kollegen in den kommunalen Krankenhäusern und im Medizinischen Dienst der Krankenversicherung gleichstellt. Es wäre fatal, wenn zwar neue Stellen geschaffen und finanziert würden, diese jedoch mangels Attraktivität und schlechter Bezahlung nicht nachbesetzt werden könnten“, heißt es in dem gemeinsamen Schreiben von Marburger Bund und BVÖGD.